6. Juni 2011

Zitat des Tages. Zugleich Zettels Meckerecke: Die Atomkraft und das Reich Gottes. Theologie als politische Agitation

Überall, wo Menschen hinschauen, sich ihren Verletzungen stellen und geheilt werden, leuchtet etwas vom Reich Gottes auf. Überall, wo Menschen sich zu ihren Verfehlungen bekennen und Irrwege nicht fortsetzen, so wie es bei der Atomkraft lange der Fall war.

Die Pfarrerin Ulrike Trautwein, die demnächst als Generalsuperintendentin für den Sprengel Berlin der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz tätig sein wird, in ihrer Predigt beim Schlußgottesdienst des 33. Evangelischen Kirchentags gestern in Dresden; laut dem offiziellen Text der Predigt (Dokument: SGD_001_5250 des Kirchentags).


Kommentar: Als ich in Zettels kleinem Zimmer den Hinweis auf diese Predigtstelle las, war ich skeptisch. Zitiert wurde eine Zeitung; Zeitungen berichten manchmal ungenau und irreführend. Also habe ich nach dem offiziellen Text der Predigt gesucht.

Aber da stand es. Sogar noch drastischer, als in Zettels kleinem Zimmer zitiert; denn dort kamen die "Verfehlungen" nicht vor. Was in diesem offiziellen Text zu lesen ist, das ist nicht nur eine politische Predigt; sondern eine, die den politischen Andersdenkenden theologisch verdammt. So, wie im 19. Jahrhundert manche Pfarrer von der Kanzel gegen das Teufelswerk der Sozialdemokratie wetterten.

Daß dieser Kirchentag politisiert sein würde, aber beileibe nicht politisch ausgewogen, war zu erwarten gewesen; siehe Bericht vom grünen Kirchentag / Ein Gastbeitrag von Stefanolix; ZR vom 2. 6. 2011.

Zu erwarten war das schon angesichts des Personals gewesen: Die Präsidentin des Kirchentags, Katrin Göring-Eckardt, ist zugleich eine prominente Abgeordnete der Partei "Die Grünen". Dessen Generalsekretärin Ellen Überschar ist Mitglied der "Grünen Akademie"; eines nach eigener Auskunft "Netzwerks" der Heinrich-Böll-Stiftung, also der "parteinahen Stiftung" der "Grünen". Die Themen des Programms lesen sich streckenweise wie die Tagesordnung eines Parteitags der "Grünen".

Aber was diese Pfarrerin Ulrike Trautwein da zum Schluß gepredigt hat, das geht doch noch einen entscheidenden Schritt über den Umstand hinaus, daß dieser Kirchentag mit der Partei "Die Grünen" verfilzt war. Denn Trautwein argumentiert theologisch, um politisch zu agitieren. Ihre Predigt trägt den Titel "Dein Reich komme"; und die zentrale Botschaft ist, daß es in dieser Welt bereits "Blitzlichter des Reichs Gottes" gebe:
Darum, wenn wir nach dem Reich Gottes ausschauen, sehen wir nicht die Zerstörung unserer Welt, die Apokalypse, die in den vergangenen Monaten beschworen wurde angesichts der Atomkatastrophe von Japan, angesichts der vielen Unruhen und Kriege. (...)

Wir sehen in die richtige Richtung, wenn ein Mensch nicht mehr fliehen muss, weil wir hier aufgehört haben, ihm seine Lebensgrundlagen zu entziehen. Vom Reich Gottes ist etwas zu ahnen, wenn eine Frau vor den Übergriffen kriegslüsterner Männern geschützt wird. Wenn ein Kind endlich die Chance bekommt, in die Schule zu gehen. Jeder Mensch, der hinein geholt wird in ein lebenswertes Leben, ist ein Zeichen für das Reich Gottes!
Und zu diesen Zeichen für das Reich Gottes rechnet die Pfarrerin Trautwein nun auch den "Ausstieg" aus der Atomenergie. Denjenigen, die für die friedliche Nutzung der Atomenergie waren und sind, schreibt sie "Irrwege" und gar "Verfehlungen" zu.



Und da geht es ans Eingemachte. Daß Pfarrer die Kanzel mißbrauchen, um ihre persönliche politische Meinung als das Wort Gottes zu verkünden - daran haben wir uns gewöhnt. Aber wenn die Vermengung von Theologie und Politik so weit geht, daß der politische Gegner des Pastors als einer hingestellt wird, der sich dem Reich Gottes verweigert (dieses "leuchtet" ja erst "auf", wenn er sich zu seinen "Verfehlungen" bekennt) - dann ist eine Grenze überschritten.

Das ist nicht mehr nur politisierte Kirche. Das ist Agitation von der Kanzel. Es ist der Versuch, die Weltanschauung der "Grünen" zur theologischen Wahrheit zu erheben und Andersdenkende aus dem "Reich Gottes" (was jedenfalls dessen "Zeichen" angeht) auszuschließen. Es sei denn, sie schwören ihren "Irrtümern" und "Verfehlungen" ab.

Es bahnt sich hier eine verhängnisvolle Entwicklung hin zu etwas an, was man sonst nur im totalitären Denken findet: Eine politische Haltung - hier diejenige der "Grünen" - trägt religiöse Züge (siehe Klimaschutz als Religionsersatz. Und die Kirchen machen mit / Ein Gastbeitrag von Herr; ZR vom 8. 12. 2009), und - damit verflochten - wird die Theologie zur politischen Agitation eingesetzt.

Die politische Zielsetzung wird damit zur Heilslehre, die theologische Heilslehre zum ideologischen Fundament der Politik. Wie im Islamismus.
Zettel



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