Liest man
in Deutschland Zeitungen, schaut die eine oder andere mehr oder weniger
investigative Nachrichtensendung oder gar eine politische Talkshow, so muss man
unweigerlich zu dem Ergebnis kommen, dass nicht nur unsere Gesellschaft, nein,
die ganze Menschheit kurz vor dem Kollaps steht und das der Homo sapiens nach
einer kurzen Geschichte von knapp 6000 Jahren nun endlich von dem Antlitz
dieser Erde getilgt werden wird. (Gerade letzterer Gedanke scheint bei dem
einen oder anderen Umweltbewegten sogar eine nicht mal wirklich verhehlte
Wunschvorstellung zu sein.) Aber selbst wenn man nicht zu den selbsthassenden
Elementen der Gattung Mensch gehört, so wird man schnell angesteckt von diesem
permanenten Schlechtreden der Zukunft. Und es ist inzwischen auch wirklich
typisch deutsch in allen Entwicklungen gleich immer die Schlechteste aller
Folgen sehen zu wollen und dieser Autor kann sich, als Angehöriger eben dieses
Volksstammes, auch oftmals nicht davon frei machen. Und das obwohl bei tieferem
Nachdenken eigentlich meistens eines klar wird: Dass das alles ganz großer
Kappes ist.
Verschiedene
Gesellschaften dieses Planeten haben nun tatsächlich unbestreitbar Probleme,
die einen mehr, die anderen weniger. Die Deutschen zum Beispiel haben eine
ganze Reihe Probleme ausgemacht: Die „Klimaerwärmung“ (so man daran glaubt),
der Peak-Oil, die Schuldenkrise, die Überfremdung, die Verdummung der Jugend,
die Vergreisung der Gesellschaft, das mangelnde Wirtschaftswachstum, die
weltweiten Konflikte, die multiresistenten Keime, die aussterbenden Arten, der
Anstieg des Meeresspiegels, das Ozonloch, die zunehmende Radioaktivität in der
Atmosphäre, die Atomkraft generell, etc. etc. etc. etc.
Würde man
alle tatsächlichen oder empfundenen Probleme aufschreiben, könnte man damit
ganze Seiten füllen, würde man jeweils etwas Inhaltliches dazu schreiben, wäre
man schnell bei einem kleinen Lexikon. Nun ist es tatsächlich so, dass diese
Probleme teilweise nicht aus der Luft gegriffen sind. Umweltprobleme
existieren, Gesellschaften verändern sich zum Nachteil einiger Gruppen,
Rohstoffe können sich verknappen und Konflikte, auch kriegerische, können
entstehen. Aber ist, bei Licht betrachtet, auch nur ein einziges dabei, das die
Menschheit tatsächlich gefährdet? Um es kurz zu sagen, eigentlich eher nicht.
Es hat mal Situationen (sehr wenige) gegeben, wo dem anders war. Ein weltweiter
nuklearer Krieg hätte das Potential gehabt die Menschheit tatsächlich (mit dem
meisten irdischen Leben) in den Orkus zu befördern. Aber ab davon ist da nicht
viel. Wenn der Menschheit das Öl ausgeht, dann ist das zwar erst einmal
ärgerlich, aber kein Grund zur Verzweiflung, kommt es zur Havarie eines AKW ist
das lokal recht katastrophal, weltweit ist das nahezu bedeutungslos. Und die
deutsche Rentenkrise, so ärgerlich diese ist – und dieser Autor ärgert sich
sehr darüber – hat kein Potential für weltweite Menschheitsprobleme. Selbst die
vielgefürchtete, scheußliche, grausame, verheerende, vernichtende und alles
beherrschende Klimaerwärmung (!) hat bei Licht betrachtet nicht das Potential
die Menschheit ernsthaft in ihrer Existenz oder ihrem Fortschritt zu hindern.
