1. Mai 2022

Das Ministerium für Wahrheit

Als Elon Musk vor nur wenigen Wochen verkünden musste, dass er nicht ganz 10% an Twitter erworben hatte, war das noch eine vergleichsweise unbedeutende Randmeldung. Eine eher belustigende, aber doch eher nur eine Randnotiz. Musk ist ja nicht gerade unbekannt für große PR und fordert auch schon mal amtierende, lupenreine Präsidenten zu einem persönlichen Duell über territoriale Konflikte (vulgo Kriege) heraus. Wer hätte ahnen können welch gigantischer Stich ins Wespennest sich aus einem vergleichsweise harmlosen PR-Stunt entwickeln würde.

War für die vereinte, amerikanische Linke schon die Aussicht auf einen nicht konformen Kandidaten im Verwaltungsrat von Twitter ein Riesenproblem, so verlor sie völlig und endgültig die Fassung als Musk noch einen drauf setze und es nicht bei dem Verwaltungsposten belassen wollte sondern öffentlich verkündete die ganze Firma erwerben zu wollen. Was erlaube Musk? Jahrelang hatte man süffisant dem politischen Gegner entgegen gehalten, wenn er sich auf Twitter diskriminiert fühle, er doch seinen eigenen Twitter gründen könne, es herrsche doch der Kapitalismus. Und dann kommt so ein fieser Kapitalist und nimmt einen beim Wort? Das ging nun gar nicht. Die Wagenburg wurde in Blitzgeschwindigkeit zusammen getrommelt und seitdem dreht die Linke, wie der erfolgreichste deutsche Blogger gelegentlich schreibt, endgültig hohl. In Ermangelung auch nur irgendeines konsistenten Arguments wurden Musk sofort die üblichen linken Verbalinjurien an die Backe genäht, vom Rassisten über den Faschisten zum Nazi, zum "white supremacist". Das diese "Argumente" oftmals heillos unfreiwillig komisch sind, wie wenn beispielsweise die Washington Post, in fester Hand von Jeff Bezos, dagegen trommelt, dass einzelne Milliardäre keinen Einfluß auf die politische Meinungsbildung haben dürften, fällt dem linken Furor dabei nicht einmal mehr auf. Zu böse war die Verletzung, zu groß die Angst was nun kommen könne. 

Und es kam, wie es nicht nur kommen konnte, es kam, wie es eigentlich kommen musste. Die amerikanische Regierung, die derzeit von den Linken gestellt wird (die aus historischen Gründen tatsächlich noch Demokraten heißen), hat ein Wahrheitsministerium gegründet. Es nennt sich "Disinformation Governance Board" und soll eine Abteilung der Heimatschutzministeriums werden, mit dem Ziel "Misinformation" im Sinne der Regierung zu bekämpfen. Das ist sowohl ulkig, schockierend, beängstigend, lächerlich, demaskierend und noch etliche Dinge mehr auf einmal. Und es zeigt vor allem die Verzweifelung linker, bzw. autoritärer Kreise, das ihnen das Narrativ entgleiten könnte, dass sie nun seit Jahrzehnten erfolgreich pflegen. Es entspricht im Bild genau dem oben beschriebenen hohl drehen, wenn in völliger Kopflosigkeit nicht mehr subtil sondern mit der Brechstange versucht wird Politik zu treiben und es zeigt ebenso die Panik bestimmter politischer Gruppen, das sie den Kulturkrieg, den es nach ihren eigenen Angaben ja nicht geben soll, vielleicht dann doch nicht so eindeutig gewinnen, wie sie das gewohnt sind. Doch der Reihe nach.

