15. Oktober 2018

It’s Upper Bavaria, stupid – Zu regionalen Besonderheiten im bayerischen Wahlverhalten

Das vorläufige Endergebnis der Wahl des Bayerischen Landtages gestaltet sich wie folgt (Angaben in Prozent):

CSU 37,2
Grüne 17,5
FW 11,6
AfD 10,2
SPD 9,7
FDP 5,1

Viele kluge Köpfe haben sich in Analysen dieses Resultats geübt. Der Verfasser dieser Zeilen möchte zum besseren Verständnis des Urnenganges im Freistaat auch sein intellektuelles Scherflein beitragen und dabei auf bestimmte regionale Besonderheiten im Abstimmungsverhalten näher eingehen. Schauen wir uns also zunächst an, wie die in den Landtag einziehenden Parteien in den einzelnen Regierungsbezirken abgeschnitten haben (alle Angaben in Prozent):
­
Partei
CSU
33,9
38,1
39,8
38,2
40,0
37,7
41,4
Grüne
22,0
10,6
12,4
17,1
13,1
18,6
16,3
FW
10,4
17,8
14,1
13,6
9,2
8,6
9,2
AfD
8,5
13,4
12,3
11,3
11,2
9,5
9,8
SPD
9,6
6,3
9,6
7,7
13,6
11,9
10,1
FDP
6,4
4,7
3,6
4,7
4,2
4,1
4,8
Abb.: Wahlergebnisse in den Regierungsbezirken
Legende: schwarze Zahlen = über dem Gesamtfreistaatsergebnis; rote Zahlen = unter dem Gesamtfreistaatsergebnis

Für die Parteien ergeben sich daraus die folgenden Beobachtungen:

Die CSU liegt in allen Regierungsbezirken außer in Oberbayern über dem gesamtbayerischen Resultat.
Die Grünen übertreffen in den Regierungsbezirken mit den zwei großen bayerischen Ballungsräumen (Oberbayern: München; Mittelfranken: Nürnberg-Fürth-Erlangen) das Freistaatsergebnis, in allen anderen Landesteilen bleiben sie darunter.
Die Freien Wähler sind eine altbayerisch-schwäbische Veranstaltung, dies mit der prominenten Ausnahme Oberbayerns. In Franken scheint die CSU von der dortigen Schwäche ihrer konservativen Konkurrentin zu profitieren.
Die AfD erzielt in Oberbayern ihr schlechtestes Ergebnis im Freistaat und bleibt sonst nur noch in Mittel- und Unterfranken einstellig.
Die SPD wäre noch weiter abgestürzt, wenn sie nicht in allen drei fränkischen Regierungsbezirken zweistellig geworden wäre.
Die FDP überwindet nur in Oberbayern die Fünf-Prozent-Hürde.

Für die Regierungsbezirke ist folgendes Bild festzustellen:

In Oberbayern liegt keine einzige konservative Partei (CSU, FW, AfD) über dem gesamtbayerischen Ergebnis.
In Niederbayern, der Oberpfalz und Schwaben liegen alle konservativen Parteien über dem gesamtbayerischen Ergebnis.
In Franken erreichen die beiden Volksparteien („Volksparteien“?) bessere Resultate als in der Freistaatsgesamtheit.

Man kommt nicht umhin, die besondere Rolle Oberbayerns für die bei der gestern stattgehabten Landesparlamentswahl zu verzeichnenden Tendenzen zu betonen. Ohne die Stimmen im bevölkerungsreichsten und entsprechend mit Sitzen dotierten Regierungsbezirk wären die Grünen nicht so stark geworden und die FDP nicht in das Hohe Haus gekommen. Wenn Oberbayern nicht wäre, hätten die CSU und die AfD stärker abgeschnitten.

Doch der von den Alpen bis zum Altmühltal reichende Landesteil ist natürlich kein Monolith. Über das vergrünte München braucht man kein Wort zu verlieren. Wer ein bisschen freistaatliche Diversity erfahren möchte, vergleiche Münchner Dunstkreiswahlbezirke (etwa München-Land-Nord; München-Land-Süd; Fürstenfeldbruck-Ost), in denen die CSU zwar noch stärkste Kraft ist, ihr die Grünen aber schon zu Leibe rücken, mit den Zonenrandgebieten (Berchtesgadener Land; Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen; Eichstätt), in denen die CSU noch auf 40 + x Prozent kommt und die Öko-Partei an der 20-Prozent-Marke scheitert. Tendenziell scheint außer der Nähe zu München eine südliche und westliche Lage in Oberbayern ein gutes Ergebnis für die Grünen zu begünstigen, dies freilich mit Ausnahmen, wie zum Beispiel jener des eher nördlichen und östlichen und doch sehr grün beseelten Wahlkreises Freising, in dem der Widerstand gegen die dritte Startbahn am Flughafen München besonders heftig ist.

Die Bedeutung Frankens für das Wahlergebnis darf freilich auch nicht unterschätzt werden. Denn dort wurden sowohl der Höhenflug der Freien Wähler als auch der jähe Fall der SPD ein wenig gebremst, und in Ober- und Unterfranken steht ein Vierer am Beginn des CSU-Ergebnisses. Anders formuliert: Ohne das nordbayerische Beharrungspotenzial wären die Verwerfungen bei diesem Urnengang noch viel extremer ausgefallen. Das Erdbeben hatte sein Epizentrum im Süden.
 
Noricus

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