8. Juni 2021

Mrs. Malaprop Reloaded, oder: “Ich Tarzan, du Jane“





Es ist unübersehbar, daß sich die deutsche Politik – und die Protagonisten, von denen sie betrieben wird – im einem Stadium des fortgeschrittenen Verfalls befindet: zu armselig sind ihre Umtriebe, zu schlicht die Anlässe, die in ihren Reihen und in den Medien für kurzfristige Wellenschläge sorgen – und zu krass das flächendeckende Versagen angesichts der ersten wirklichen Krisen, denen sich dieser Staat – die Bundesrepublik als demokratisch verfaßter Rechtsstaat – zum ersten Mal in den jetzt sieben Jahrzehnten ihres Bestehens gegenübersieht: der Coronakrise und der selbstverschuldeten Migrationskrise. Und es gehört zu den Kennzeichen dieses Verfalls, dieser Dekadenz, daß aus dieser Hilflosigkeit, diesem Versagen keine Konsequenzen folgen: kein Innehalten, keine Rücktritte, keine Einsicht darin, versagt zu haben und nach Wegen zu suchen, die Ursachen dafür zu analysieren und anzugehen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen oder sie zumindest daran zu hindern, fröhlich am Zerfall dieser Republik weiterzuwerkeln und auf einen Schelm anderthalbe zu setzen. Die Farce des Ausstiegs aus der Kernenergie und der Umbau der Energieversorgung dieses einstmals führenden Industriestaats auf die Grundlage von Wind und Sonnenschein dauert nunmehr ein geschlagenes Jahrzehnt an, und es zeichnet sich keine Abkehr ab, kein Ausstieg vom Ausstieg, nicht der Hauch einer Einsicht, daß Wohlstand und das technische Niveau des frühen 21. Jahrhunderts auf diese Weise nicht zu haben sind. Der Wahnwitz der Grenzschleifung und die Einladung an sämtliche Mühseligen und Beladenen, sich von diesem Staat in Millionenzahl aushalten zu lassen, ohne Rücksicht auf die nationale und internationale Rechtslage, ohne Rücksicht auf die sozialen und materiellen Kosten, dauert weiterhin an. Über das fortwährende Versagen dieser Politik im Zuge der Corona-Krise ist an dieser Stelle in den letzten Monaten genug geschrieben worden. Daß es hier nicht zu einem weiteren Totalausfall gekommen ist, dürfte dem Umstand zu verdanken sein, daß sich alle Staaten der Welt hier zu Maßnahmen veranlaßt sahen und Deutschland hier dem Beispiel anderer Staaten gefolgt ist – wenn auch, bezeichnenderweise, ohne Gewichtung und Analyse der Einschränkungen. Daß jetzt, da ringsum, einschließlich der USA als von dem SARS-CoV-2 am stärksten betroffenen Land, angesichts rasant sinkender Fallzahlen die Lockdowns und Schließungen aufgehoben werden – diese Regierung aber darangeht, bei gleicher Entwicklung die „nationale epidemische Notlage,“ statt sie wie gesetzlich vorgesehen, am 30 Juni zu beenden, bis über die Bundestagswahl am 26. September hinaus zu verlängern, fügt sich nahtlos in dieses Bild.

