28. Juni 2018

Aus der Schwalbenperspektive: In hoc signo...



Nach dem doch recht abrupten Ende der deutschen Teilnahme an der Fußballweltmeisterschaft in Rußland, nach dem Wegfall eines Sommermärchens vermittelst der 'Schaft für Schland, nach einem, man kann es nicht völlig abstreiten, nicht ganz glücklichen Tourneeverlauf, bietet es sich an, zum Abschluß auf diesem Netztagebuch doch eine kleine Miszelle dieser Facette des Daseins "in unserem Juniversum" (©Arno Schmidt) zu widmen. Vor allem gilt es, die Verantwortlichen für dieses kleine Mißgeschick zu benennen, das "Die Welt" als "Die historische Schmach der deutschen Nationalmannschaft" nannte und das Geschehen damit rhetorisch neben das an der Westfront vor einhundert Jahren, im Frühsommer 1918 einreihte. Eigentlich gehörte zur Komplettierung noch "...im Felde unbesiegt" dazu - aber das wäre selbst dort wohl zu sehr mit der optischen Evidenz in Widerspruch geraten. Fragen wir also, wer hier den Dolch im Gewande führte. Spaßig ists, daß, nachdem zuerst das "deutsch" wie vor 3 Jahren auf Betreiben von Frau Merkel persönlich das "national" entsorgt wurde und nur Die Mannschaft übrigblieb, im Augenblick der Niederlage diese entsorgten Gespenster wieder ihren Modergruften entsteigen.

Daß der Protokollant noch nie in seinem Leben ein Fußballspiel gesehen hat und vom Rasenschach nicht mehr versteht als daß das Runde ins Eckige muß, qualifiziert ihn in eigenen Augen zur mehr als fachkundigen Analyse. In Verhältnissen, in denen eine absolute Unkenntnis ökonomischer Zusammenhänge zu politischen Weichenstellungen pro Mindestlohn und Mietpreisbremse qualifiziert und physikalische wie ökonomische Ignoranz zur Grundbedingung eines Weltrettungswerks wie der Energiewende vonnöten ist, ist auch Unbelichtetheit in diesem Belang Grundvoraussetzung korrekter Analyse.

Die Liste der üblichen Verdächtigen ist so augenscheinlich wie kurz.

A. Putin. Selbstredend. Nicht nur, weil diese Weltmeisterschaft auf moskowitischem Terrain abgehalten wird und Господин Владимир Владимирович in alle Schändlichkeiten des Weltlaufs verstrickt ist, zumal wenn sie auf geheiligtem russischen Boden stattfinden. Die Evidenz ergibt sich aus den deutschen Mediendiskurs der letzten Jahre bündig und braucht daher nicht hinterfragt zu werden. Die Frage nach dem Wirkmechanismus (wie hat Herr P. dies nun ins Werk gesetzt, und cui bono, zu welchem Behufe?) findet ihre Beantwortung darin, daß in eben jenem Mediendiskurs genau solche Fragen in den letzten Jahren unbeantwortet blieben und sich somit erübrigen. Die Behauptung in den Raum zu stellen, heißt sie als gegeben zu setzen. Absenz an jeglichem Beweis erhärtet nur diese Gewißheit. Man braucht keinen Beleg dafür, daß Herr P. die amerikanischen Präsidentschaftswahlen manipuliert hat, so wenig wie einen nachvollziehbaren oder auch nur halbwegs plausiblen Weg, wie er die Hälfte der amerikanischen Wählerschaft manipulieren konnte: Posthypnotische Befehle? Kobolde in den Wahlcomputern? Erpressung sämtlicher Wahlhelfer? Im Analogieschluß darf eine Hauptschuld am Desaster, eine von vielen, bei dieser Adresse ausgemacht werden. Aber hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

B. Die AfD. Ebenso selbstredend. Wie an diversen staubigen Ecken der Sozialen Medien festgestellt wurde, geht es mit Der Mannschaft bergab, seit sie im Bundestag sitzt. Da eine direkte Einwirkungsweise auf die Spielverläufe zwingend über die Instanz Rußland laufen müßte (womit wir wieder auf Position A wären), kommt hier ein subliminaler, nun ja, Matriotismus unsrer Jungs in Frage: sie haben sich, womöglich tapfer-bewußt, womöglich sensu Sigmud Freud, also unbewußt, geweigert, für ein Land zu kämpfen und zu gewinnen, in dem diese Schwefligen im Parlament vertreten sind. Dann ist das nicht mehr ihr Land!

C. Trump. Der wahrscheinlichste Kandidat. Der amerikanische Präsident hat im vorigen Jahr ein Naturgesetz in Kraft gesetzt (unter Umgehung des Kongresses! - also eigentlich einen präsidialen Erlaß), das dafür sorgt, daß Mannschaften, die vor Spieleröffnung aus Überzeugung oder Protest Allotria während des Abspielens der Nationalhymne treiben (etwa, indem sie dabei niederknien), im Wettbewerb ganz unten enden - wie bei den letztjährigen Meisterschaften der National Football League. Diese Hypothese läßt sich in unserem Fall empirisch testen: Spiel 1 und 3 der Schlandschaft zeigten keinen flächendeckenden Kehleneinsatz und gingen verloren; Spiel 2 zeigte das Gegenteil.

D. Die Götter. Seit den Tagen der alten Griechen ist ihr Eingreifen in die Wechselfälle des Irdischen verbürgt; von ebenjenen Zeugen, die den Sport erfanden, als Abbild und Sublimierung des Kriegs, der Streits und der ironischen Wechselfälle des Lebens. Es würde dem sardonischen Humor von Zeus & Co. entsprechen, das 7:1 des Mineiraço von Belo Horizonte durch das 2:0 in der Vorrunde gegen ein Team aufzuwiegen, das die kosmische Harmonie und den steten Ausgleich in den Trigrammen der Nationalflagge trägt. Auch die Symmetrie der Spielergebnis spricht für diese Interpretation: das 0:1 des Alpha führt numerischer Progression zum 0:2 des Omega; der symmetrisch gesetzte Einzeltreffer von Kroos in der buchstäblich letzten Sekunde gegen die Schweden wäre der höhnische Trost, den die Olympischen denen, die sie aus ihrer Gunst entlassen, verstatten.

E. Der wahre Grund: Sport ist nicht zuletzt ein Geschehen von hohem Symbolgehalt. Gerade auch die Koppelung mit dem Nationalen (ein weiterer Bericht von riskanter Aufgeladenheit in diesem Belang) potenziert das Risiko. Ein unbedachter Fehlgriff, ein falsches Maskottchen, ein Kotau vor dem falschen Potentaten ist geeignet, die good vibrations fatal zu stören. Einfach gesagt: mit dem Zeichen des Versagens auf dem Trikot konnte das nichts werden.


F. Es könnte natürlich auch sein, daß Jogis Jungs einfach nur grottenschlecht Fußball gespielt haben.


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U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.