3. März 2019

Doping im Spitzensport: Warum der Staat nicht tun sollte, was die betroffenen Verkehrskreise nur halbherzig angehen

Die Weltmeisterschaft im nordischen Skisport ist heute mit dem Langlaufrennen der Herren in der freien Technik über 50 Kilometer zu Ende gegangen. Aus Sicht des DSV-Kaders verliefen die (knapp) zwei Wochen von Seefeld sehr erfreulich: Insbesondere die nach dem bisherigen Saisonverlauf nicht unbedingt zu erwartende Einzel-Goldmedaille für Eric Frenzel und der – so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit herstellende – Großschanzen-Triumph des Markus Eisenbichler sorgten für einen unverhofft siegreichen Auftakt der Spiele.

In das frühlingshafte Licht des Kräftemessens in der Luft und in der Loipe ragte indessen der inzwischen allzu bekannte Schatten des Hochleistungssports hinein: Die Ermittlungen gegen einen Thüringer Arzt und gegen fünf – laut den einschlägigen Medienberichten hinsichtlich der ihnen vorgeworfenen Eigenblutinjektionen offenbar geständige – Langläufer aus Österreich, Estland und Kasachstan sowie eine mögliche Ausweitung auf den Profi-Radsport sind die bislang bekannten Hauptzutaten dieses – so die wohl mittlerweile allgemein akzeptierte journalistische Benennung – „Dopingskandals“.
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Offen gestanden interessieren mich beim Thema Doping die Einzelfälle viel weniger als die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit mit dem Ruchbarwerden der Einnahme verpönter Substanzen im Hochleistungssport umgeht. Und ja, in rechtspolitischer Hinsicht stört es mich, dass Doping zumindest in Ländern wie Deutschland und Österreich ein Fall für den Staatsanwalt und dann allenfalls auch noch den Strafrichter ist. Diese Meinung will ich natürlich begründen:

Erstens wären meiner Ansicht nach die knappen Ressourcen der staatlichen Strafverfolgung besser alloziert, wenn sie für die Bekämpfung der Schwerkriminalität oder solcher Handlungen genutzt würden, durch welche die innere Sicherheit massiv beeinträchtigt wird.

Zweitens sehe ich im Doping im Hochleistungssport keine besondere soziale Schädlichkeit: Die betroffenen Kreise stellen einen sehr kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung dar. Der Normalbürger wird durch Doping im Hochleistungssport nicht in seinen Rechtsgütern verkürzt.

Drittens lässt sich die gerichtliche Strafbarkeit des Dopings für meinen Geschmack rechtstheoretisch nur schwer begründen: Die Anti-Doping-Gesetze Deutschlands und Österreichs nennen weitgehend übereinstimmend die Wahrung der Gesundheit der Sportler, der Fairness und der Chancengleichheit, kurz des Sportsgeistes, als Normzweck. Meines Erachtens ist der sich im Fairnessgebot und in der Chancengleichheit manifestierende Sportsgeist kein Rechtsgut, das man mit dem Ultima-Ratio-Knüppel des Kriminalstrafrechts schützen müsste. Die Gesundheit der Sportler hätte zwar sehr wohl diese Qualität, aber nur dann, wenn es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass Athleten gegen ihren Willen leistungssteigernden Behandlungen ausgesetzt würden. Eine Selbstschädigung darf niemandem verboten werden, und das Vorhandensein von sozialem Druck (Trainer, Verbandsfunktionäre und Sponsoren, die ein hohes Leistungsniveau erwarten und vielleicht auch ziemlich vehement fordern) ist mir zu wenig, um hier Straftatbestände zu installieren.

