20. Mai 2016

Nimbus und Nimby – Heilige und ihre Prinzipien

Wenn es eine Erfindung gibt, die während der Lebenszeit des Verfassers Verbreitung gefunden und dessen Existenz spürbar angenehmer gemacht hat, so ist das zweifellos das Internet. Das Web 2.0 vor einem Blog-Publikum zu loben wäre wohl wie Euro … Freud lässt grüßen, gemeint ist natürlich: Eulen … nach Athen zu tragen.

Auch die Sprache wurde durch die Freischaltung des virtuellen Äthers bereichert. AFAIK, ROFL, YMMD – Digital Natives haben diese Abkürzungen mit der Muttermilch aufgesogen; für den Verfasser stellen diese Akronyme eine radegebrochene Fremdsprache dar. Die dadurch zum Ausdruck gebrachten Konzepte sind freilich himmelalt.
­

So versteckt sich hinter den fünf kryptischen Buchstaben NIMBY („Not in my backyard“ – „Nicht in meinem Hinterhof/Garten“) nichts anderes als das gute, schon reichlich betagte Sankt-Florians-Prinzip. Zwar ist es wenig christlich, seinem Nächsten das Feuer an die Mauer zu wünschen und Lateiner werden sich bei dieser Aussicht durchaus persönlich betroffen fühlen, aber menschlich ist es irgendwie schon, lieber den anderen leiden zu sehen als sich selbst.

Jüngst hat der Verfasser gelernt, dass auch ein Matthäus-Prinzip existiert: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden“, schreibt der Evangelist in Kapitel 25 Vers 59. Der Volksmund kleidet den entsprechenden Lebenssachverhalt in einen Satz, in dem der Antagonist alles Heiligen das Subjekt bildet, das Verb nicht zitierfähig ist und letztlich das Unsägliche auf dem größten Haufen landet.

Eher dunkel erscheint das Teresa-Prinzip. Die Mystikerin aus dem kastilischen Ávila formulierte die berühmt gewordenen Konditionalsätze: „Wenn Fasten, dann Fasten. Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn.“ Soll das wirklich eine Paraphrase von Markus 2, 19-20 sein, also gleichsam ein „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde“? Oder stellt das Diktum der kanonisierten Spanierin nicht vielmehr darauf ab, dass Dienst Dienst und Schnaps Schnaps ist. Was würde unser Nationalheiliger Kant dazu sagen?

Der altphilologisch bewanderte Skeptiker wird jetzt vielleicht - semantisch etwas schief - ein „Principiis obsta!“ einwenden, und der Marxist, in gewisser Weise auch ein Ikonenverehrer, wird dazu in unschlagbarer Dialektik das Folgende vorbringen: „Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.“ 

Bevor wir nun völlig verunsichert werden, wenden wir uns an die Alleswisser eines armenischen Rundfunksenders: „Sind Prinzipien wichtig?“ Antwort von Radio Eriwan: „Im Prinzip ja. Aber …“

Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.