29. August 2019

Anfrage an den Schöpfer- und Erlösungsglauben

Wer in einer einsamen Gegend zum nächtlichen Himmel aufblickt, sieht nicht nur viele Sterne, sondern ein Problem.

Die Größe unseres Universums und die Möglichkeit von weiteren belebten fernen Planeten bedeuten eine Anfrage an die jüdische und christliche Rede von einem Schöpfergott mit Interesse an und Beziehungen zu den Menschen auf unserer Erde und eine spezifisch-kritische Anfrage an den Glauben der Christen: Was wird in ihrem Weltbild aus der Vorstellung von einem Gott, dessen „Sohn“ vor 2000 Jahren als Jude Jesus in Galiläa in der Gestalt eines Gottmenschen aufgetreten sein soll? Muss die Christologie der Kirchen nicht schon jetzt geändert werden oder kann sie noch solange, also lange, bestehen bleiben, nämlich bis es einen Kontakt mit einem Planeten gibt, auf dem eine vergleichbare Gattung mit einer ähnlichen Bewusstseins-, Sprach-, Schuld- und Erlösungsgeschichte lebt? ­

Für agnostische Psychologen, Hirnforscher und Philosophen besteht kein Problem, da sie im Götterglauben nur den poetischen Ausdruck von innermenschlichen Empfindungen sehen, wohl aber besteht für Christen die Anfrage. Sie glauben in ihrer Erlösungserzählung eine in der Geschichte erfahrene und mit der Vernunft bejahbare Wahrheit zu erkennen, - auch wenn sie den erkenntniskritisch erledigten Begriff Wahrheit wie ihre Zeitgenossen nicht mehr auszusprechen wagen. Ihr Leben müssen sie dennoch danach ausrichten, sonst sind sie – wie die Postchristen – keine echten experimentell-erfahrenen sprachfähigen Christen.

Wir haben das Problem der Beziehungen fremdartiger Religionen zur religionskritischen jüdisch-christlichen Erfahrung aber auch schon jetzt und hier auf unserer Erde. Z. B. wirken die fernöstlichen Existenzdeutungen wie von einer anderen Welt. Es gab tausende Gottheiten und äußerst unterschiedliche Formen von Religion und Weisheit, Aberglaube und Glaube. Wenn im Weltall viel Leben ist, kann es auch viele Adams und Evas geben, vielleicht auch viele Abrahams und Moses‘, viele Propheten, Messiasse und - - - jetzt darf der Gedanke nicht stocken – einen Vollender, mit dessen Einsichten und Taten die Anhänger die Absichten des unsichtbaren Transzendenten definieren können. Wer das Wollen Gottes zutreffend zu beschreiben wagt, der beschreibt damit dessen Wesen; denn den Willen von jemand zu kennen, offenbart mehr als ein Foto, das es von ihm gäbe.

Wenn es auch auf anderen Planeten geistbeseelte Materie, Wesen mit einer Freiheitsgeschichte gibt, können auch sie mit ihrer Vernunft erkennen, dass sie weder selber Götter sind noch dass die Naturgesetze, die man nutzen kann, Gottheiten sind. Es muss nicht überall Sklaverei und ein Auschwitz geben, aber da freigelassene Wesen in Schuld fallen können, wird es auch dort geschehen und es werden Überlebenswege gesucht werden. Zur Erinnerung: Der jüdisch-christliche ‚hierzuerden‘ besteht in der folgenden Einsicht: Weder das Universum noch der Mensch ist göttlich; Gott muss ein anderer Größerer sein, aber einer, der die Welt und uns Menschen wollte und liebt; und wenn wir ebenso wie er nicht allein für uns da sind, sondern auch für die anderen leben, handeln wir, wie er will. Er will und kann durch uns reden und handeln, also in die Welt, in die Materie ‚eingreifen‘.

Die kirchenamtlich-inhaltliche Definition der Anrede des Welturgrunds Gott mit dem Leben Jesu, seinen Worten und seinem Sterben-für-andere des Juden Jesus ist, wenn es auch auf weiteren Planeten Freiheits- und Leidensgeschichten von Personen geben sollte, nicht relativiert. Das zeigt schon das jetzt offiziell proklamierte Verbot der Judenmission für Katholiken: Sie hätten schon einen eigenen Weg, Gottes Willen zu folgen. Für sie ist die Mose-Tora die absolute Hilfe, die für die mit ihnen verwandten Christen die absolut gültige Nachfolge Jesu ist, als Weg zur Befreiung zur Nächstenliebe. Die Christen bräuchten nicht erschrecken, wenn eine Erlösungsgeschichte auf einem anderen Stern bekannt würde, als ob damit die einzigartige ‚Gottes-Sohnschaft‘ Jesu zerfalle. Er bliebe ihr „einzigartiger Sohn Gottes“, da dieses Bild nicht bedeutet, dass es drei Götter als Personen gibt, sondern nur einen, dessen Geist Jesus vollendend erkannte, sodass man durch diesen Menschen den jüdischen einen Gott finden und erkennen kann.

