"Gerechtigkeit walte, und wenn die Welt darüber unterginge" lautet ein alter Spruch. Die Welt ist ein hoher Preis für die Gerechtigkeit, und in einer Welt, die nicht an große Worte glaubt, würde ihn wohl nimand mehr bezahlen wollen. Das heißt, für etwas weniger als die ganze Welt würden wir uns die Gerechtigkeit schon abkaufen lassen. Die Frage ist nur, wie hoch der Preis dafür sein sollte.
Zwei Nachrichten machen diese Frage gerade aktuell.
Da ist einmal das Strafverfahren gegen den Altbundespräsidenten Wulff. Die Staatsanwaltschaft in Hannover hat ihm angeboten, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 20000 Euro einzustellen. (Siehe etwa die FAZ vom 18.3.)
Und soeben hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass "Deals" in Strafverfahren rechtens sind, bei denen Beschuldigten für ein Geständnis Strafmilderung in Aussicht gestellt wird. Allerdings müssen sich die Gerichte besser an die gesetzlichen Bestimmungen halten, wie die FAZ heute berichtet.
Im Fall Wulff geht es darum, sich das öffentliche Interesse an einem Strafprozess vom Beschuldigten abkaufen zu lassen. Wieviel ist das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wert im Verhältnis zu anderen öffentlichen Interessen, wie etwa der Auffüllung der klammen Staatskasse oder wohltätigen Zwecken? Wie käuflich darf die Justiz sein? Das wäre die Frage im Fall Wulff.
Bei den Deals geht es darum, Strafverfahren abzukürzen, wofür man dem Beschuldigten eine Gegenleistung anbietet. Wie käuflich dürfen Beschuldigte sein? Das wäre die Frage bei den Deals.
An der Einstellung von Verfahren gegen eine Geldauflage sehe ich wenig Problematisches. Für diese Angebote gibt es keine gesetzliche Regelung, die Staatsanwaltschaften machen das nach Gutdünken. Ich finde das gut. Was sollte denn besser werden, wenn sie eine Zwangsjacke dabei tragen müssten?
Bei der "Verständigung im Strafverfahren", wie die Deals juristisch heißen, scheint mir die Gefahr für die Gerechtigkeit hauptsächlich darin zu bestehen, daß es zu falschen Geständnissen kommen kann. Ein Beschuldigter, der sich auf den Deal einläßt, vermeidet das Risiko eines Urteils, das nicht auf Fakten, sondern auf richterlicher Überzeugung fußt. Eine kleine Verurteilung aufgrund eines Geständnisses ist vielleicht besser als ein hartes Fehlurteil aufgrund von Meinungen.
Man sollte eigentlich nur Skeptiker zu Richtern machen. Ein Einstellungstest, der die Neigung zur Überzeugtheit testet, wäre sicher eine gute Idee. Damit würde für den Angeklagten das Prozessrisiko überschaubar, und die Deals wären dann genauso unproblematisch wie die Einstellung unter Geldauflage.
© Kallias. Für Kommentare bitte hier klicken.