10. Juni 2019

Dänisches Dynamit und deutscher Dogmatismus: Sozis mit rechtem Einschlag und grüne Monothematik

„Etwas ist faul im Staate Dänemark“ (Shakespeare, Hamlet), mag es in dem einen oder anderen europäischen Linken denken. Denn in dem skandinavischen Land wurde das progressive Dogma, wonach Programmentlehnungen bei den Rechtspopulisten nicht der sich bedienenden Gruppierung, sondern dem politischen Gottseibeiuns nützten, eindrucksvoll widerlegt. Die Sozialdemokraten aus dem nordnachbarlichen Königreich haben nämlich mit einem restriktiven Migrationskurs einen Sieg bei den heurigen Parlamentswahlen eingefahren, und die Dansk Folkeparti wurde von stolzen 21,1 Prozent anno 2015 auf ziemlich ernüchternde 8,7 vom Hundert dezimiert.

Freilich: Die 25,9 Prozent, die Socialdemokraterne beim diesjährigen Urnengang errungen haben, stellen im Vergleich mit den Resultaten von vor vier Jahren (26,3 vom Hundert) sogar einen leichten Verlust dar. Aber wenn man bedenkt, dass bei der deutschen Korrespondenzpartei ein Ergebnis von gut einem Viertel der gezählten Stimmen vor 15 Jahren mit Sicherheit noch zu einer Enthauptung des auf nationaler Ebene auftretenden Spitzenkandidaten geführt hätte und heutzutage die SPD solcherlei Zuspruch nicht einmal mehr in ihren Erbhöfen wie etwa Bremen erreicht, muss man vor Mette Frederiksen durchaus den Hut ziehen. Zugegeben: Bis hierher haben wir nur die halbe Wahrheit erzählt.

­Denn die dänischen Sozis hatten nicht nur die gut kontrollierten Grenzen, sondern in puncto Wirtschafts- und Fiskalpolitik auch knackig Sozialistisches auf ihrem Ticket. Wer jetzt einwirft, dass die Idee einer Kleptokratie von unten mit Beschränkung der Teilnehmerzahl auf diejenigen, die schon länger im Lande leben, doch zum Arsenal der (etablierten) Rechtspopulisten gehört, liegt natürlich nicht falsch, jedoch hat es für diese ideologische Ausrichtung auch bei den Bösewichten in der politischen Landschaft einer gewissen Kurskorrektur bedurft: Die FPÖ etwa war zu Haiders Zeiten in oeconomicis deutlich liberaler als heutzutage.

Bei den deutschen Sozialdemokraten ist freilich umstritten, wie sehr man sich an dem Kopenhagener Vorbild orientieren soll: Zum Beispiel Ralf Stegner bevorzugt ein Sterben in weltanschaulicher Schönheit, wohingegen Thomas Oppermann und Sigmar Gabriel gerne ihre eigene Mette feiern würden. Für die SPD wäre eine solche Besinnung auf erfolgversprechende Politik vielleicht der allerletzte Rettungsanker. Ob man diesen zu Grunde zu lassen gedenkt, ist indessen höchst fraglich. Einige Parteimitglieder scheinen vielmehr darauf versessen zu sein, die Alte Tante endgültig zur Satiretruppe zu degradieren: Anders kann man den Vorschlag, Kevin Kühnert zum Präsidiumsprimus zu küren, eigentlich nicht begreifen.

An und für sich stehen die Zeichen dafür, dass sich die SPD mit dem zuvor beschriebenen Richtungsschwenk wieder unter bessere Winde begeben könnte, nicht schlecht. Denn zwischen Buxtehude und Berchtesgaden gibt es keine andere Partei, welche die vorgenannte Kombination mit weniger Risiko zu vertreten imstande wäre: Die CDU und die FDP würde es wohl zerreißen, wenn sie harte Einwanderungspolitik mit prononciertem Sozialismus vermählen müsste. Die CSU, wenngleich gemeinsinnspopulistischen Agenden nicht immer abgeneigt, würde Probleme damit haben, ihren Sympathisanten linken Populismus zu verkaufen. Bei der AfD verläuft die Sollbruchstelle genau zwischen den klassischen Konservativen und den nationalen Sozialisten. Die SED hat durch die Kaltstellung ihres größten seduktorischen Talents, Sahra Wagenknecht, bewiesen, dass sie als Grünen-Imitat with dictatorial benefits in die Bedeutungslosigkeit abzusinken beabsichtigt. Und die Partei des Edlen, Hilfreichen und Guten würde beim gefühlten Menschenrecht auf freie globale Wohnsitznahme niemals Abstriche machen und ist wohl gerade dabei, ihre Rolle als Fürsprecher für die sogenannte soziale Gerechtigkeit mithilfe eines alles überstrahlenden Themas abzuservieren. Dazu gleich mehr.

