18. Mai 2020

Hauptsache Verschwörungstheoretiker

In Deutschland wird wieder demonstriert. Nicht ausgeprägt, aber doch deutlich vorhanden, am vorvergangenen Wochenende in Stuttgart wohl um die 10.000, was ja immerhin schon eine gewaltige Zahl ist, wenn man bedenkt, dass die meisten Städte die (demokratisch mehr als  fragwürdige) Strategie fahren, erst gar keine Demonstration zu genehmigen, die eine knapp dreistellige Menschenmenge erreichen könnte. Auch wurden die Bussgelder noch einmal deftig erhöht mit denen man Druck auf die Demonstranten ausüben  kann, dass unter solchen Umständen überhaupt nennenswerte Menschenmengen zusammen kommen, zeigt, dass die Demokratie in Deutschland zwar schwer erkrankt aber  noch nicht tot ist.

Das sie allerdings schwer unter Beschuss ist, kann man ziemlich gut daran erkennen, wie die staatlichen Propagandabatallione (vbulgo ÖR) mit der Situation umgehen. Die derzeit ausgegebene Leitlinie ist: Verschwörungstheoretiker, Rechtsextremisten, Spinner. Impfgegner nicht zu vergessen, dass der Begriff Reichsbürger so selten bemüht wird, ist dabei schon  fast wieder erstaunlich. Aber die Stoßrichtung ist klar: Wer eventuell Probleme mit der Regierungslinie haben könnte, der kann nur ein Spinner sein. Oder ein Rechtsextremist. Oder sonst irgendetwas, was man diskreditieren kann. Die Armseligkeit dieser Sichtweise und die fulminante Verachtung von anderer Meinung sollte sich nach kurzem Nachdenken noch dem größten Regierungsfan auffallen.

Dieser Autor war am letzten Samstag auf einer solchen Demo. Und er kann sagen, dass die Menge an Spinnern, die dort unterwegs war, nicht unbedingt größer ist, als auf den meisten anderen Demos, die sich so in Deutschland abspielen. Gemessen an dem Volk, dass zum ersten Mai die Friedfertigkeit des linken Spektrums damit unterstreicht, in dem es einige Dutzend Autos abfackelt und ein paar Geschäfte "entglast", kann man gar sagen, dass die Menge an seltsamen Personen eigentlich sogar noch gering war (kleine Randnotiz:  Die einzige politische Gruppe,  die dieser Autor beobachten konnte, sich Aufmerksamkeit durch den Protest zu angeln, waren die unvermeidlichen Antifanten, die es sich nicht nehmen ließen, ihre Flaggen zu präsentieren).

Unabhängig davon müsste aber auch der dümmste Journalist  eine wichtige Wahrheit verstehen, wenn man sie ihm direkt sagte: Auch Verschwörungstheoretitiker, Rechtsextremisten, Reichsbürger, Impfgegner und Spinner haben ein Recht auf eine Meinung. Wer hätte das gedacht? Wie unverschämt und abstossend ist es eigentlich jemanden das Recht auf eine Meinung abzusprechen, weil er nicht auf Regierungs- oder Mehrheitslinie liegt? Hatten wir das nicht schon zweimal in Deutschland?

Verschwörungstheoretiker haben nicht einen Millimeter weniger Recht auf ihre Meinung als ein Kai Gniffke oder Markus Lanz. Als ob  es ein Maß gäbe ab welchem eine Meinung, nur weil sie schlecht  fundiert ist oder nur von einer Minderheit geglaubt wird, nicht mehr akzeptabel sein soll (ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung glaubt daran in der Sonntagsmesse einen Schluck Blut Christi zu trinken, naturwissenschaftlich betrachtet vollkommen hirnverbrannt, aber deshalb akzeptabel, weil es viele  glauben?).

Wenn eine Gesellschaft Demonstrationen als Mittel zur politischen Meinungsbildung anerkennt (was nicht zwingend ist, aber in Deutschland so verstanden wird), dann muss es dieses Recht für jeden geben und es ist auch für jeden gleich  legitim. Die Stoßrichtung der ÖR zeigt allenfalls an, dass Demokratie gerade nicht ihr Ziel ist und wenn man sich den Hohn um den Begriff der "Demokratieabgabe" in Erinnerung ruft, dann kann man nur noch laut lachen. Die größten Feinde der Demokratie sind gerade die, die lau rufen sie wären ihre größten Verteidiger. Aber das ist vermutlich auch nur wieder eine Verschwörunstheorie.

Kleiner Nachtrag, halb OT, zum Thema Verschwörungstheoretiker. Als ich noch an der Uni war und mich mit Computersicherheit befasst habe, machten wir uns auch gut und gerne über Verschwörungstheoretiker lustig, die ja nun gerade im Bereich Computersicherheit nichts seltenes waren. Wer sich zu lange mit Kryptographie, Hacking und Sicherheit im Allgemeinen beschäftigt, wird irgendwann etwas paranoid, das ist ziemlich unvermeidlich. Und wir haben Witze darüber gemacht, was die "böse NSA" alles an aberwitzigen Dingen können müsste, damit die Verschwörungstheoretiker recht hätten. So müssten sie beispielsweise die Zufallsgeneratoren der gängigen Betriebssysteme geheim umprogrammieren. Was haben wir gelacht. Bis Edward Snowden kam. Und  wir feststellen mussten, dass die NSA so ziemlich  all die Dinge, die wir schwerzweise angenommen hatten,  aufgegriffen und zu guten Teilen umgesetzt hatte. Und dazu noch vieles, was wir nicht auf dem Schirm hatten. Ich schmunzele auch heute noch gerne über Verschwörungstheorien, umso verschlungener umso besser. Aber das Lachen ist  nicht mehr  ganz  so laut wie früher.  Ich glaube nicht, dass Bill Gates mit einer Impfung die ganze Welt erobern will. Aber das Corona eine ganz  hervorragende Methode ist, um Grundrechte und Demokratie  in ihren Grundfesten zu erschüttern und das es Leute gibt, die nichts lieber tun als das, ist  das eine Verschwörungstheorie?

Llarian

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