20. Mai 2016

Aus der Schwalbenperspektive: Hopfen und Malz verloren

Wenn es nach dem DFB geht, gehören solche Bilder künftig der Vergangenheit an. Die Bierdusche nach einem gewonnenen Titel - ein fußballkulturell ebenso konstituierendes Ritual wie die La Ola in der Fankurve und das Zeigen der Trophäe auf dem Rathausbalkon - passt nicht mehr zum Gesundheitsimage des Fußballs:

"Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als Ausrichter hat Borussia Dortmund und Bayern München untersagt, einen Triumph im Finale des DFB-Pokals mit Bierduschen zu feiern. Es passe nicht zum "Aktionsbündnis alkoholfrei Sport genießen", das der Verband im April mit einigen anderen Sportbünden gegründet hat, heißt es aus der Zentrale in Frankfurt" (Quelle). 

Bier und Fußball sind eine kulturelle Symbiose. Bei den Fans sowieso - kann man sich einen Fußballfan im Trikot mit einer Flasche Riesling oder einer erfrischenden Kirschsaftschorle vorstellen? Selbst im nur sehr partiell bieraffinen Frankreich ist die soirée bière-foot (Bier-Fußball-Abend) eine feste Redewendung. Aber auch der aktive Fußball ist ohne Bier nicht denkbar. Damit meine ich nicht nur die zahlreichen Brauereisponsoren, sondern vor allem die Anekdoten, die sich um den Konsum des Gerstensaftes auf und außerhalb des Platzes ranken. Angefangen von Max Merkels legendärem 7:1 der "Alkoholiker gegen die Nichtalkoholiker" ("Sauft's weiter") über Klaus Augenthalers kolportiertes Halbzeitweißbier, deren drei von Waldi "Duzmaschine" Hartmann in seinem Streitgespräch mit Tante Käthe, bis hin zu Johan Cruyffs Behauptung, dass die Deutschen das 74er Finale nicht etwa wegen Dopings gewonnen hätten, sondern weil sie mehr Bier getrunken haben. Nun ja, ich würde sagen, Standortnachteil, in Holland gibt's bekanntlich kaum Bier, sondern hauptsächlich Heineken.

Selbst alkoholfreies Bier findet keine Gnade vor dem neuen DFB-Präsidenten Grindel (warum eigentlich?). Was sagt es aus, wenn der Präsident des mitgliederstärksten Fußballverbandes der Welt, eine völlig asketische Idee des Fußballs allein als Mittel zur körperlichen Ertüchtigung vertritt? 

Nun steckt hinter dieser Kampagne ja die Behörde, die mir vorrangig beim Radiohören auffällt, indem sie mich auffordert, ihre Internetseite aufzusuchen, bevor ich auf die Idee komme, einen Lottozettel auszufüllen: das Bundesamt für Nudging, bzw. offiziell Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Auf der Website findet sich neben zahlreichem Erziehungsmaterial unter anderem ein hochnotpeinliches Interview mit Ex-Nationalspielerin Nia Künzer, das lediglich eine Aneinanderreihung von Textbausteinen aus den Broschüren der BZgA ist (wer eine Stichprobe machen möchte: Der vorletzte Absatz entstammt wortwörtlich diesem Faltblatt namens "Suchtvorbeugung: Sport und Alkohol - Hintergründe, Tipps, Kontakte").

Die "Ideologie der Ausnüchterung" (Jürgen Roth) trifft den Fußball wie auch den Sport an sich nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinne. Anstatt packender Wettkämpfe steht ein steriles Gesundheitsideal im Vordergrund. Nie haben die Menschen zumindest vorgegeben, so viel Sport zu betreiben wie aktuell, die Fitnessstudios und Joggerstrecken sind voll, aber die Vereine leiden unter Mitgliederschwund. Der grüne Smoothie an der Gym-Bar verdrängt das Weizen im Vereinsheim. 

Deshalb mein Appell an die Herren Alaba, Müller - oder wenn es denn sein muss, Reus - & Co.: Folgt dem Ratschlag von Frau Künzer und der BZgA, der da lautet: "Es ist wichtig, ein Signal zu setzen und zu zeigen: Wir sind uns unserer Vorbildfunktion bewusst und stellen uns dieser Verantwortung! Unsere Aktion kann dafür den Anstoß geben". Deshalb schmeißt von eurem Millionario-Salär ein paar Öcken in einen Topf, falls der DFB euch straft, und setzt ein Signal gegen die Bevormundung und für die Fußballkultur! Macht es nicht wie die Brauseballer aus Leipzig, die so etwas "dämlich und eklig"* finden! Lasst Hopfen und Malz im Fußball nicht verlorengehen, und gießt Füllhörner voll mit edlem Gerstensaft über eure siegreichen Häupter aus!

Denn - und damit sei das Schlusswort einer Frau mit gesegnetem Sachverstand in der Materie überlassen

Fußball ohne Bier ist wie Tennis! 

Meister Petz
  
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* An dieser Stelle fühlt sich der Autor bemüßigt, eine Anekdote aus seiner Jugend zum Besten zu geben. Es begab sich nämlich, dass er unter nicht näher zu erklärenden Umständen einer Dusche mit dem Erzeugnis des Rasenballeigentümers unterzogen wurde und noch tagelang nach Gummibärchen gestunken hat. Im Vergleich dazu ist Bier eine wahre Wohltat.
 


© Meister Petz. Titelvignette: UEFA Euro 2016 qualifying, Group G – Austria (red shirts) vs. Liechtenstein (blue shirts) 3–0 (1–0) on 2015-10-12 in Ernst-Happel-Stadion, Vienna – The photo shows David Alaba, Marcel Koller and Marko Arnautovic during the beer-shower. Von User Steindy gemeinfrei gestellt. Für Kommentare bitte hier klicken.