Die bayrische Landesregierung teilte vorgestern überraschend mit, dass sie das Vorhaben des "Instituts für Zeitgeschichte" nicht mehr unterstützt, eine kommentierte Ausgabe von Hitlers Buch "Mein Kampf" vorzubereiten. Bislang hat sie eine halbe Million Euro dafür ausgegeben. Der Ministerpräsident Seehofer meinte dazu: „Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschließend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von „Mein Kampf“ - das geht schlecht.“ (siehe FAZ vom 11.12.2013.)
Die Veröffentlichungsrechte an "Mein Kampf" liegen nach allgemeiner Rechtsmeinung bei der bayrischen Landesregierung. Das Urheberrecht läuft allerdings am 31. Dezember 2015 ab, so dass dann jedermann den Text veröffentlichen darf.
Gegen solche eventuellen Neuausgaben will die Regierung vorgehen: "Das Buch sei volksverhetzend, sagte Staatskanzleichefin Haderthauer. Wenn Verlage das Buch in Zukunft veröffentlichen wollten, werde die Staatsregierung Strafanzeige stellen." (SZ vom 11.12.2013)
Die Publikation von Büchern zählt nicht zu den Aufgaben einer Regierung. Der bayrische Staat darf sich durchaus freuen, wenn er in zwei Jahren die Verantwortung für das Urheberrecht an "Mein Kampf" loswird. Eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe des Werks wäre sicher wünschenswert, sollte jedoch dem privaten Verlagswesen vorbehalten bleiben. Mehr als Forschungsförderung braucht der Staat nicht zu leisten. Insofern hat Seehofer schon recht mit dem "Staatswappen", welches nicht gerade auf "Mein Kampf" prangen sollte.
Die Ansicht seiner Staatskanzleichefin, bei jeglicher Veröffentlichung des Buches handele es sich um Volksverhetzung, zeugt hingegen von einem ebenso eigenartigen wie gefährlichem Rechtsverständnis.
Darin zeigt sich die Auffassung, daß Hetze nicht als die subjektive Absicht verstanden wird, mittels eines Textes gegen Teile der Bevölkerung zu Hass aufzustacheln, sondern dass die Hetze gleichsam dem Text an sich innewohnt, wodurch jede wie auch immer motivierte Veröffentlichung strafwürdig sei. Zwischen der Publikation im Jahre 1925 beim Parteiverlag der NSDAP mit der Absicht, Hetze zu betreiben, und einer kommentierten Herausgabe im Jahre 2016 durch einen Wissenschaftsverlag, mit der Absicht, ein historisches Dokument zugänglich zu machen, bestünde dann kein wesentlicher Unterschied: es wäre ja derselbe böse Text, der da gedruckt wird.
Wenn ein gedruckter Text an sich Hetze darstellt, dann wäre konsequenterweise die Aufstellung von solchen Texten in wissenschaftlichen Bibliotheken zu bestrafen. Auch einzelne hetzerische Äußerungen würden nicht mehr wörtlich angeführt werden dürfen, auf Treitschkes berüchtigten Satz zum Beispiel könnte dann nur noch in verschwommener Umschreibung Bezug genommen werden. Selbst Anklageschriften gegen Volksverhetzer würden die inkriminierten hetzerischen Äußerungen nicht mehr enthalten dürfen.
Niemand könnte sich mehr aus eigener Lektüre ein Urteil über solche Texte bilden, ohne gegen das Strafgesetz zu verstoßen. Wahrscheinlich will Frau Haderthauer das nicht. Doch kann man die Dinge ja nicht einfach laufen lassen. Irgendetwas muss die Regierung ja tun, und wenn sie das Buch nicht drucken will, dann muss sie es wohl verbieten.
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