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Andererseits ist an dieser Stelle in den vergangenen Jahren auch angemerkt worden, daß dieser Politik, dieser hilflos, planlos und rechenschaftslos Chaostruppe eins noch gegeben ist – außer die einmal eingetretenen Mißstände, den Status quo, nach Kräften aufrechtzuerhalten. Das ist die Symbolpolitik. Immer wieder gelingt es unseren Politikern, Bilder, Gesten und Aktionen zu liefern, an denen die ganze Misere, das Versagen, die Hilflosigkeit dieser subalternen Gestalten schlagartig sichtbar wird. Nicht gewollt, natürlich. Aber mit traumwandlerischer Sicherheit schaffen sie es, sich als Clowns, als „Lustige Personen“ zu inszenieren, in Tableaus, an denen spätere Generationen ablesen werden, wie das europäische Abendland, und besonders seine deutsche Teilmenge, seinen Abschied aus der Geschichte inszeniert hat. Das war so vor acht Jahren, als ein flapsig-anzüglicher Altherrenwitz der geballten Medienkamarilla den Anlaß bot, den politisch organisierten Liberalismus in diesem Land ins Abseits zu befördern und klarzumachen, daß inhaltlich bestimmte Politik jetzt durch die beliebig befeuerbare Empörungsmaschinerie der *Cancel Culture* ersetzt worden ist. Das war so, als die Frau Bundeskanzler Abend des Wahlsiegs ihrer Partei im Herbst des gleichen Jahres die Flagge dieses Staates, das gesetzlich geschützte Hoheitszeichen als Symbol für seine Verfaßtheit, kurzerhand in den Müll warf. Das war so, als sich nach den Morden an der Redaktion der Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo die Staatschefs der EU angeblich „mutig“ an die Spitze des öffentlichen Gedenkmarsches stellten, mit Frau Merkel im Zentrum des Geschehens, sich aber schnell herausstellte, daß dies nichts als eine in einer Nebengasse inszenierte, massiv isolierte Inszenierung für ein paar Wochenschaubilder war. Das war so, als im Herbst 2015, auf dem Höhepunkt der „Flüchtlingskrise,“ Dutzende von Bundestagsabgeordneten in Schwimmwesten eine Bootstour auf der Spree in Sichtweite des Parlaments unternahmen, „um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, in Seenot zu geraten.“ Das war so, als der damalige Außenminister Sigmar Gabriel sich zum Teejungen für seinen türkischen Amtskollegen degradierte. Das war so, als „Flintenuschi“ nach der Kabale um den falschen Asylbewerber“ Franco A. – die Antwort des 21. Jahrhunderts auf den Hauptmann von Köpenick – die Bundeswehr unter den Generalverdacht stellte, eine vom Staatstreich und der Diktatur träumende Revanchistentruppe zu sein – ungeachtet des Eids, den jeder Rekrut auf das Grundgesetz ablegt. Und es war so, als dieselbe – jetzt Ex-Flinten- - Uschi sich beim Empfang beim Sultan an der Hohen Pforte genötigt sah, statt an seiner Seite auf dem Sofa Platz zu nehmen und dies auf allen Medienkanälen nicht nur als persönlichen Affront, sondern fast als Casus Belli gegenüber ihrer Person, respektive der Institution EU darstellte (die Frau von der Leyen wie ihr längst vergessener Amtsvorgänger ineinszusetzen geneigt scheint). Dumm nur, daß die türkische Seite umgehend darauf verwiesen konnte, daß man absolut korrekt gehandelt hatte und Frau Ursula als Kommissionspräsidentin protokollarisch erst an vierter Stelle hinter dem bevorzugten Charles Michel als Präsident des Europäischen Rates angesiedelt ist. Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren.

Nun soll man dergleichen nicht überbewerten. Es ist nun einmal so, daß der Politik mittlerweile die Aufgabe zufällt, sämtliche Ressorts des öffentlichen Lebens, der Kultur und was es sonst noch an inszeniertem Spektakel („panem et circenses“) gibt, aus eigener Kraft und mit dem eigenen Personal bespielen zu müssen. Die oben aufgeführten Happenings deuten das bereits an. Das Orchester und Musikanten-Combos nur noch die Aufgabe zufällt, aus staatstragendem Anlaß aufzuspielen und Zusammenrottungen von „Querdenkern“ und vergleichbarem Janhagel akustisch aufzumischen und die Produktion der Verlage, wie es scheint, nur noch dazu dient, bei Bedarf Bücher und ihre Autoren zu denunzieren und ins Abseits zu stellen, wenn ihre Texte gegen den flächendeckenden Komment verstoßen (zuletzt traf es Uwe Tellkamp und die gerade 80 Jahre alt gewordenen Monika Maron), muß die Classe Politique nolens volens auf diesen Feldern selbst aktiv werden. So interpretiert, stellt das eben erwähnte „Sofagate“ keinen diplomatischen Fauxpas dar, sondern eine gelungene zeitgemäße Neuinterpretation von Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail,“ KV 384, mit Herrn Erdogan in der Rolle des Bassa Selim, Monsieur Michel als Belmonte und Frau Laienspielerin als Konstanze, mit gendergerechter Neugewichtung der Rollen und einer Raffung der Aufführungsdauer auf eine halbe Minute und der Reduktion des Textes auf Konstanzes herzzerreißendes „Ähhh…“, das die Aufmerksamkeitsspanne des heutigen Publikums nicht überfordert.