Im allgemeinen Sinn sollen alle, Frauen und Männer und Kinder, „Kinder Gottes“ werden. Selbst das Judentum begann in seiner Bibel mit der Erschaffung und Berufung der Menschheit zur ‚Ebenbildlichkeit Gottes‘. Der besondere Sinn der Christologie hingegen, die einzigartige Gottessohnschaft Christi, die im Taufbekenntnis und im Dogma nur dem Juden Jesus zukommt, bleibt einmalig: Dies war - für den Glauben der Christen – die einmalige Geschichte der ‚Inkarnation des Wortes Gottes‘ auf unserem Planeten, die abschließende Entdeckung einer langen jüdischen Erlösungsgeschichte. Sie steht dazu in einem Buch, dass sie in jeder Generation neu verifiziert werde. Sie heißt „Wort Gottes“, obgleich es nur von Menschen erkannt und aufgeschrieben wurde. Die Christen lesen zum Neuen Testament immer das jüdische Alte hinzu, weil sie wissen, dass es ohne die tausend Jahre Vorbereitung nicht zum Lehrer Jesus gekommen wäre und die Evangelien missverständlich blieben. Deren Autoren hatten keine andere Sprache als die für Wunder wie im Märchen. Früher glaubten die Christen, eines Tages käme Jesus zurück auf die Erde in aller Herrlichkeit. Heute weisen Theologen darauf hin, dass dies aber nicht ein historischer Tag sein kann, weil sonst die Freiheit den Menschen genommen wäre.

Es war für Platon leichter, uns einen Sokrates zu beschreiben. Für Markus, Matthäus, Lukas und Johannes war es schwer, der Welt einen Jesus zu schenken, der nicht nur die Herzen der Menschen erkannte, sondern auch das Herz des jüdischen Gottes mutig beschrieb und deswegen alsbald umgebracht und als Ketzer verleumdet wurde. Die in das Neue Testament aufgenommenen Nachrichten und Briefe aus der frühesten Zeit stellen dem Irrtum seiner Richter das Urteil Gottes gegenüber, die einen mehr für den Innenraum, die anderen mehr nach außen auch für die Heiden im römischen Imperium. Die Texte wurden nicht nachträglich in einen einzigen Duktus redigiert. So erkennen wir bis heute, dass es zwei unterschiedliche Sprechweisen zur Christologie gab: Die einen sagten: Der Logos, das Wort Gottes selbst ist in diesem Menschen dagewesen. Die anderen sagten: Der Sohn Marias stammt vom heiligen Geist Gottes. Diese Sprache ist ein Entweder-Oder, kein Autor hatte beide Formulierstile. Sie unterscheiden sich nicht durch die Begriffe Christologie-von-unten oder Christologie-von-oben. Sie zeigen beide die Vermittlung, die unerhört hohe Aufgabe: Wir Menschen sollen Gott erkennen und hören können?

Heute sagen die meisten: Das können wir nicht, lassen wir also die Religionen auf sich beruhen, verlangen wir aber, dass sie friedlich und tolerant sind und einander und uns in Ruhe lassen. Den Himmel überlassen Vernünftige doch seit der Aufklärung den Engeln und den Spatzen. – Wenn uns eines Tages ein Raumschiff von einem fernen Planeten umkreiste, müsste es vielleicht länger unterwegs gewesen als der Zeitraum, die uns von Jesus trennt. Sie würden von einem früheren neuen Adam erzählen, vor Jesu Zeit, wenn wir gelernt hätten, uns mit ihnen zu unterhalten. Solange nur Nachrichten ankämen, erführen wir nur: Dort lebt eine technische Zivilisation. Jedoch: Wenn schon auf Erden die Theologen sich schwer verstehen, wie lange würde eine Anbahnung zur geistigen Verständigung wohl dauern?


(Angeregt von Ulrich Elkmanns Erinnerung an die erste Mondlandung und seinen Gedanken „kosmischer Quietismus“)

Ludwig Weimer

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