16. Oktober 2014

Das Expertenunwesen. Ein kurzer Gedankensplitter zu Mogelpackungen und Sprachpanscherei.


Wenn ich ab und an Zeitung lese, dann fällt mir eine Sache auf, die mich zunehmend ärgert: Die Welt besteht zunehmend, zumindest nach Meinung der deutschen Medien, aus Experten. Und was für Experten.
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Beispielsweise hier. Dort ist die Rede von einem der „profiliertesten Energieexperten seiner Partei“. Der Name des Mannes ist Josef Göppel. Der Mann ist also Energieexperte. Was muss so ein Energieexperte denn so können fragt man sich da. Nun, er könnte beispielsweise Elektroingenieur sein. Am besten vielleicht promoviert. Ist er aber nicht. Beides nicht. Vielleicht Energieanlagenelektroniker ? Auch nicht. Vielleicht auch nur Elektriker ? Nein. Naja gut, vielleicht hat er ja lange Jahre im Energiebereich als Quereinsteiger gearbeitet, vielleicht als Kaufmann, Projektleiter oder Controller? Auch das leider nicht. Nein, der gute Mann ist Förster. Darin hat er 21 Jahre Erfahrung. Der einzige Grund warum der Mann Energieexperte genannt wird, sind seine Aussagen (die einem teilweise die Schuhe ausziehen) zu energiepolitischen Themen. Aber woher seine Expertise denn stammen soll, lässt sich so nicht ergründen.
Anderes Beispiel: Hier ein Interview mit dem Verteidigungsexperten der Grünen Tobias Lindner. Der Mann kennt sich also mit Verteidigung aus, manchmal nennt man ihn denn auch Wehrexperte. Also jemand der sich mit internationalen Konflikten, Waffensystemen, Militär und derlei Dingen auskennt. Vielleicht ein Naturwissenschaftler, der sich mit lange Jahre mit Waffensystemen beschäftigt hat? Oder ein vielleicht sogar promovierter Militärhistoriker? Ein Diplomat vielleicht? Oder gar ein ehemaliger Berufssoldat? Nichts von alledem. Der Mann ist Wirtschaftstheoretiker und hat in seinem Leben nie etwas außerhalb von Bundestag und Uni gesehen. Und natürlich hat er nie eine Waffe in der Hand gehabt und hat brav seinen Zivildienst geleistet. Das ist sicher beides nicht ehrenrührig, aber wieso wird jemand der bis auf kleine offizielle Besuche noch nie eine Kaserne von innen gesehen hat und militärisches Vorgehen allenfalls aus der Brücke von Arnheim kennt zu einem Experten geadelt? Seine ganze Expertise besteht darin, dass er seit kurzem(!) dem Verteidigungsausschuss des deutschen Bundestages angehört.
Mehr Beispiele? Der SPD Haushaltsexperte Volkmar Halbleib ist seines Zeichens Jurist, hat aber auch schon als Redakteur und Verwaltungsbeamter gewirkt. Der Energieexperte der Grünen Oliver Krischer ist widerum Biologe. Und so weiter und so fort. Mehr Experten habe ich jetzt keine Lust zu suchen, aber versuchen Sie es ruhig selber, lieber Leser, Sie werden sehen, Sie sind davon umgeben!
Wenn man wirklich mal nachschlägt, dann kommt auf einen echten Experten in einem Gebiet (die gibt es schon) locker die fünffache Menge von selbsternannten Experten. Und die Presse nimmt das ohne jeden Kommentar oder jede Kritik so hin. Es spricht sicher nichts dagegen, dass sich Politiker auch gerne mit einem besonderen Thema beschäftigen. Da hat man gerne auch mal von Beauftragten gesprochen (so war Sigmar Gabriel bekanntermaßen eine ganze Weile der Pop-Beauftragte seiner Partei). Aber beauftragt kann man zu vielem sein, das macht einen nicht zu einem Experten. Was mich am meisten stört ist die dahinterliegende Arroganz gegenüber denjenigen, die wirklich etwas vom Thema verstehen. So musste sich Professor Kirchhof von einem früheren Deutschlehrer als „der Professor aus Heidelberg“ bezeichnen lassen, mit der klaren Intonation das er ja keine Ahnung vom Thema habe. Schließlich war der Deutschlehrer ja ein Finanzexperte seiner Partei. Hatte nur leider letzten Endes wenig Ahnung von seinem Thema und das war dann auch die Wirkung, die er erzielte.
Jetzt geht es mir gar nicht mal in erster Linie darum mich an Politikern abzuarbeiten. Es geht eher darum, dass man in der deutschen Öffentlichkeit und gerade in den Medien überhaupt nicht mehr ernsthaft über Qualifikation redet. Man wird nicht zu einem Experten, weil man beauftragt wird sich um ein Thema zu kümmern. Und ein mehrjähriges Studium kann nicht substituiert werden, in dem man seinen Staatssekretär um seine Meinung bittet. Und ein Mann von Greenpeace mit abgebrochenem Soziologiestudium wird nicht zum Atomexperten, weil er AKWs für eine Erfindung des Teufels hält. Ein Experte benötigt Expertise und die kommt nicht über Nacht oder davon, dass man zu einem Thema sehr viel Meinung hat.
Als Guttenberg (zurecht) aus Amt und Würden gejagt wurde, weil er sich einen Titel erschlichen hatte, war die Meute breit und hungrig. Er hatte sich etwas angeeignet, das ihm nicht zustand. Aber was machen denn diese „Experten“ anderes? Sie geben sich einen Titel, den sie nicht verdienen. Nur das dieser nicht geschützt ist. Eine Mogelpackung bleibt es trotzdem. 

Also wenn Sie das nächste Mal von einem Experten lesen, lieber Leser, dann gehen Sie beruhigt davon aus, dass der Mann oder die Frau im Zweifelsfall keine Ahnung davon hat.

Llarian


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