Gemessen an
der Vergangenheit sind die meisten der heute real existierenden oder
empfundenen Katastrophen relativ harmlos. Unsere heutigen Seuchen sind im
Vergleich zur spanischen Grippe oder gar zur Pest zwar nicht weniger tödlich,
aufgrund der modernen Medizin aber deutlich besser zu bekämpfen. Die Pest hat
in ihrer Zeit nahezu ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung in
knapp 2 Jahren getötet. Da können die heutigen Seuchen von Ebola über die
Vogelgrippe bis zu HIV nicht wirklich gegen anstinken. Wenn wir heute von
ausbreitender Armut in Deutschland sprechen, dann reden wir davon, ob sich
jemand nicht mehr als ein größeres Zimmer leisten kann oder ob sein Geld genügt
eine Schachtel Zigaretten am Tag zu finanzieren. Vor 200 Jahren bedeutete Armut
oftmals dass man sprichwörtlich vom Hungertod bedroht war.
Bei all den
Schwarzmalereien, die wir tagtäglich erleben, übersehen wir, dass die
Menschheit sich in der jüngeren Vergangenheit mit geradezu absurder
Geschwindigkeit verbessert hat. Hunger, ein Problem das die
Menschheitsgeschichte Jahrtausende begleitet hat, ist heute eher ein Randthema
geworden, mit dem die Mehrheit der Menschheit nichts mehr zu tun hat. Seuchen,
früher gleichgestellt mit Naturkatastrophen auf globaler Ebene, sind heute zwar
nicht bedeutungslos, aber die letzte wirkliche Pandemie, die den Namen verdient
(HIV aufgrund seiner besonderen Art mal außen vor) ist fast ein Jahrhundert
her. Die heutige Lebenserwartung in den entwickelten Ländern liegt bei mehr als dem Doppelten von vor wenigen hundert
Jahren. Kaum ein Forschungsgebiet, das nicht in den vergangenen hundert Jahren
massive Durchbrüche erzielt hätte. Und kaum eine Gesellschaft weltweit (Ausnahme
Afrika), die nicht durch die letzten 100 Jahre massiv reicher geworden wäre. Und
selbst der ewige Schachtelteufel Krieg ist heute zwar immer noch vorhanden,
wird aber mit dem Reichtum einer Gesellschaft seltener.
Anders gesagt:
Nahezu alle Probleme, die Gesellschaften durch die letzten Jahrhunderte, wenn
nicht Jahrtausende, erlebt haben, sind mit zunehmendem technischen,
philosophischen oder überhaupt wissenschaftlichem Fortschritt deutlich geringer
geworden. Gemessen an vergangenen Jahrhunderten leben wir in paradiesischen
Zeiten. Die Lebensqualität eines durchschnittlichen, heutigen Europäers ist
inzwischen höher als die eines Adeligen vor 300 Jahren. Und das Interessanteste
daran ist: Ein Ende ist in dem Sinne nicht abzusehen. Ganz im Gegenteil. Man
hat eher den Eindruck, dass sich die technische Entwicklung mit der zunehmenden
Entwicklung in Asien (Stichwort China) noch weiter beschleunigt. Man mache sich
dabei klar, dass man vor 30 Jahren noch Wählscheibentelefone hatte, das
Internet bis vor 20 Jahren noch fast unbekannt war und die Idee autonome
Fahrzeuge auf Straßen zu lassen noch vor kurzer Zeit doch etwas sehr
futuristisch anmutete. Wir leben genaugenommen in spannenden Zeiten und wenn
ich mir vorstelle was erst in 20 oder gar 50 Jahren möglich sein wird, dann
spüre ich zutiefst den Schmerz in mir, dass meine Lebenserwartung doch recht
begrenzt ist.
Angesichts
all dieser Überlegungen ist es doch erstaunlich wie schwarz die Welt immer
wieder gemalt wird, Dystopien verkaufen sich in Deutschland deutlich besser als
Utopien. Und das ist so absurd.
Ich freue
mich auf die Zukunft. Explizit. Nicht weil ich unbedingt glaube, dass es in
Deutschland so viel besser wird (da sehe ich tatsächlich mittelfristig eher das
Gegenteil), aber ich habe keinen Zweifel an der Menschheit und dem Fortschritt.
Wenn ich daran denke was in 50 Jahren alles möglich ist, dann fällt mir nur
eins ein: Ich wäre gerne dabei. Sie nicht auch, lieber Leser? Denken Sie das nächste mal daran, wenn ihnen ein versprengter Grüner die Zukunft als Energiesparvariante der Gegenwart oder als bösen, dunklen Raum verkünden will.
Llarian
© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.