8. Oktober 2018

Und ewig grüßt die Apokalypse

­Vor knapp drei Jahren, im Dezember 2015, war es eine zukünftige Erderwärmung von zwei Grad Celsius, die deutlich unterschritten werden musste, um einen Übergang in eine "Heisszeit" - was immer das bedeutet - sicher zu verhindern.

Heute veröffentlichte das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) in einem Sonderbericht die Kunde, dass eine Begrenzung der zukünftigen Erderwärmung auf lediglich 1,5 Grad Celsius immer noch möglich ist. Zumindest dann, wenn man zu "beispiellosen Veränderungen" in unserer Gesellschaft bereit ist. Wer es ein bisschen weniger sachlich möchte als in der "Süddeutschen", kann das Ganze auch im Qualitätsmedium "Die Zeit", unter der Rubrik "Wissen", nachlesen: Es weht ein Hauch biblischer Apokalypse durch die Neuzeit, die sich der sündige Mensch - mal wieder - selbst einbrockt. So weit also nichts Neues, außer vielleicht, dass es heuer die ehemals progressiven, linken Kräfte der jungen Bundesrepublik sind, welche den christlichen "Schuld und Sühne" Gedanken für sich entdeckt haben und nicht die ewig gestrigen, verstaubten und naiv bibeltreuen.

Das IPCC also weiß, wie man die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius beschränkt. Eben jenes IPCC, welches wahrheitsgemäß zu den Methoden der Klimawissenschaft in seinem dritten Sachstandsbericht von 2001 noch festhielt (Seite 774, Ende Absatz 14.2.2.2):

"In climate research and modelling, we should recognise that we are dealing with a coupled non-linear chaotic system, and therefore that the long-term prediction of future climate states is not possible. The most we can expect to achieve is the prediction of the probability distribution of the system’s future possible states by the generation of ensembles of model solutions. This reduces climate change to the discernment of significant differences in the statistics of such ensembles."

"Betreffend Klimawissenschaft und Modellierung sollte man berücksichtigen, dass es sich um ein nicht-lineares, gekoppeltes, chaotisches Gleichungssystem handelt. Aus diesem Grund ist eine langfristige Vorhersage über die Zustände des zukünftigen Klimas unmöglich. Im besten Falle kann man erwarten, eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für mögliche zukünftige Klimazustände der Erde zu erhalten, in dem man verschiedene Datensätze der Modelllösungen generiert. Dieser Umstand reduziert die mögliche Erkenntnis über “Klimawandel” auf signifikante Unterschiede innerhalb der Statistik dieser Datensätze."

Im besten Falle – sprich, wenn man viel mehr über die Zusammenhänge der klimatischen Entwicklungen auf der Erde weiß, als man heute tut –, kann man also etwas über statistische Abweichungen von Datensätzen aus Modellsimulationen untereinander aussagen. Diese (richtige) Feststellung stammt vom IPCC, der gleichen Organisation, welche nun die zukünftige Erderwärmung gegenüber heute auf 1.5 Grad genau, mit den notwendigen Bedingungen benennen kann.

Sie wundern sich? Ich auch.

Auch wundere ich mich, wie selbstverständlich von "beispiellosen, gesellschaftlichen Eingriffen" gesprochen wird. Was macht man denn mit den Individuen, die diese Eingriffe nicht wollen? Eine Beschulung der besonderen Art? Könnte das Vorgehen der Weltenretter im Hambacher Forst ein Hinweis darauf sein, wie eine solche auszusehen hätte?

Übrigens: Eine politische Partei, welche sich derzeit großer Beliebtheit in der Bundesrepublik erfreut, bei bundesweiten Umfragen über 15% liegt, sich selbst als liberale, rechtsstaatliche, demokratische Kraft versteht und in einigen Landesregierungen der FDP als Koalitionspartner dient, hat anscheinend kein allzu großes Problem mit mangelnder Abgrenzung zu solcher Art von Gewalt. Es ist ja für einen guten Zweck und unbegründete Ängste haben nur die anderen.

Die anderen, das sind gerne diejenigen, gegen die man das verteidigt, worauf man selbst keinen allzugroßen Wert legt.

nachdenken_schmerzt_nicht

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