8. Dezember 2013

Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten.


Die Klage über die Entsolidarisierung der Gesellschaft ist so alt wie die Kritik an der Marktwirtschaft (Kapitalismus). Zur Weihnachtszeit erreicht sie regelmäßig, gleichsam einer sozialen Gesetzmäßigkeit, ihren Jahreshöhepunkt.
Ausgerechnet in der Zeit des Jahres, wo jeder seine Verwandten beschenkt, wo die Familien zusammenkommen, auch wenn es manchem schwerfällt, wo man gemeinsam seine Verbundenheit zelebriert. Freiwillig.
Und vermutlich freuen sich die meisten auf diese besinnlichen Tage. Die einen verbindet religiöser Glaube, andere bindet einzig die Liebe zu ihren Nächsten.
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Neben diesem Jahreshöchststand der Entsolidarisierungsklage gibt es noch eine weitere proportionale Entwicklung: Die Klage steigert sich mit dem Ausbau des Sozialstaats.
Dieser erfährt gerade durch die geplante Neuauflage der Groko und ihrer Unwilligkeit die Rentenbeiträge wie es das Gesetz vorsieht zu senken, einen kräftigen Schub. Stattdessen werden die Rentenausgaben erhöht.
Da beschleicht einen der Verdacht, dass mit gesellschaftlicher Solidarität auch eine Umverteilung von der jungen zur älteren Generation gemeint sein könnte.
Zumal man dann von solch realitätsfremden Veranstaltungen wie die des vom BMBF initiierten Parlaments der Generationen erfährt.  

"Die Interessenunterschiede zwischen Altersgruppen sind weniger bedeutend als Interessenunterschiede innerhalb von Altersgruppen."

so Prof. Dr. Clemens Tesch-Römer in einer der wissenschaftlichen Auswertungen.
In einer Pressemitteilung vom 18.11.13 schreibt das Ministerium:
Jugendforscher haben herausgefunden, dass die jungen Menschen, die den demografischen Wandel in einigen Jahren deutlicher spüren werden, diesen mit großer Zuversicht sehen. 
Die junge Generation der CDU beispielsweise ist mit ihrer Zuversicht nicht ganz so großzügig. Sie sehen das Rentenpaket der Großkoalitionäre als Belastung für jüngere an.  Das mag daran liegen, dass einige von ihnen in Länderregierungen und echten Parlamenten wirken. 
Es ist deshalb eine Überlegung wert, denke ich, die beklagte Entsolidarisierung genauer zu betrachten, die umso größer zu werden scheint, je höher die Staatsausgaben für soziale Leistungen steigen. Und es ist interessant darüber nachzudenken, warum die Bundesregierung Probleme des demographischen Wandels in konstruierten Zukunftsparlamenten löst, anstatt dem politischen Nachwuchs zuzuhören.

Letztlich gehen Alarmisten und Ignoranten Hand in Hand. Die einen beklagen eine Entsolidarisierung, um sich nicht mit den unvermeidlichen Konsequenzen der demographischen Entwicklung befassen zu müssen und die anderen vermeiden dies, in dem sie die Bereitschaft der Jugend suggerieren, die nötigen Finanzmittel aufzubringen - auch wenn sie zahlenmäßig dazu voraussichtlich gar nicht imstande sein werden.


Solidarität bezeichnet lt.Wikipediaeine, zumeist in einem ethisch-politischen Zusammenhang benannte Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus.“ 
Nun ist es mit der Gesinnung so eine Sache, die kann sich auch ändern. Die Gedanken sind bekanntlich frei. Selbst wenn es Politiker vorhätten und versuchen würden: Kontrollieren können sie sie nicht. 
Zudem ist es ja gerade das Wesensmerkmal eines Individuums sich seine eigenen Gedanken zu machen. Das Solidarprinzip und seine Akzeptanz setzt nicht die Gleichschaltung der Gesinnungen der Bürger voraus. 
Jedenfalls nicht zwingend.
Es ist vor allem die Entscheidung solidarisch zu sein. Oder eben nicht.
Dies ist die Vorraussetzung um überhaupt feststellen zu können, wie solidarisch eine Gesellschaft ist.

Also die Freiwilligkeit des solidarischen Zusammenschlusses. Wird diese durch staatlichen Zwang außer Kraft gesetzt, ersetzen Gesetze und Verordnungen den Willen der Bürger zur Solidarität. Die Neigung zu unsozialem Verhalten kann sich so steigern, weil  die eigene Solidarität gar nicht mehr gefragt wird. 
Was haben die Bürger für eine Wahl, wenn sie sich weder für noch gegen die Solidarität in ihrer Gesellschaft entscheiden können? Wenn diese Entscheidung ihnen der Staat abnimmt – per Gesetz. 
Ob der Bürger solidarisch ist oder nicht entscheidet er dann nicht mehr. Das entwertet die gesellschaftliche Solidarität und hebt sie regelrecht auf. 

Was bleibt ist Ohnmacht. Ein Gefühl überrumpelt worden zu sein. Mitunter auch benachteiligt zu sein. Und das sucht nach einem Ventil. 
Als Angebot offerieren Politiker wie Sozialwissenschaftler die Umverteilung.
Mehr haben die meisten nicht drauf. 

Die Entsolidarisierung der Gesellschaft ist längst Geschichte. Sie begann, was Deutschland anbelangt, in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts und wurde in der ersten des 20.Jh. abgeschlossen. 

Was der Staat noch nicht per Gesetz zerstört hat, ist die Solidarität in der Familie – aber er arbeitet daran. 
Erling Plaethe


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