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Ein weiteres linkes (insbesondere in Deutschland in den entsprechenden Kreisen verbreitetes) Dogma besagt, dass die Rechtspopulisten (die AfD) nur deshalb beim Wähler ankommen, weil sie das eigentlich schon niemanden mehr interessierende Thema Migration immer wieder aufkochen und dramatisieren.

Demgemäß haben die Grünen sowie ihre Sympathisanten in den Medien und in der „Zivilgesellschaft“ (wozu freilich auch Langstrecken-Luisa und Häuptling Blaulocke gehören) das Narrativ installiert, dass sich nunmehr alles dem Topthema Klimaschutz unterzuordnen habe. Aus diesem Grunde war das weitgehende Schweigen gegenüber Seehofers Abschiebe-Gesetzen durchaus beredt. Unter anderen Vorzeichen hätte der zukünftige Gottkanzler dieser Republik, Robert Habeck, ganz sicher lautstark wider den Rückfall hinter die Großtaten der derzeit amtierenden Regierungschefin polemisiert und wären ihm seine Bewunderer in den Redaktionsstuben mit voller Verve beigesprungen. Doch eine derartige Gesinnungsdemonstration erscheint momentan als nicht opportun.

Man hat inzwischen offenbar eingesehen, dass im Lande der Öko-Hysteriker und Befürworter einer (un)aufgeklärt-absolutistischen Zwangsbeglückung durch die Obrigkeit verbotsaffine Umweltthemen besser verfangen als die dem Völkerrecht unbekannte globale Freizügigkeit. Zugleich fungiert der Klimaschutz als Feigenblatt für den Abschied von den der linken Identität geschuldeten, dem Stammwähler der Grünen aber eher peinlichen Rufen nach sozialer Gerechtigkeit. Der Bäckergeselle, der mitten in der Nacht mit seinem alten Diesel zur Arbeit fährt, und die Team-Assistentin, die sich ihre zweiwöchige Pauschalreise samt Flugzeugbeförderung gönnt, müssen diese Bequemlichkeiten einfach aufgeben, während die - bekanntlich besserverdienenden - Grünen-Anhänger mit dem Elektroauto in der Stadt herumkurven und sich verteuerte Airline-Preise immer noch leisten können.

Ironischerweise sind es ja die Grünen und ihre journalistischen Sprachrohre, die den Rechtspopulisten immer vorwerfen, dass diese nur ein Thema beackerten und zu anderen Politikfeldern kein Konzept aufwiesen. Die Lieblingspartei der deutschen Multiplikatorenelite hat zwar auf viele Fragen Antworten, ist aber wohl mittlerweile realistisch genug, um insgeheim anzuerkennen, dass diese Lösungsansätze im Volke keine Mehrheit finden. Deshalb beschränkt man sich in der Außendarstellung gegenwärtig auf das Gebiet, mit dem man in dieser unserer Angsthasennation zahlenmäßig relevante Teile der Stimmberechtigten hinter sich versammeln kann.

Vernünftige politische Gegner der Grünen würden folglich nicht versuchen, Baerbock und Co. auf dem Feld des Klimaschutzes zu übertreffen, sondern den (verbrennungsmotorfreien) Höhenflug des Ikarus in den Bereichen zu stoppen, in denen die Programmpunkte der Besserfühlpartei unpopulär sind. Doch vernünftige politische Gegner der Grünen sind in Deutschland leider dünn gesät.

Noricus

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