10. Februar 2018

Randbemerkung: Der Zlatko der deutschen Politik

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Einnern Sie sich noch an Zlatko Trpkovski? Nein? Vielleicht nicht direkt aufgrund des Namens, aber war da nicht einmal ein Containerbewohner mit diesem Vornamen aus dem Big Brother Haus? Genau. Das war Zlaktko Trpkovski. Er war Teilnehmer der ersten Staffel von Big Brother (lange bevor die endlosen Ströme von Selbstdarstellern das Format zerstörten) und gelangte im Jahr 2000 zu einer dadurch bedingten, vorrübergehenden Berühmtheit, die man zurecht als Hype betrachten kann.

Aufgefallen war Trpkovski, von seinen späteren Fans auch Sladdi the Brain genannt, vor allem durch seine etwas gewöhnungsbedürftige Allgemeinbildung (er rätselt vermutlich immernoch welche Filme Shakespeare denn nun wirklich gemacht hat) und vielleicht auch durch sein recht einfaches Gemüt und seine direkte Art. Über Nacht wurde Zlatko zum eigentliche Star der Show (obschon er nicht einmal unter die letzten Kandidaten kam und das Haus vergleichsweise früh verlassen musste), es folgten Singles, eine eigene Platte, kurzfristig eine eigene Fernsehsendung und ein eigener Kinofilm. Innerhalb von kürzester Zeit wurde aus der einfachen Person Zlatko Trpkovski ein Prominenter, ja vielleicht sogar ein Star im ansonsten recht stararmen deutschen Fernsehen.
Leider hatte dieser Aufstieg zwei Probleme, ein vorhandenes und ein damit verbundenes: Das erstere war, dass der "Ruhm/Erfolg" von Zlatko keine Basis hatte. Er hatte eben keine Gesangsausbildung, kein schauspielerisches Talent, kein Humor- oder Bühnentalent, er war eben wirklich das einfache Gemüt, dass er eben auch im Container gewesen war. Zweitens passierte eben auch das, was unweigerlich oft vorkommt, wenn jemand unverhofft großen Erfolg hat, er hebt ab und versteht nicht was die Basis seines Erfolges eigentlich war oder ist.
Das ganze endete mit dem wenig glanzvollen Auftritt bei der Grand-Prix Vorentscheidung, als der eben nicht gesangsgebildete Sladdi der Illusion erlag, er könnte bei einem Live-Auftritt eine gute Figur machen. Es ging verheerend schief. Und selten wurde beim Grand Prix ein Künstler auf einer Bühne derart brutal angegriffen wie Zlatko in diesem Augenblick: Das Publikum begann früh ihn auszupfeifen, es wurde um "Gnade" gerufen. Man muss ihm insofern auch Respekt zollen, denn er brachte den Auftritt zuende und lies erst in seinem fast schon berühmten Dankeswort seine Frustration los.  Dennoch war mit diesem Auftritt der Hype mit einem Schlag vorbei und Trpkovski fiel von 100 auf null. Die selben Leute, die ihn vorher hochschrieben, ihn ohne Ende "hypten", liessen ihn nicht nur fallen wie eine heiße Kartoffel, nein, sie traten noch gewaltig auf den am Boden liegenden nach. Man machte sich über den Auftritt lustig, man entdeckte das nicht wirklich vorhandene komödiantische Talent und man wies darauf hin, dass da eigentlich keine Substanz war. Schnell gemerkt.

