In der Diskussion um Putins außenpolitische Doktrin gab es ja immer wieder den Vergleich mit Hitler und dem sogenannten Nichtangriffspakt, der zur Aufteilung Polens und zur Annektierung der baltischen Republiken führte. Dieser Vergleich wurde in der öffentlichen Diskussion immer wieder zurückgewiesen, auch hier im Forum.
Nicht zuletzt wegen mangelnder Belege, was ja auch zutreffend war.
Nun gibt es einen Beleg.
Es fing an mit einer zurückgenommenen Behauptung des ehemaligen polnischen Außenministers Sikorski bezüglich eines Angebots Putins an den ehemaligen polnischen Regierungschefs Tusk, die Ukraine untereinander aufzuteilen.
Nun schreibt die NYT lt. t-online, dass Putin eben diesen Hitler-Stalin-Pakt verteidigt.
Ich denke es ist von Bedeutung, die Sicht Putins auf diesen Aufteilungspakt bei einer Beurteilung seiner Außenpolitik zu berücksichtigen.
Putin sichert in diesen Tagen seine neuen Annektierungen in der Südostukraine militärisch ab. Ohne den Druck des Westens wäre, m.E., die gesamte Schwarzmeerküste der Ukraine russisch besetzt und wir würden über Moldawien diskutieren.
Man sollte sich weniger Gedanken über die fehlenden Belege machen, die einer logischen und sachlichen Analyse die letzte Beweiskraft schuldig bleiben.
Sie werden geliefert - von Putin selbst.
Das war so mit den angeblich nicht existenten russischen Soldaten, die das Regionalparlament und Regierungsgebäude der Krim besetzten. Und es verhält sich ebenso mit den "verirrten" russischen Panzerbesatzungen in der Südostukraine, die Vertreter einer Besatzungsmacht sind, welche auf Expansion aus ist.
Ich will damit nicht Belege zu einem überflüssigen Beiwerk einer Analyse herabsetzen. Sie sind für seriöse Betrachtungen unerlässlich, sonst hat man es nur noch mit Verschwörungstheorien zu tun ...
Eine Analyse ist aber nicht wertlos, nur weil ihr der letzte Beleg fehlt. Sie ist eine Theorie, die aufzustellen nicht unterbleiben sollte, nur weil sie sich als fehlerhaft herausstellen könnte.
Damit meine ich weniger die Diskussion in Zettels kleinem Zimmer, als viel mehr das hilflose, fast schon dienende Appeasement unseres Außenministers und die jämmerliche Diskussion im ÖR über eine angebliche einseitige, russlandfeindliche Berichterstattung.
Die musste wohl ausgeglichen werden, in dem das ZDF das propagandistische, russische Machwerk "Krieg der Spione" in das Programm aufnahm und hoch und runter spielte.
Als meinungsbildendes Fundament für Putins eurasischen Imperialismus.
Das ist keine Ausgewogenheit der Berichterstattung, sondern Unterwerfung.
Zwischen einer Theorie, die auf Spekulation nicht verzichten kann, weil in ihr Erkenntnisse einfließen, die einer subjektiven Betrachtung entstammen und Propaganda liegen große Unterschiede.
Der wichtigste ist, dem Urheber der Theorie ist ihre mögliche Fehlerhaftigkeit durchaus bewusst. Er räumt sie ein und vertritt nicht den Anspruch einer "Wahrheit". Solch eine Theorie ist falsifizierbar und Grundlage einer gewünschten Kontroverse. Sie soll diskutiert werden.
Die Propaganda dagegen verfolgt die Vermittlung einer Wahrheit, die nicht infrage gestellt werden soll. Sie will überzeugen, sie will geglaubt werden.
Ausgewogenheit in der Berichterstattung wird nicht erzielt, indem einer, zugegeben spekulativen, Theorie Propaganda gegenübergestellt wird.
Sondern eine andere Theorie.
Ob im Krieg der Hamas gegen Israel oder im Krieg Russlands gegen die Ukraine:
Die Weitergabe von Propaganda ist keine Information, sondern einer Ideologie folgende Meinungsmanipulation.
Natürlich sind die Unterschiede fließend, aber es lohnt sich zu prüfen, wie ernst sich ein Beitrag selbst nimmt, wie stark er im Konjunktiv gehalten ist, wie sehr er den Anspruch "wahr" zu sein vertritt.
Erling Plaethe
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