Zunächst mal muss man etwas anerkennen. Ehre wem Ehre gebührt. Bis noch vor wenigen Jahren habe ich Jules Vernes für den bestern Propheten der letzten paar hundert Jahre gehalten, kaum jemand hat so erstaunliche Aussagen über die Zukunft getroffen und dabei gar nicht so schlecht gelegen. Aber der Neid muss anerkennen, dass George Orwell, auch wenn er natürlich etwas jüngeren Baudatums ist als Vernes, um einiges präziser gelegen hat. Das "Ministerium für Wahrheit" entspricht nahezu 1:1 dem, was die amerikanische Regierung (und die EU nebenbei auch) vorhat. Ein Ministerium das im Namen der Regierung und für diese Wahrheiten festlegt und dafür Sorge trägt das diese und nur diese Wahrheit bei den Leuten ankommt und jeder bestraft wird, der diese Wahrheit nicht anerkennt. Diese Figur ist den meisten, selbst wenn sie "1984" nicht gelesen haben, in der einen oder anderen Form bekannt. Nicht jedem ist aber auch die zweite Nuance vertraut, nämlich das die Hauptaufgabe der Ministerien in 1984 genau dem Gegenteil entsprechen, als ihre Namen suggerieren. So beschäftigt sich in der Dystopie das Friedensministerium mit Krieg, das Ministerium der Fülle mit Rationierung, das Ministerium für Liebe mit Unterdrückung und das Ministerium für Wahrheit eben mit dem Lügen. Und da in heutigen Zeiten die Realität oftmals selbst nicht mehr parodiert werden kann, hat sich die amerikanische Regierung als Vorsitzende für das neue Wahrheitsministerium ausgerechnet jemanden gesucht, der die letzten Jahre damit verbracht hat Propaganda zu verbreiten. Kann man nicht erfinden. 
  
Als zweites sollte man anmerken, dass der Zeitpunkt für die Gründung des Ministeriums für Wahrheit in sich schon großen Unterhaltungswert bietet, fällt er doch zufälligerweise damit zusammen, dass Elon Musk Twitter gekauft hat (oder zumindest sehr nahe dran ist) und damit gedroht hat, dass dort keine Zensur mehr stattfinden soll. Jahrelang hat uns nicht nur die amerikanische Linke erklärt, dass es Zensur ja gar nicht gäbe, dass man nur Hassrede einschränken müsse, dass Meinungsfreiheit ja unabhängig von BigTech gäbe und die ohnehin machen könnten, was sie wollen. Just in dem Moment wo einer der großen Netzkonzerne droht damit aus dem Zensurkartell auszusteigen, genau in diesem Moment findet es die amerikanische Regierung wichtig ein Wahrheitsministerium zu gründen. Womit sie ja den Vorwurf, dass BigTech bis jetzt genau diese Funktion eingenommen hat, ausgesprochen glaubwürdig belegen. Es ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht für Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon, die bis dato immer behauptet(!) haben neutral zu sein und keine Zensur auszuüben. Die amerikanische Regierung war und ist offenkundig anderer Meinung.