Jetzt erlaube ich mir eine Parallele, wenn auch mit etwas Salz zu geniessen: Im letzten Jahr kam ein abgehalfterter  EU Politiker, der seine bisherige Karriere vor allem Kungeleien in Hinterzimmern verdankte, auf die Position des Kanzlerkandidaten der SPD. Und mit dieser Kandidatur kam ein bis dato in der deutschen Politik einmaliger Hype zustande, der heute unter dem Namen "Schulz-Zug" oder "Schulz-Effekt" gehandelt wird. Der politische Betrieb wie auch der deutsche Medienbetrieb war mit einem Mal elektrisiert. Artikel jagte Artikel und da einer vom anderen abschrieb, schien es als würde dieser bis dato bundespolitisch unbeleckte Kandidat das Zeug haben bis zum Herbst einen Durchmarsch hinzulegen. Der Gipfel (oder wenigstens ein Gipfel) des Hypes war die Wahl innerhalb der SPD, in den Schulz mit 100% der Stimmen zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten gewählt wurde. Einmalig bis dato. Martin Schulz war auf dem Gipfel seines Erfolges. Genauso wie Zlatko Trpkovski 17 Jahre zuvor.
Das dumme war nur: Es war nichts dahinter. Schulz war nie ein großer Redner, seine rethorischen Fähigkeiten werden zwar noch von der Frau Bundeskanzler unterboten, aber gemessen an anderen, früheren Vorsitzenden der SPD, wie beispielsweise Schröder, Lafontaine oder auch Schmidt, war er weit unterdurchschnittlich. Programmatisch wusste man nie so recht wofür Schulz eigentlich stand, inhaltlose Sprechblasen wie "Mehr Gerechtigkeit" mögen sich auf Wahlplakaten schön machen, bewirken beim Bürger aber nichts was hängenbleibt. Erfolge in dem Sinne konnte und kann er eben auch nicht vorweisen, peinliche Auftritte im Sinne von "ihr könnt doch mal Martin rufen" taten dann ein übriges. Es war bis auf den Hype keine Substanz vorhanden. Schulz konnte nicht begeistern, Schulz konnte nicht überzeugen, Schulz konnte genaugenommen nichts von dem, was man einem erwartet, der auszieht, Kanzler zu werden.
Und dann kam es wie es kommen musste, die SPD verlor drei Landtagswahlen und am Ende krachend die Bundestagswahl. Was bei Sladdi nur ein paar Tage dauerte, zog sich bei Schulz einige Monate, aber auch er fiel von 100 auf null, weil er außer einem künstlichen Hype genau gar nichts vorweisen konnte.
Und auch bei ihm wiederholte sich dann das Muster, dass schon bei Sladdi bekannt war. Die selben Leute, die ihn monatelang "hypten" liessen ihn fallen und sind heute ganz distanziert. Von Manöverkritik nicht die geringste Spur. Es hat was vom enttäuschten Liebhaber, der vorher all seine Hoffnungen und nun all seine Wut auf das Opfer seiner früheren Begierde projeziert.

Prinzipiell trifft es nicht den Falschen. Martin Schulz hat so manche Intrige gesponnen und die letzte hat ihn dann sogar noch sein Gnadenbrot als Außenminister gekostet. Davon mal ab hat er auf Steuerzahlers Kosten ein vergleichsweise hohes Einkommen realisiert, dass reichlich von seiner Qualifikation und seiner "Leistung" entkoppelt ist. Von kleinen Vorteilsnamen gar nicht angefangen. 
Aber ein bischen kann er einem trotzdem leid tun. Vielleicht hat er im Sommer 2017 den selben Fehler gemacht wie eins Zlatko und wirklich angefangen daran zu glauben, dass er es war, der etwas bewirkte und er nicht Teil eines großen und künstlichen Zirkusses war. Man weiss es nicht, man kann nicht in seinen Kopf schauen. Zlatko Trpkovski war (und ist) ein recht eindeutiges Opfers eines gnadenlosen Medienbetriebes. Ist Martin Schulz das auch? Verloren hat er in dem Sinne nichts, er war vorher ein abgehalfterter Apparatschick und er wird genau dahin zurück kehren. Genauso wie Zlatko vorher wohl KFZ-Mechaniker war und das wohl heute auch wieder ist. Dennoch glaube ich das beide lieber auf die Erfahrung verzichtet hätten. Das Land auch.

Llarian

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