Und auch die Argumentation mit dem Sportbetrug halte ich nicht für besonders stichhaltig: Dass Dopingmethoden potenziell leistungssteigernd sind, steht (gemäß meinen arg beschränkten medizinischen Kenntnissen) außer Zweifel. Es dürfte aber absolut unmöglich sein, den Anteil des Dopings an einem ganz bestimmten Wettkampfergebnis zu bestimmen. Will heißen: Ob sich die Spritzerei und Schluckerei dann auch wirklich (ideell durch Medaillen und Ruhm, materiell durch Preisgelder, Sponsoren- und Werbeverträge sowie öffentlich-rechtliche Förderungen) auszahlt, kann man ex ante nicht sagen. Vorab ist lediglich klar, dass sich der dopende Sportler einen abstrakten Wettbewerbsvorteil erschleicht – womit man aber eher im Lauterkeits- als im Strafrecht wäre. Wer nun zum Beispiel im deutschen oder im österreichischen UWG sucht, wird zwar einige kriminalstrafrechtliche Tatbestände (und auch Ordnungswidrigkeiten/Verwaltungsübertretungen) finden, aber im Kern sind die UWG der beiden hier interessierenden Länder doch zivilrechtlich geprägt. Wenn man unlauteren Wettbewerb im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr in erster Linie privatrechtlich regelt, ist es dann wirklich gerechtfertigt, Vergleichbares in der Welt der Spitzenathletik der staatlichen Strafgewalt zu unterwerfen?

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An dieser Stelle muss der Zungenschlag des vorliegenden Artikels wechseln: Ich gestehe offen zu, dass es für mich als Konsumenten von Übertragungen hochleistungssportlicher Wettbewerbe (im Wintersport alle Disziplinen, bei denen die Protagonisten Skier an den Füßen tragen; im Sommersport Fußball, Handball und Tennis; als Beikost gerne auch Schlittensportarten beziehungsweise Leichtathletik und auch der eine oder andere Boxkampf) schon einen Unterschied macht, ob die entsprechenden Resultate nur durch einschlägige Veranlagung, hartes Training, taktische Brillanz und allenfalls noch eine überlegene Material-Präparation erzielt werden oder ob auch der Onkel Doktor daran mitgewirkt hat. Dies schreibe ich im vollen Bewusstsein dessen, dass eine Couch-Potato auch mit Doping nicht zum Olympiasieger erstarken würde, sondern die unerlaubte Medikation sehr guten Sportlern nur dazu verhilft, vielleicht noch ein bisschen besser zu werden.

Aber ich bin auch der festen Überzeugung, dass nicht der Staat, sondern die betroffenen Verkehrskreise den Kampf gegen Doping führen sollten und nur dadurch ein nachhaltiger Erfolg erreicht werden kann. Dem Vernehmen nach werden in Sponsorenverträgen Ausstiegsklauseln für den Fall des systematischen Dopings standardmäßig vereinbart. Das ist zweifellos ein Anfang. Über eine Verlängerung der Sperrdauer für ertappte Dopingsünder sollte nachgedacht werden: In Ausdauersportarten ist es für Mittzwanziger verkraftbar, wenn sie zwei, drei Jahre vom Wettkampfbetrieb ausgeschlossen werden, weil die Leistungsspitze in den entsprechenden Disziplinen gewöhnlich noch nicht in diesem Alter erreicht wird. Zwingend lebenslange Sperren bei vorsätzlichem oder wiederholtem Doping könnten dazu beitragen, die Nutzen-Risiko-Abwägung zugunsten des sauberen Sports zu beeinflussen. Man kann bisweilen den Eindruck gewinnen, dass es sich die Sportverbände, insbesondere die Fachverbände, mit einer "Don't-ask-don't-tell"-Einstellung und der Sprachregelung, wonach es sich beim Doping um völlig atypische Einzelfälle handelt, gern gemütlich machen würden.

Der Staat muss nicht immer dort einspringen, wo gesellschaftliche Kräfte (möglicherweise) versagen. Wenn es der Sport nicht hinbekommt, das Dopingproblem zu lösen, kann man sich als Sponsor zurückziehen und als Zuschauer nicht mehr einschalten. Bitte lasst den Leviathan auch mal in seiner Höhle ruhen.

Noricus

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