Es fiele leicht, über den Fall Claas Relotius
mit der dem SPIEGEL gern nachgesagten Häme zu schreiben. Denn es ist
mehr als peinlich, dass das Leitorgan der deutschen Presselandschaft in
Sachen Überprüfung der bei ihm eingereichten Artikel
gerade bei den zum Teil wirklich plumpen Erfindungen des Überführten so
schmählich versagt hat. Für den Spott über die nunmehr arg beschädigte
Selbststilisierung der hauptberuflichen Welterklärer als bessere Alternative
zu den Fake-News-Höllen der sozialen Netzwerke ist gesorgt.
Gerade auch in den klassischen Medien ist von einem Einzelfall die Rede, was im Hinblick auf Ausmaß und Dreistigkeit der Manipulationen des 33-Jährigen zweifellos richtig ist. Man fühlt sich gleichwohl an den Hauptmann von Köpenick erinnert, der mit seiner Rathausbesetzung zwar ebenfalls etwas Singuläres getan, dabei aber auch die Schwächen eines Systems, das der von einer Uniform ausgestrahlten Autorität bedenkenlos auf den Leim ging, ausgenutzt und offengelegt hat. In Deutschland wurde der Handstreich des Wilhelm Voigt überwiegend belustigt zur Kenntnis genommen. Die nachdenklichen Stimmen, die von einem - modern gewendet - bug und eben nicht von einem feature sprachen, waren in der Minderzahl.
Relotius' Waffenrock waren seine zahlreichen Auszeichnungen, die er für seine perfekt ins Weltbild der Multiplikatorenzunft passenden Geschichten erhielt, darunter Rührstücke über Migranten und Horrortableaus aus Trumps Amerika. Die ihm verliehenen Preise dürften die Produkte des Hamburgers gegen allzu viel kritisches Hinterfragen immunisiert haben. Wer würde es schon wagen, die Texte eines mit Lorbeeren überhäuften Publizisten beckmesserisch zu kontrollieren, zumal deren Tenor ja genau das bestätigte, was man ohnehin schon immer geahnt hatte?
Alexander Wendt sieht eine Art sunk cost fallacy am Werke: Ebenso wie die Verantwortlichen des STERN im Falle der gefälschten Hitler-Tagebücher habe der SPIEGEL zu viel in Relotius investiert, um seinen Opuscula noch mit der gebotenen Skepsis begegnen zu können. Dies ist natürlich zutreffend: Auch andere Zeitungen haben Beiträge von Relotius veröffentlicht, doch nur beim hansestädtischen Nachrichtenmagazin machte der nunmehr gegeißelte Autor den entscheidenden Karriereschritt und wurde in die Redaktion aufgenommen. Man habe sich von Relotius "zu sehr einseifen lassen", meint der designierte SPIEGEL-Chefredakteur Steffen Klusmann. Dies mag man als Eingeständnis einer im krassen Widerspruch zum eigenen Investigationsanspruch stehenden Leichtgläubigkeit interpretieren.
Dass die Branche nun Umkehr und Buße tut, dürfte trotz entsprechender Zerknirschungsbekundungen nicht zu erwarten sein. Denn das Grundübel, nämlich die weitgehende Akzeptanz des Gesinnungsjournalismus als zu dekorierende best practice, wird nur von wenigen als Kern des Problems identifiziert. Es wird wohl eher darauf hinauslaufen, dass man die Causa Relotius nach langwierigem Aufklärungsgetöse als die Verwirklichung eines Restrisikos bezeichnet, das sich auch in der ansonsten perfekt funktionierenden Maschinerie des deutschen Medienwesens nicht ganz ausschließen lässt.
Gerade auch in den klassischen Medien ist von einem Einzelfall die Rede, was im Hinblick auf Ausmaß und Dreistigkeit der Manipulationen des 33-Jährigen zweifellos richtig ist. Man fühlt sich gleichwohl an den Hauptmann von Köpenick erinnert, der mit seiner Rathausbesetzung zwar ebenfalls etwas Singuläres getan, dabei aber auch die Schwächen eines Systems, das der von einer Uniform ausgestrahlten Autorität bedenkenlos auf den Leim ging, ausgenutzt und offengelegt hat. In Deutschland wurde der Handstreich des Wilhelm Voigt überwiegend belustigt zur Kenntnis genommen. Die nachdenklichen Stimmen, die von einem - modern gewendet - bug und eben nicht von einem feature sprachen, waren in der Minderzahl.
Relotius' Waffenrock waren seine zahlreichen Auszeichnungen, die er für seine perfekt ins Weltbild der Multiplikatorenzunft passenden Geschichten erhielt, darunter Rührstücke über Migranten und Horrortableaus aus Trumps Amerika. Die ihm verliehenen Preise dürften die Produkte des Hamburgers gegen allzu viel kritisches Hinterfragen immunisiert haben. Wer würde es schon wagen, die Texte eines mit Lorbeeren überhäuften Publizisten beckmesserisch zu kontrollieren, zumal deren Tenor ja genau das bestätigte, was man ohnehin schon immer geahnt hatte?
Alexander Wendt sieht eine Art sunk cost fallacy am Werke: Ebenso wie die Verantwortlichen des STERN im Falle der gefälschten Hitler-Tagebücher habe der SPIEGEL zu viel in Relotius investiert, um seinen Opuscula noch mit der gebotenen Skepsis begegnen zu können. Dies ist natürlich zutreffend: Auch andere Zeitungen haben Beiträge von Relotius veröffentlicht, doch nur beim hansestädtischen Nachrichtenmagazin machte der nunmehr gegeißelte Autor den entscheidenden Karriereschritt und wurde in die Redaktion aufgenommen. Man habe sich von Relotius "zu sehr einseifen lassen", meint der designierte SPIEGEL-Chefredakteur Steffen Klusmann. Dies mag man als Eingeständnis einer im krassen Widerspruch zum eigenen Investigationsanspruch stehenden Leichtgläubigkeit interpretieren.
Dass die Branche nun Umkehr und Buße tut, dürfte trotz entsprechender Zerknirschungsbekundungen nicht zu erwarten sein. Denn das Grundübel, nämlich die weitgehende Akzeptanz des Gesinnungsjournalismus als zu dekorierende best practice, wird nur von wenigen als Kern des Problems identifiziert. Es wird wohl eher darauf hinauslaufen, dass man die Causa Relotius nach langwierigem Aufklärungsgetöse als die Verwirklichung eines Restrisikos bezeichnet, das sich auch in der ansonsten perfekt funktionierenden Maschinerie des deutschen Medienwesens nicht ganz ausschließen lässt.
Noricus
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