Frankreich ist ein in seinem Kern konservatives Land.
Die von einem nicht vernachlässigenswerten Teil der Bevölkerung getragenen Proteste gegen die geplante
Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner mag diesen Befund stützen.
Immerhin
haben die Gegner des Gesetzesvorhabens schon zwei Großdemonstrationen
unter dem anspielungsreichen Titel Manif pour tous
(„Demo für alle“) organisiert, an denen nach Angaben der Polizei jeweils circa 350.000 bis 400.000 beziehungsweise
300.000 Bürger teilnahmen, während die Schätzungen der Veranstalter diese Zahl
um ein Vielfaches überschreiten. Für die am Sonntag abgehaltene zweite
Versammlung war aus Organisatorenkreisen sogar von 1,4 Millionen
Protestierenden die Rede.
Wie dem auch sei: Manche Franzosen veranlasst wohl weniger eine eherne ideologische Ablehnung der „Ehe für alle“ (mariage pour tous) zum Schritt auf den Boulevard, sondern vielmehr das Gefühl, ihr Land habe momentan dringlichere, namentlich: schwerwiegende ökonomische Probleme. So waren auf der Kundgebung am Palmsonntag Banderolen und Plakate mit Aufschriften wie
On veut du boulot, pas du mariage homo
Occupe-toi d’Aulnay, pas du mariage homo
zu lesen, also :
Wir wollen Arbeit und nicht die Homo-Ehe
(boulot
ist ein in der Umgangssprache häufig verwendetes Synonym für travail „Arbeit“)
sowie
Kümmere dich um Aulnay und nicht um die Homo-Ehe
(Aulnay
ist der nahe Paris gelegene Standort eines von Schließung bedrohten Werks des
Automobilherstellers PSA Peugeot Citroën).
Von François Hollande, dem Adressaten dieses Duz-Imperativs, fordern die Demonstranten eine Volksabstimmung über den umstrittenen Gesetzesentwurf. Dass der Präsident der Republik auf diese plebiszitären Begehrlichkeiten eingeht, ist eher unwahrscheinlich. Denn seine Beliebtheitswerte bewegen sich, wie es Le Monde so schön formuliert, „auf Halbmast“ (en berne): Mit nur 30 Prozent Zustimmung seitens der Befragten erreicht der sozialistische Politiker einen neuen Negativrekord für ein erst seit zehn Monaten im Amt befindliches Staatsoberhaupt. Einen uneingeschränkten Erfolg hat der Bewohner des Élysée-Palastes also bitter nötig, zumal sein klassenkämpferisches Vorzeigeprojekt, die „Reichensteuer“, wohl nur in verdünnter Form mit der Verfassung vereinbar sein wird.
Vor diesem Hintergrund richten die Gegner der Homo-Ehe ihr Augenmerk auf die Abstimmung im Senat, der zweiten Kammer des französischen Parlaments, die ab dem 4. April über das Gesetzesprojekt beraten wird. Die (wohl unrealistischen) Hoffnungen der sogenannten "Antis" klammern sich insbesondere an den Umstand, dass in der Nationalversammlung auch einige wenige Abgeordnete des Groupe socialiste, républicain et citoyen, der von linken Parteien inklusive der Sozialisten gebildeten Fraktion, gegen das Vorhaben votiert oder sich der Stimme enthalten haben.
Ob in Frankreich nun die Homo-Ehe eingeführt wird oder nicht: Das richtige Getränk für Hochzeitsfeiern und Hochzeitstage müssen zumindest die Leser der von Le Monde gehosteten Blogs nicht lange suchen.
Noricus
© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.