Als drittes sei gesagt, dass bei der Linken offenkundig die Nerven ausgesprochen blank liegen, wenn sie zu derartigen Brechstangen greifen muss und will, denn auch dem einen oder anderen im weißen Haus wird mitunter bewusst sein, dass die Parallelen zu 1984 oder auch zur Reichsschriftenkammer nicht unbedingt fern liegen, bzw. sich eigentlich aufdrängen. In der Vergangenheit hat die Linke versucht solche Dinge eher subtil und im Nebel durchzusetzen, wie eben mit der Hilfe von BigTech in kleinen Hinterzimmern, damit solche Vorwürfe zumindest öffentlich dementiert werden können. Diesmal hat man sich trotzdem dazu entschlossen und ist durchaus bereit sich den einen oder anderen Vorwurf einzustecken, nur um irgendwie der Gegenseite in Zukunft etwas am Zeug flicken zu können. Die Panik ist verständlich, wenn man sich die Situation in den USA ansieht. Der Demente im weißen Haus, bzw. diejenigen, die für ihn die Entscheidungen treffen, haben die mitunter schlechteste Bilanz einer amerikanischen Regierung seit dem Bestehen der USA selbst zu vertreten. Nahezu alle Indikatoren von Wirtschaft, Bildung, Verbrechen und Entwicklung zeigen deutlich in die falsche Richtung, die Regierung Biden hat nicht einen Erfolg vorzuweisen, aber mehr Desaster angehäuft als so ziemlich alle Präsidenten der jüngeren Vergangenheit, selbst wenn diese acht Jahre regiert haben. Entsprechend sind die Ergebnisse bei Umfragen, viele "demokratische" Abgeordnete ziehen es vor gar nicht mehr zu den Zwischenwahlen anzutreten, weil sie lieber als ungeschlagene Sieger vom Board gehen als als abgewählte Versager. Und als ob die Situation nicht schon verheerend genug wäre, besteht nun real die Gefahr, dass die ganzen Desaster auch noch von beiden Seiten diskutiert werden können, da ist es nur verständlich sich verzweifelt nach einer Methode zu drängen, die einem die Möglichkeit verschafft ein Narrativ zu etablieren, ohne dass diesem widersprochen werden kann. Oder zusammen gefasst: Die Linke konnte sich bis dato nur deshalb irgendwo über Wasser halten, weil die breite Mehrheit der Medien für sie feuern und gleichzeitig BigTech Gegenrede massiv zensiert hat. Auf einem "ebenen Spielfeld" geht die Linke mit ihrer Bilanz derzeit mit fliegenden Fahnen unter. 

Und auch wenn ich nicht daran glaube, dass ein solches Ministerium in nächster Zukunft dazu kommen wird, effektive Zensur einzuführen (was eher an der Potenz als am Willen liegen wird), so wird natürlich hier ein weiterer, extrem übler Präzedenzfall geschaffen. Eigentlich müsste es jeder Regierung hochnotpeinlich sein, wenn auch nur ein Außenseiter der eigenen Seite einen solchen Vorschlag öffentlich macht. Das ein solcher Vorschlag dagegen in vollen Willen der Regierung kommt, zeigt eigentlich die Schamlosigkeit und Verkommenheit, die in der Politik, in diesem Fall der amerikanischen, angekommen ist. Oder eben kurz: Es ist ihnen nicht einmal mehr peinlich. Jetzt kann man sich darüber lustig machen, aber es zeigt eben eine gewaltige Erosion an politischem Anstand und Respekt vor dem Rechtsstaat, eine Erosion, die in Europa noch deutlich fortgeschrittener ist, wie nicht zuletzt der öffentliche Umgang mit Corona und den Kritikern staatlicher Maßnahmen aufgezeigt hat.  

Wo das ganze hinführt ist am Ende -wie immer- schwer zu sagen. Elon Musk, so sehr ich sein Engagement derzeit schätze, wird nicht die Erosion des Rechtsstaates aufhalten, indem er auf (demnächst) seiner Plattform freie Rede gestattet. Twitter mag mächtig sein, ist aber nichts im Vergleich zu den autoritären Bestrebungen, die inzwischen die amerikanische Linke fest in ihrer Hand haben. Die spannende Frage, die sich für mich stellt ist, ob diese autoritäre Welle ausschließlich von links kommt oder ob sie so weit in der amerikanischen Gesellschaft eingesickert ist, dass selbst der nächste Präsident, sei es Trump oder DeSantis, etwas dagegen tun können wird. Die nächsten zwei Jahre werden die USA von einer schlappen Mumie regiert werden (oder das Schicksal hat ein Einsehen und er wird durch eine kaum weniger schlappe Sprechpuppe mit gackerndem Lachen ersetzt). Viel entscheidender wird sein, wer in zwei Jahren Präsident wird und ob er in der Lage sein wird, sich dem entgegen zu stellen. Ich glaube das wird eine ganz essentielle Fragestellung für die Zukunft von Rechtsstaaten insgesamt werden.

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Llarian

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