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Und in den Bereich dieser traumwandlerischen Symbolik fällt auch die Dekonstruktion der Kanzlerkandidatur der Grünen in Gestalt von Annalena Baerbock, deren Zeugen wir seit gut drei Wochen (als Leser der „alternativen Medien“ – allen voran etwa Philip Plickert von Tichys Einblick oder dem Blogger-Kollegen Hadmut Danisch) oder seit gut einer Woche als Leser des mittlerweile zur Nr. 1 des hiesigen investigativen, kritischen Journalismus aufgerückten Medium, der BILD-Zeitung) werden. Keiner der von ihr im Lebenslauf angegebenen Grade, keine ihrer Mitgliedschaften oder aufgeführten Tätigkeiten scheint einer näheren Überprüfung standzuhalten. Man kann dazu neigen, hier Nachsicht zu üben und fünfe gerade sein zu lassen: Sinekuren, Praktika, Mitgliedschaften als vollwertige Berufserfahrung aufzuführen, die eigenen Verdienste zu schönen und mehr für sich zu reklamieren, als nach den Paragraphen der Bestimmungen zulässig ist: diese Versuchung ist menschliche, und gerade in akademischen Bereich Halbseidenes und Anrüchiges in den letzten Jahren fast zum Standard geworden. (Zur Erinnerung: auch der Darsteller des Bassa Selim hat sein Diplom in Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften – Präsidenten müssen gemäß der türkischen Verfassung einen akademischen Grad besitzen – ein Jahr vor der Gründung der betreffenden Alma Mater erworben.)



Nun könnte man sich als professioneller Zyniker auf den Standpunkt stellen: na und? Hochstapelei, mehr-Scheinen-als-Sein, Blendwerk: das gehört zum politischen Rüstzeug. Wir haben mittlerweile einen Standard erreicht, in dem kein politisches Versagen, keiner erwiesen Unfähigkeit, den Anforderungen eines Amts gerecht zu werden, einen Rücktritt nach sich zieht (und das seit nun einem vollen Jahrzehnt) – und die einzige Ausnahme, Frau Giffeys Rücktritt vom Posten des Familienministerin, um der drohenden Aberkennung des Doktortitels aufgrund von Betrug zuvorzukommen, von ihr und ihrer Partei als Befähigung dafür gewertet wird, sich zum Oberbürgermeister des „Reichshauptslums“ (@Don Alphonso) Berlin wählen zu lassen – ein Einschätzung, mit der sie wohl absolut richtig liegen dürfte, wie unser Zyniker anmerkt. Aber trotzdem greift ein solches Achselzucken etwas zu kurz: Frau Baerbock bewirbt sich nicht auf irgendeine Sinekure, sondern auf das höchste politische Amt, um das man sich in diesem Staat bewerben kann (das Amt des Staatsoberhaupts wird bekanntlich im Hinterzimmer ausgekungelt). Zwar wird auch der Bundeskanzler nicht direkt durch das Votum der Wähler bestimmt – so wenig die US-Bürger ihren Präsidenten direkt wählen. Hier erfolgt die Wahl durch die Abstimmung der Mehrheit der Parlamentsmitglieder; dort durch das Wahlmännergremium des „Electoral College“ – aber „unter dem Strich“ wählt die Wahl im Effekt darauf hinaus und ist zudem seit Einführung der parlamentarischen Verfaßtheit stets so aufgefaßt worden: von den Wählern, den Medien und den Gewählten. Frau Baerbocks Leistung beschränkt sich darauf, an die Spitze ihre Partei gewählt worden zu sein, als Kandidatin für den Posten des Bundeskanzlers gekürt worden zu sein und durch den Verzicht ihrer Ko-Kandidaten Habeck zur alleinigen Auserwählten geworden zu sein. Ihre „Leistungen“ – politisch wie beruflich und von der Ausbildung her – spiegeln sich in den Angaben in ihrem Lebenslauf. Was soll man von einer Kandidatin halten, die außerstande ist eine Seite Papier über ihren Werdegang mit Stichworten zu füllen, die bei der kleinsten Überprüfung hinfällig werden? Einer „Völkerrechtlerin,“ die womöglich selbst glaubt, sie als Person könne „Mitglied“ im UNHCR sein? Oder, wie es ein anderer Zyniker formulierte: „Der Lebenslauf von Frau B. mutiert mit einer derartigen Geschwindigkeit, daß ein Labor als Ursprung vermutet werden kann.“ Im „Kleinen Zimmer,“ dem diesem Netztagebuch angeschlossenen Diskussionsforum, wurde heute darauf verweisen, daß Frau B.s Curriculum Vitae in der meistkonsultierten Netzquelle, der Wikipedia, seit Anfang Mai mehr als 300 Veränderungen, Richtigstellungen, und wohl auch Verschlimmbesserungen aufzuweisen hat – was rekordverdächtig sein dürfte, zumal der Kandidat der Union, Armin Laschet, für den gleichen Zeitraum nur auf 20 laufenden Ergänzungen kommt.



