Die
Weltmeisterschaft im nordischen Skisport ist heute mit dem Langlaufrennen der
Herren in der freien Technik über 50 Kilometer zu Ende gegangen. Aus Sicht des
DSV-Kaders verliefen die (knapp) zwei Wochen von Seefeld sehr erfreulich: Insbesondere
die nach dem bisherigen Saisonverlauf nicht unbedingt zu erwartende Einzel-Goldmedaille
für Eric Frenzel und der – so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit herstellende
– Großschanzen-Triumph des Markus Eisenbichler sorgten für einen unverhofft siegreichen
Auftakt der Spiele.
In
das frühlingshafte Licht des Kräftemessens in der Luft und in der Loipe ragte indessen
der inzwischen allzu bekannte Schatten des Hochleistungssports hinein: Die
Ermittlungen gegen einen Thüringer Arzt und gegen fünf – laut den einschlägigen
Medienberichten hinsichtlich der ihnen vorgeworfenen Eigenblutinjektionen
offenbar geständige – Langläufer aus Österreich, Estland und Kasachstan sowie
eine mögliche Ausweitung auf den Profi-Radsport sind die bislang bekannten
Hauptzutaten dieses – so die wohl mittlerweile allgemein akzeptierte
journalistische Benennung – „Dopingskandals“.
Offen gestanden interessieren mich beim Thema Doping die Einzelfälle viel weniger als die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit mit dem Ruchbarwerden der Einnahme verpönter Substanzen im Hochleistungssport umgeht. Und ja, in rechtspolitischer Hinsicht stört es mich, dass Doping zumindest in Ländern wie Deutschland und Österreich ein Fall für den Staatsanwalt und dann allenfalls auch noch den Strafrichter ist. Diese Meinung will ich natürlich begründen:
Erstens
wären meiner Ansicht nach die knappen Ressourcen der staatlichen
Strafverfolgung besser alloziert, wenn sie für die Bekämpfung der
Schwerkriminalität oder solcher Handlungen genutzt würden, durch welche die
innere Sicherheit massiv beeinträchtigt wird.
Zweitens
sehe ich im Doping im Hochleistungssport keine besondere soziale Schädlichkeit:
Die betroffenen Kreise stellen einen sehr kleinen Bruchteil der
Gesamtbevölkerung dar. Der Normalbürger wird durch Doping im Hochleistungssport
nicht in seinen Rechtsgütern verkürzt.
Drittens
lässt sich die gerichtliche Strafbarkeit des Dopings für meinen Geschmack
rechtstheoretisch nur schwer begründen: Die Anti-Doping-Gesetze Deutschlands
und Österreichs nennen weitgehend übereinstimmend die Wahrung der Gesundheit
der Sportler, der Fairness und der Chancengleichheit, kurz des Sportsgeistes,
als Normzweck. Meines Erachtens ist der sich im Fairnessgebot und in der
Chancengleichheit manifestierende Sportsgeist kein Rechtsgut, das man mit dem
Ultima-Ratio-Knüppel des Kriminalstrafrechts schützen müsste. Die Gesundheit
der Sportler hätte zwar sehr wohl diese Qualität, aber nur dann, wenn es
Anhaltspunkte dafür gäbe, dass Athleten gegen ihren Willen leistungssteigernden
Behandlungen ausgesetzt würden. Eine Selbstschädigung darf niemandem verboten
werden, und das Vorhandensein von sozialem Druck (Trainer, Verbandsfunktionäre
und Sponsoren, die ein hohes Leistungsniveau erwarten und vielleicht auch
ziemlich vehement fordern) ist mir zu wenig, um hier Straftatbestände zu
installieren.
