"Ein Buch sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Kino zu treiben und ewig zu binden."
Nein, die Überschrift ist kein Click-Bait, der Herr der Ringe hat durchaus einiges mit Harry Potter gemeinsam. Und eine der vorherrschenden Gemeinsamkeiten ist die feste Fangemeinde. Sowohl beim Herrn der Ringe als auch bei Harry Potter existiert eine riesige Fangemeinde, die die Bücher in sich aufgesogen, etliche Male gelesen und noch das kleinste Details in sich aufgenommen haben. Solche Leute kann man nachts um drei nach Dianthuskraut fragen und sie können einem einen Vortrag darüber halten wo es vorkommt und wie man es verwenden kann.
Tolkien und Rowling haben eben nicht nur, bei Licht betrachtet, dramaturgisch eher bescheidene Geschichten geschrieben, sie haben vor allem eine lebendige Welt aus ihrer Phantasie geschaffen, die ihre Werke über die anderer Schriftsteller doch ein wenig erhebt.
Das Problem an solchen Werken ist, dass diverse Fans dazu tendieren aus einer Geschichte eine Wissenschaft zu machen und zunehmend Intoleranz gegenüber denjenigen zeigen, die von der "puren Lehre" abweichen, Details womöglich für unwichtig oder gar austauschbar zu halten und überhaupt das Ganze nur als einfaches Werk der Phantasie eines Schriftstellers betrachten wollen.
Umso undankbarer sind Verfilmungen von solchen Stoffen. Wer immer solche Vorlagen verfilmt, hat immer das Problem, dass ihm die "Puristen" im Nacken sitzen, die einem nicht nur permanent erklären, was man alles falsch macht, sondern einem auch noch ohne Pause unter die Nase reiben wie inkompetent man doch eigentlich ist, dass man dieses oder jenes so wichtige Details nicht beachtet hat. Genau das ist Chris Columbus passiert, als er die ersten zwei Teile von Harry Potter verfilmte und das selbe passierte Peter Jackson, als er den Herrn der Ringe drehte. Und das sind noch die erfolgreichen Beispiele, weil die beiden sehr gute Filme abgeliefert haben.
Weniger Glück dagegen hatte jüngst Amazon mit seiner Serie "Ringe der Macht". Eine an Tolkiens Bücher angelehnte Geschichte, die den Ereignissen im Herrn der Ringe gute 1000 Jahre voraus geht. Und es trat genau das ein, was ich vorher beschrieben hatte: Amazon hatte nicht die geringste Chance es den Puristen recht zu machen. Schlimmer noch war aber, dass die eigentliche Leistung Tolkiens, die "Schaffung Mittelerdes" eigentlich bereits abgeschlossen war. Kein Hollywood Studio kann die Phantasie erreichen, die die meisten Zuschauer entwickelt haben, wenn sie als Kinder den Herrn der Ringe gelesen haben. Und selbst die, dies nicht gelesen haben, hatten durch Peter Jacksons Verfilmung bereits eine gewaltige Portion davon abbekommen, da war es schwer etwas wirklich Bahnbrechendes zu schaffen.
Blieb also nur die Geschichte und hier ist das, was die "Ringe der Macht" vorstellten eben ganz ähnlich zu Tolkien selbst: Eine mittelmäßig erzählte Geschichte um Helden und Monster. Die wenigen Augenblicke wo die Handlung davon abwich, konnte man eben abzählen und so konnte die Serie ihrem Erwartungsdruck nicht gerecht werden.
Mithin ist die Bewertung durchaus unfair: Was Amazon hier abliefert ist durchaus ganz schaubar, wenn man den ganzen Ballast der Erwartung vorher abwirft. Bauten, Effekte und Masken kann man durchaus als liebevoll inszeniert betrachten, die Schauspieler geben sich durchaus Mühe, auch wenn das Spektrum der verschiedenen Gefühle bei mindestens zwei der Hauptprotagonisten doch etwas einfach ausfällt. Die Geschichte könnte sicher besser sein, aber in vielen "großen" Büchern, wie eben dem Herrn der Ringe selbst, ist die Geschichte auch keine Sensation der Erzählung.
Erfreulich ist ebenso (und das ist heute leider nicht selbstverständlich), dass die Serie im Wesentlichen ohne woke Erziehung auskommt. Okay, einer der Elfen musste dann dunkelhäutig sein, um die Quote zu erfüllen, aber das ist es dann auch. Kein Gelaber darüber, dass Galadriel sich immer bösen Vorurteilen der bösen männlichen Elfen gegenüber sieht, Isildur ist nicht nicht-binär, Sauron muss kein Chauvinist sein, keine weiblichen Kämpfer die alles können, weil sie Frauen sind und die Bösen sind von sich aus Böse und nicht irgendwelche verkappten weißen Männer. Orks sind keine missverstandenen Flüchtlinge aus dem Osten und die Freundschaft zwischen Elrond und Durin ist eine Freundschaft und keine verschämte homoerotische Beziehung. Das mag alles lächerlich sein, aber wenn man sieht wie viele gute Franchises und Serien unter dem Woke-Druck zerstört werden (Star-Wars, StarTrek und jüngst sogar Supermann) ist das erst einmal erfreulich.
Die Serie steht sicher nicht auf einer Ebene mit Game of Thrones, Heroes oder Breaking Bad (um ein paar Perlen aus der Vergangenheit zu zitieren), aber schlecht ist sie auch nicht. Man kann zurecht fragen, ob die 400+ Millionen, die die erste Staffel wohl gekostet hat, nicht besser in fünf besseren Serien zu versenken gewesen wäre, aber das ist eine wirtschaftliche Entscheidung von Amazon. So oder so: Ich freue mich auf die nächste Staffel und ich bin nicht böse um die acht Stunden, die es gedauert hat, das Ganze zu sehen. Und wer acht Stunden übrig hat, kein Tolkien Purist ist und auch Prime Kunde, dem sei die nette Zerstreuung durchaus nahe gelegt.
Llarian
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