Immerhin dürfte selbst den Medien, deren Personal bekanntlich in überwältigendem Maß von linker („progressiver“ oder grüner („progressiver“) Weltsicht geprägt ist, aufgegangen sein, daß hier Versuch, hier zum zweiten Mal einen „Schulzzug“ aufs Gleis zu setzen, noch schneller am Prellbock geendet ist als vor vier Jahren. Martin Schulz – auch er ohne eigene Leistung, Postenbesetzer ohne Charisma und Profil, war immer fünf Jahre lang Präsident des Europäischen Parlaments gewesen, bevor seine Partei und in deren Kielsog die vereinte Medienlandschaft auf die Idee verfiel, mit dieser Person sei, ohne jedes eigene Programm und ohne jeden Grund, bei dieser Partei das Kreuzchen zu setzen, gegen Frau Merkel ein Blumentopf zu gewinnen. Auch im Fall von Frau B., zu der der Presse nichts weiter einfiel, als daß sie „ganz anders“ oder „endlich anders!“ sei, gibt es eigentlich keinen Grund für einen Wähler, der grüne Politik bevorzugt, die Partei zu wählen. Schließlich bestand die Politik, die Frau Merkel seit nunmehr 10 Jahren umsetzt, in der Verwirklichung sämtlicher grünen Utopien: der Abschaffung der Kernkraft, der Einladung an alle Völker der Welt, der europäischen Schuldenunion, der Rettung des Weltklimas, der „Nachhaltigkeit“ und der Weltrettung als obersten Prius allen politischen Handelns. Der Zyniker würde anmerken: Frau Merkel hat sich nach Kräften bemüht, die Grünen, die wie keine andere Partei des westlichen Zeitgeist der letzten 30 Jahre repräsentieren, kaltzustellen, indem sie ihre Ziele umsetzte. Wenn selbst die erzlinks grundierte taz anmerkt, daß sich hier ein elementarer Mangel an Professionalität zeigt:

Es geht um mehr als ein paar Versehen. Es ist eine peinliche Fehlerserie. Dass die Grünen ihre Kandidatin nicht auf Herzen und Nieren geprüft haben, um eben gerade solche Fehler zu finden und ihre Schwachstellen zu kennen, ist hochgradig unprofessionell. Was hat sich das Wahlkampfteam denn gedacht, dass die Konkurrenz mit Wattebäuschchen wirft? Dass Jour­na­list*innen nicht recherchieren? Dass der Boulevard sie schont, weil sie so eine nette junge Frau ist? Wer erstmals eine Kanzlerkandidatin aufstellt oder nur nach 16 Jahren Opposition regieren will, muss selbstverständlich damit rechnen, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. (taz vom 6.6.2021)


dann zeigt das, daß hier offenbar der Bogen des fröhlich-burschikosen Dilettantismus überspannt worden ist. Der Kollege Danisch hat heute die Frage gestellt, ob wir es bei Frau B. vielleicht gar nicht mit einer realen Person zu tun haben, sondern mit einer Kunstfigur, einer Persona, ohne jede eigene Leistung, Biographie, erfunden zu dem Zweck, auszutesten, wie weit man in diesem Bereich gehen kann, ohne daß das pp. Publikum, respektive das Wählervolk auf die Barrikaden geht.



