19. Juli 2018

Der AfD in die Hände gespielt? Nein, den Grünen in die Hände gespielt!

Die Interpretation im Großteil der traditionellen Medien, unter den Merkelanhängern in der CDU und natürlich links der Mitte ist eindeutig. Horst Seehofer hat mit dem Asylstreit lediglich "Agendasetting für die AfD betrieben" (Zitat Michael Spreng im FOCUS-Interview), d.h. in der Terminologie der progressiven Linken "der AfD eine Platform geliefert" und ihre Positionen damit satisfaktionsfähig und relevant gemacht. In dieser Darstellung klingt natürlich eindeutig die inhaltlich-politische Wertung heraus, Seehofers Position sei falsch, die hofierte Meinung nicht nur eine schlechte Wahlkampfstrategie, die nach hinten losgegangen ist, sondern auch inhaltlich "deplorable".

Der inhaltlichen Wertung aber enthalte ich mich hier. Ob man die einwanderungsskeptische Haltung teilt, es für eine von Seehofer aufgeblasene Pseudokrise hält, Merkels Kurs für richtig oder eine Katastrophe oder irgend etwas dazwischen hält, ändert nichts an einem simplen Fakt: Angesichts der Umfrageergebnisse nicht nur bezüglich der voraussichtlichen Wahlentscheidung in der anstehenden bayrischen Landtagswahl, sondern auch bezüglich der inhaltlichen Positionierung der Wähler, ihrer Meinung von Seehofer und Söder, und  insbesondere ihrer Sympathie oder ihrem Missfallen hinsichtlich des Asylkurses der CSU ist die nächstliegendste Schlussfolgerung bei objektiver Betrachtung, die außerhalb der Filterblase in Zettels kleinem Zimmer blickt, klar: Dieser Kurs ist vom Wahlvolk im großen und ganzen nicht goutiert wurden.

Ob, wie impliziert, tatsächlich weitere Stimmen von der CSU zur AfD abgewandert sind, wage ich zwar zu bezweifeln. Wer Seehofers Kurs für richtig hielt, wandert deswegen nicht zur AfD ab oder aber ist es schon lange vorher und nicht erst nach Seehofers Aktion. Wer ihn für nicht ausreichend hielt ist vermutlich schon längst zur AfD abgewandert und falls nicht, wäre derjenige es ohne Seehofers Aktion erst recht. Ein konkreter Wähler, der eine Bewegung nach Rechts durch Abwandern zur AfD bestraft, aber ein verharren an Merkels Seite mit Loyalität zur CSU goutierte, der wäre ein bizarres Wesen. Das mag man in Kreisen glauben, in dem man an Wähler als einfach gestrickte Wesen glaubt, der durch "deplatforming", Informations-"gatekeeper" und "Meinungsmacher" auf simpelste Weise gelenkt werden könnte und müsste: Hört der Wähler von etablierten Institutionen was rechtes, so werde er rechter, hört er etwas progressives, so werde er progressiver. Durch einen nach rechts gelehnten Seehofer werde daher so mancher Wähler plötzlich rechtsnational und wechsele zur AfD.

Die Wählerstimmen für die AfD sind aber nicht signifikant gestiegen.

Dies steht natürlich auch im Widerspruch zu der These, Wähler würden das "Umkippen" oder  eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit von Seehofer mit einer Abwanderung zur AfD strafen.

Realistisch und nahe liegend ist dagegen folgende Interpretation: Wähler in der Mitte waren von Seehofers Auftritt in vielen Fällen inhaltlich und in den übrigen Fällen zumindest von der Form her abgestoßen.

Kurz: Zettels kleines Zimmer ist nicht für die Haltung, Wahrnehmung und Stimmung im Land repräsentativ.



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Techniknörgler

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