Und
auch die Argumentation mit dem Sportbetrug halte ich nicht für besonders
stichhaltig: Dass Dopingmethoden potenziell leistungssteigernd sind, steht (gemäß
meinen arg beschränkten medizinischen Kenntnissen) außer Zweifel. Es dürfte
aber absolut unmöglich sein, den Anteil des Dopings an einem ganz bestimmten
Wettkampfergebnis zu bestimmen. Will heißen: Ob sich die Spritzerei und
Schluckerei dann auch wirklich (ideell durch Medaillen und Ruhm, materiell
durch Preisgelder, Sponsoren- und Werbeverträge sowie öffentlich-rechtliche Förderungen)
auszahlt, kann man ex ante nicht sagen. Vorab ist lediglich klar, dass sich der
dopende Sportler einen abstrakten Wettbewerbsvorteil erschleicht – womit man aber eher im
Lauterkeits- als im Strafrecht wäre. Wer nun zum Beispiel im deutschen oder im
österreichischen UWG sucht, wird zwar einige kriminalstrafrechtliche
Tatbestände (und auch Ordnungswidrigkeiten/Verwaltungsübertretungen) finden,
aber im Kern sind die UWG der beiden hier interessierenden Länder doch
zivilrechtlich geprägt. Wenn man unlauteren Wettbewerb im allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr in erster Linie privatrechtlich regelt, ist es dann
wirklich gerechtfertigt, Vergleichbares in der Welt der Spitzenathletik der
staatlichen Strafgewalt zu unterwerfen?
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An
dieser Stelle muss der Zungenschlag des vorliegenden Artikels wechseln: Ich
gestehe offen zu, dass es für mich als Konsumenten von Übertragungen
hochleistungssportlicher Wettbewerbe (im Wintersport alle Disziplinen, bei
denen die Protagonisten Skier an den Füßen tragen; im Sommersport Fußball,
Handball und Tennis; als Beikost gerne auch Schlittensportarten beziehungsweise
Leichtathletik und auch der eine oder andere Boxkampf) schon einen
Unterschied macht, ob die entsprechenden Resultate nur durch einschlägige
Veranlagung, hartes Training, taktische Brillanz und allenfalls noch eine
überlegene Material-Präparation erzielt werden oder ob auch der Onkel Doktor daran mitgewirkt hat. Dies schreibe ich im vollen Bewusstsein dessen, dass eine
Couch-Potato auch mit Doping nicht zum Olympiasieger erstarken würde, sondern
die unerlaubte Medikation sehr guten Sportlern nur dazu verhilft, vielleicht
noch ein bisschen besser zu werden.
Aber
ich bin auch der festen Überzeugung, dass nicht der Staat, sondern die
betroffenen Verkehrskreise den Kampf gegen Doping führen sollten und nur dadurch
ein nachhaltiger Erfolg erreicht werden kann. Dem Vernehmen nach werden in
Sponsorenverträgen Ausstiegsklauseln für den Fall des systematischen Dopings standardmäßig
vereinbart. Das ist zweifellos ein Anfang. Über eine Verlängerung der Sperrdauer
für ertappte Dopingsünder sollte nachgedacht werden: In Ausdauersportarten ist
es für Mittzwanziger verkraftbar, wenn sie zwei, drei Jahre vom
Wettkampfbetrieb ausgeschlossen werden, weil die Leistungsspitze in den
entsprechenden Disziplinen gewöhnlich noch nicht in diesem Alter erreicht wird.
Zwingend lebenslange Sperren bei vorsätzlichem oder wiederholtem Doping könnten
dazu beitragen, die Nutzen-Risiko-Abwägung zugunsten des sauberen Sports zu
beeinflussen. Man kann bisweilen den Eindruck gewinnen, dass es sich die Sportverbände, insbesondere die Fachverbände, mit einer "Don't-ask-don't-tell"-Einstellung und der Sprachregelung, wonach es sich beim Doping um völlig atypische Einzelfälle handelt, gern gemütlich machen würden.
Der
Staat muss nicht immer dort einspringen, wo gesellschaftliche Kräfte (möglicherweise)
versagen. Wenn es der Sport nicht hinbekommt, das Dopingproblem zu lösen, kann
man sich als Sponsor zurückziehen und als Zuschauer nicht mehr einschalten.
Bitte lasst den Leviathan auch mal in seiner Höhle ruhen.
Noricus
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