Was aber die Causa Baerbock neben die eingangs aufgeführten symbolträchtigen Episoden einreiht, ist der Anlaß, der dazu geführt hat, daß das Potemkin’sche Dorf ihrer Leistungen und Verdienste sich dem erstaunten Betrachter nun darbietet, als sei ein Tornado hindurchgefegt. Auslöser war ein kurzer Passus in einer 45-minütigen Adorationssendung, die der Norddeutsche Rundfunk am 23. November 2020 anlässlich des (damals noch doppelten) Warmlaufs der Kandidaten der Partei für das Amts des Bundeskanzlers ausstrahlte: „Baerbock und Habeck - Kurs aufs Kanzleramt?“ und in der sie über den neben ihr sitzenden Mitbewerber in der üblichen flapsigen, unkonzentriert plappernden Diktion, die nicht nur unter Politikern der Grünen zum Standard geworden zu sein scheint, dies zum Besten gab:
„In manchen Dingen sind wir sehr anders. Und da gibt’s natürlich Themen. Vom Hause her kommt er --- Hühner, Schweine, ich weiß nicht, was haste? - Kühe melken. Ich komm eher aus’m Völkerrecht, ja, da kommen wir aus ganz anderen Welten im Zweifel. Und das passt gut. Ich glaube halt, das ist gut, dass wir’n Ding … das wär doch blöd, wenn wir genau beide sagen: Ich bin aber Völkerrechtsexperte, oder: Ich bin aber Landwirtschaftsexperte. Ja, dann würden wir uns dauernd streiten, wer dieses Themenfeld jetzt besetzen darf.“
Und diese gendergerecht umgekehrte Neuaufführung des alten Klassikers „Ich Tarzan – du Jane!“ (das der Herr des Dschungels so freilich weder in den Büchern von Edgar Rice Burroughs noch in den zahlreichen Verfilmungen gesagt hat) als „Ich Völkerrechtsexpertin – du Schweinehirte“ bildete dann ein halbes Jahr später den Auslöser für die Prüfung, ob die Gute tatsächlich „aus’m Völkerrecht herkommt.“ Daß Habeck diese Brüskierung – die Frau B. wahrscheinlich gar nicht als solche wahrgenommen haben dürfte – ohne Kommentar mit einem schmalen Lächeln quittiert wohl wissender als nur eine gute Miene zum bösen Spiel aufzusetzen, nämlich als: „na, da wollen wir mal sehen…“ Auch bei Grünens dürfte die alte politische Steigerungsformel „Freund – Feind – Parteifreund“ weiterhin gültig sein. Daß Habeck, der im Gegensatz zu Frau Annalena tatsächlich einen Doktortitel vorweisen kann, gestern lobende Worte für die hektischen Ausputzaktionen von Frau B. oder ihres Teams fand, könnte von politischer Klugheit zeugen (fast ist man geneigt, „Bauernschläue“ zu schreiben). Sollte Frau B. in den nächsten Wochen oder Monaten dazu bewegt werden, als Kassengift auf ihre Kandidatur zu verzichten, wird Habeck nicht als illoyaler Königsmörder dastehen. (Hier ist die gesamte Hofberichterstattung in voller Länge zu genießen)

