14. Oktober 2014

Vertraulichkeit und Journalisten. Eine kleine Anmerkung zu den „Kohl Protokollen“ und der Jämmerlichkeit deutscher Verlage.

Helmut Kohl hat es in diesen Tagen nicht leicht. Sein selbst empfundenes Lebenswerk, die europäische Einigung, holpert sich die Straße lang, die von ihm wenig verehrte Kanzlerin schickt sich an seine eigene „ewige Kanzlerschaft“ zumindest zeitlich in den Schatten zu stellen und obendrein muss er sich mit einem wenig schmeichelhaften Buch herumschlagen, dass nie hätte erscheinen sollen. Die ersteren beiden Dinge sind eher unvermeidlich, letzteres dagegen ist eher ein Ausweis der Jämmerlichkeit unseres Staates und nicht zuletzt auch unserer Gesellschaft, die dies nicht stärker ahndet.


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Doch der Reihe nach: Heribert Schwan, ein doch eher linker Journalist, wurde im Jahr 2001 von Helmut Kohl als Auftragsschreiber für seine Memoiren engagiert. Im Zuge dieses Verhältnisses entstanden wohl um die 600 Stunden an Tonbandaufnahmen, die dann in drei Bänden von Kohls Memoiren („Erinnerungen“) Niederschlag fanden. Die Bücher erschienen dann selbstredend unter dem Autorennamen Helmut Kohl, es war eben eine Auftragsarbeit. Als Maike Kohl-Richter in Kohls Leben mehr und mehr Platz einnahm, kam es schließlich zum Bruch und der letzte anstehende Band wurde nicht mehr verfasst.
Nun könnte die Geschichte hier ein Ende finden, aber Heribert Schwan möchte ja auch ganz gerne etwas mehr Geld verdienen und kam dann auf die Idee den Inhalt der Tonaufnahmen für eigene Bücher zu verwenden. Das wiederum gefiel Herrn Kohl so nun gar nicht, deshalb erwirkte er einen Gerichtsbeschluss, die Tonbänder zurückzuerhalten. Dies geschah dann auch. Nur wäre Herr Schwan nicht Herr Schwan, wenn er nicht vorher -hach, was bin ich schlau- schriftliche Kopien von dem Material gemacht hätte und dieses dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen hätte. Und natürlich hat er diese Kopien nicht als Selbstzweck gefertigt sondern um jetzt ein „Enthüllungsbuch“ über den Kanzler schreiben zu können,  in dem er haufenweise aus diesen Tonbändern zitiert.
Im Wesentlichen bietet dieses Buch wohl vor allem eines: Jede Menge nicht autorisierte Zitate eines Mannes, der nicht einmal drei Jahre zuvor einen extremen öffentlichen Absturz erlebt hatte und nicht einmal ein Jahr zuvor seine Frau durch Suizid verloren hatte. Das sich entsprechend emotionale wie unfaire Zitate auf den Tonbändern finden ist naheliegend und nicht wirklich überraschend. Es gibt auch wenig Einblick in die historische Figur Helmut Kohl, wie ja gerne von Schwan und Konsorten verbreitet, denn ein Mensch der aus Zorn und Schmerz heraus seinem Ärger Luft macht, zeigt eigentlich nur, dass er eben Zorn und Schmerz verspürt, den er nicht anders kanalisieren kann. Was aber wichtiger ist: Es war in dieser Form nie für die Öffentlichkeit bestimmt. Wäre es für eben jene bestimmt gewesen, so hätten sich derlei Zitate bereits in den ersten drei Bänden der Memoiren gefunden. Das haben sie aber nicht, weil Kohl – naheliegenderweise – solche Zitate vor Veröffentlichung nicht freigab. Wenn ein Mensch starke Emotionen erlebt, dann sagt sich manches schnell in einem Gespräch dahin, was man gerade später so nicht stehen lassen will.
Ich denke dieses ganze Machwerk ist am Ende nichts weiter als ein massiver Bruch eines Vertrauensverhältnisses, das sich eigentlich aus einem Geschäft ergeben hat. Kohl durfte damit rechnen, dass sein gesprochenes Wort als solches erst einmal vertraulich behandelt würde, das Gericht hat diese Sicht der Dinge ebenso bejaht. Die Vertraulichkeit von mündlichen Gesprächen ist ein Wert, der nun massiv geschleift wird. Und er wird geschliffen weil das Opfer Helmut Kohl heißt. Die selben Leute, die sich jetzt gar nicht satt zitieren können (schönen Gruss von der Konfettikanone der Demokratie) würden einen unglaublichen Aufstand machen, wenn beispielsweise die Privatssphäre von Willy Brandt oder Helmut Schmidt geschliffen würde.
Und der Korken geht auch leider nicht wieder auf die Flasche. Das Buch ist geschrieben und selbst wenn es eingezogen werden sollte, hat der Spargel bereits seine Freude gehabt und alleine durch den Streisand-Effekt ist das Buch einfach öffentlich. Ich denke man täte gut daran es schlicht zu ignorieren. Wenn man selber Wert darauf legt, dass nicht alles was man in Wut und Rage so von sich gibt oder denkt an die Öffentlichkeit gelangt, sollte man auch Helmut Kohl das Recht einräumen in seinen eigenen vier Wänden nicht belauscht zu werden. 
Ich kann nur hoffen, dass sich solcherlei Brüche wenigstens insofern rumsprechen, dass der eine oder andere Prominente vielleicht in Zukunft einen Bogen um den Heyne Verlag macht, der den ganzen Budenzauber veranstaltet und das in ebendieser Zukunft ein paar Leute wissen, wie Journalisten vom Schlage Heribert Schwan mit privaten Gesprächen umgehen.
 
Llarian


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