Ob diese Eskapade das Zeug dazu hat, den Baerbock-Express entgleisen zu lassen, steht in den Sternen. Wie erwähnt, hat dieses System einen Zustand erreicht, in dem Fehlleistungen, Versagen, Aussetzer keinerlei Konsequenzen mehr nach sich ziehen. Bei den gestrigen Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt hat es sich jedenfalls nicht negativ auf den Wahlerfolg der Partei ausgewirkt. Zwar ist der von manchen Medien schon herbeigeschriebene Zugewinn auf 20 oder 25 Prozent der Wählerstimmen ausgeblieben, aber die Grünen haben dort seit 30 Jahren einen Außenseiter- und Exotenstatus, und die Steigerung des Wahlergebnisses von 5,2 auf 5,9%, also einem Zuwachs von 18% ist alles andere als eine Abstrafung durch den Souverän. Andererseits verlieren die Grünen seit der Kür von Frau Baerbock zur Kanzlerkandidatin mit jeder vergehenden Woche einen Prozentpunkt in den Umfragen – wobei das Versagen der Demoskopen gestern auch (einmal wieder) vor Augen geführt wurde.



Warum aber „Mrs. Malaprop“? Wenn Frau von der Leyen die Konstanze gibt, so dürfte Frau B. die Rolle eben dieser Figur aus Richard Sheridans Komödie „The Rivals“ (sic!) auf den Leib geschneidert sein, die im Januar 1775 im Londoner Covent Garden Theatre ihre Uraufführung hatte und in der die Dame mit dem sprechenden Namen wesentlich zum humoristischen Element beiträgt, indem sie zielsicher Fremdworte verwechselt, Redewendungen entstellt und ihren Bildungsanspruch ad absurdum führt. Natürlich ist das Verfahren zur Generierung von Situationskomik älter: es findet sich schon bei Shakespeare und gehäuft in den Komödien Molieres, aber Sheridans Figur verdankt die englische Sprache den Ausdruck „Malapropism“ für solche Fehlgriffe. Im Deutschen behilft man sich mit dem Anglizismus Malapropismus. („Kalauer“ – auch dies eine vom Aussterben bedrohte Vokabel – meint hingegen ein gewollt brachial flaches Wortspiel.) Zwar verraten viele der schier unendlichen sprachlichen Fehlleistungen von Frau Baerbock die tatsächliche völlige Unkenntnis dessen, worüber sie plappert (etwa das berüchtigte „Netz als Speicher“), aber die meisten dürften eben mal-apropos sein. Etwa wenn sie „Schewegewara“ (statt Che Guevara) anführt, der „die Solidarität als Zärtlichkeit unter den Völkern“ beschworen habe (daß es sich bei dem kubanischen Revolutionär um einen skrupellosen Massenmörder handelte, zu dessen bevorzugten Opfern Homosexuelle zählten, scheint sich bis heute nicht in linken Kreisen herumgesprochen zu haben – so wenig wie die Tatsache, daß „der Che“ sehenden Auges die verbleibende Wirtschaft der Karibik ruinierte und auf Drängen der sowjetischen „Berater“ in Kuba nach Afrika abgeschoben wurde, um keinen weiteren Schaden anzurichten und durch einen „Heldentod“ vielleicht noch propagandistischen Nutzen für die „Sache der Revolution“ abzuwerfen.) Die Batterien ohne „Kobold,“ die „anderen Parteien, die 75 Prozent oder sogar ‘ne Zweidrittelmehrheit im Parlament haben,“ der „Bund der Steuerinnenzahler,“ die deutschen Emissionen von „neun Gigatonnen pro Einwohner,“ die „Desinfektationsmittel,“ daß es „sich in den letzten Jahren so erwickelt hat, daß im Netz gehetzt werden kann, „wenn wir auf die Grundschauen schulen…“: all das sind „klassische Fehlverschaltungen“ und Vertauschungen von Phonemen, wie sie durchaus in der Hektik unkonzentrierter freier Rede unterlaufen können. Was eher gegen Frau B. als Bewerberin für das Amt des Regierungschefs spricht, ist die staunenswerte Häufung solcher Aussetzer und die Tatsache, daß niemand in ihrem Team oder an der Parteispitze den Eindruck gehabt zu haben scheint, daß hier dringender Nachbesserungsbedarf besteht, wenn demnächst die Gefahr besteht, daß diese Person diesen Staat auf der internationalen Bühne repräsentiert.



U.E.

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