Nach den deutlichen Anlaufschwierigkeiten im April hatten die Kommunen die Eltern angeschrieben, um über die Leistungen zu informieren. Leyen kündigte an, dass künftig auch die Jobcenter verstärkt bei Hartz-IV-Empfängern nachfragen sollen, ob sie das Bildungspaket für ihre Kinder beantragt haben. Außerdem schlug die CDU-Politikerin vor, verstärkt Sozialarbeiter in die Familien zu schicken.
Aus einem Bericht des "Tagesspiegel" über eine Stellungnahme der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Umsetzung des "Bildungspakets". Anlaß war das gestrige Treffen der Ministerin mit Vertretern der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zu diesem Thema.
Kommentar: Kann man sich eine bessere Illustration unseres Sozialstaats vorstellen? Der normale Zustand zu allen Zeiten, in allen Gegenden der Welt war und ist es, daß Hilfsbedürftige sich bemühen, Hilfe zu erhalten. Im Deutschland des Jahres 2011 bemüht sich hingegen der Staat, Hilfsbedürftige dazu zu bringen, Hilfe anzunehmen.
Dieses sogenannte Bildungspaket - korrekter: gesetzliche Bestimmungen über Leistungen für Bildung und Teilhabe - war eine Reaktion der Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010.
Das Verfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber aufgetragen,
Was tun, wenn offenkundig die Bedürfnisse der zu Ansprüchen Berechtigten nicht so sind, wie der Gesetzgeber sie als Bedarf voraussetzt? Es gibt dann zwei Möglichkeiten.
Die nächstliegende ist, daß man das konstatiert und es dabei bewenden läßt. Der Staat bietet Hartz-IV-Empfängern einen Zuschuß an, wenn sie ihren Kindern Nachhilfe geben lassen wollen, wenn sie diese zum Musikunterricht schicken und ihnen Museumsbesuche ermöglichen möchten. Wenn die Eltern diese Bedürfnisse nicht haben, ist das ihre Sache. Ein Angebot kann man nutzen; aber man ist ja nicht verpflichtet, das zu tun.
Die zweite Möglichkeit ist es, daß man diese Renitenz der Berechtigten als eine Berechtigung des Staats interpretiert, ihnen ihre wahren Bedürfnisse klarzumachen. Indem zum Beispiel diejenigen, die ihren Kindern keine Nachhilfe und keinen Musikunterricht geben lassen wollen, Besuch vom Sozialarbeiter erhalten.
Die Auffassung, daß die Menschen im Kapitalismus ihre wahren Bedürfnisse gar nicht erkennen, sondern man ihnen diese erst klarmachen muß, war eine Hauptidee in der Bewegung der Achtundsechziger. Bemerkenswert ist, daß eine christdemokratische Ministerin einer christlich-liberalen Koalition diese Auffassung offenbar teilt.
Bemerkenswert ist es, daß sie ordentlichen Familien, die weder beim Jugendamt noch sonstwo auffällig geworden sind, allein deshalb Sozialarbeiter ins Haus schicken möchte, weil sie sich weigern, Geld anzunehmen, das ihnen der Staat aufdrängt.
Aus einem Bericht des "Tagesspiegel" über eine Stellungnahme der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Umsetzung des "Bildungspakets". Anlaß war das gestrige Treffen der Ministerin mit Vertretern der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zu diesem Thema.
Kommentar: Kann man sich eine bessere Illustration unseres Sozialstaats vorstellen? Der normale Zustand zu allen Zeiten, in allen Gegenden der Welt war und ist es, daß Hilfsbedürftige sich bemühen, Hilfe zu erhalten. Im Deutschland des Jahres 2011 bemüht sich hingegen der Staat, Hilfsbedürftige dazu zu bringen, Hilfe anzunehmen.
Dieses sogenannte Bildungspaket - korrekter: gesetzliche Bestimmungen über Leistungen für Bildung und Teilhabe - war eine Reaktion der Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010.
Das Verfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber aufgetragen,
... alle existenznotwendigen Aufwendungen ... in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.Zu diesem tatsächlichen Bedarf wurden bei der Verabschiedung des Bildungspakets die Ausgaben für Folgendes gerechnet:
Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum Alter von 24, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten, Ausgaben fürDas ist der Bedarf, von dem der Gesetzgeber meinte und das Arbeitsministerium glaubt, daß er bei den Empfängern von Hartz-IV-Leistungen, sofern sie Kinder haben, besteht. Es scheint aber, daß diese selbst ihren Bedarf anders wahrnehmen. Der "Tagesspiegel":Generell bei Minderjährigen:Schulausflüge und Klassenfahrten, persönlichen Schulbedarf an für den persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmten Schreib-, Rechen und Zeichenmaterialien wie Füller, Kugelschreiber, Blei- und Malstifte, Taschenrechner, Geodreieck, Hefte und Mappen, Tinte, Radiergummis, Bastelmaterial, Knetmasse tatsächliche Kosten für die Beförderung zu der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs Nachhilfe, wenn die Förderung geeignet und erforderlich ist, ein ausreichendes Lernniveau oder die Versetzung in die nächste Klasse zu erzielen und die vorhandenen unmittelbaren schulischen Angebote dafür nicht ausreichen Mittagsverpflegung in Kita, Schule und Hort. Beiträge für die Mitgliedschaft in Vereinen in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung, zum Beispiel Museumsbesuche Teilnahme an Freizeiten.
Am stärksten interessieren sich die Eltern bislang für den Zuschuss zum Mittagessen. Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetags unter 100 Städten sind für ein Drittel (33 Prozent) der Kinder entsprechende Anträge gestellt worden, gefolgt von Ausflügen und Klassenfahrten (23 Prozent). Nur fünf Prozent fragten Lernförderung für ihre Kinder nach (...).Über die Nachfrage nach Zuschüssen zu Musikunterricht und Museumsbesuchen, zu Spiel, Sport und Geselligkeit wird in der Meldung nicht berichtet.
Was tun, wenn offenkundig die Bedürfnisse der zu Ansprüchen Berechtigten nicht so sind, wie der Gesetzgeber sie als Bedarf voraussetzt? Es gibt dann zwei Möglichkeiten.
Die nächstliegende ist, daß man das konstatiert und es dabei bewenden läßt. Der Staat bietet Hartz-IV-Empfängern einen Zuschuß an, wenn sie ihren Kindern Nachhilfe geben lassen wollen, wenn sie diese zum Musikunterricht schicken und ihnen Museumsbesuche ermöglichen möchten. Wenn die Eltern diese Bedürfnisse nicht haben, ist das ihre Sache. Ein Angebot kann man nutzen; aber man ist ja nicht verpflichtet, das zu tun.
Die zweite Möglichkeit ist es, daß man diese Renitenz der Berechtigten als eine Berechtigung des Staats interpretiert, ihnen ihre wahren Bedürfnisse klarzumachen. Indem zum Beispiel diejenigen, die ihren Kindern keine Nachhilfe und keinen Musikunterricht geben lassen wollen, Besuch vom Sozialarbeiter erhalten.
Die Auffassung, daß die Menschen im Kapitalismus ihre wahren Bedürfnisse gar nicht erkennen, sondern man ihnen diese erst klarmachen muß, war eine Hauptidee in der Bewegung der Achtundsechziger. Bemerkenswert ist, daß eine christdemokratische Ministerin einer christlich-liberalen Koalition diese Auffassung offenbar teilt.
Bemerkenswert ist es, daß sie ordentlichen Familien, die weder beim Jugendamt noch sonstwo auffällig geworden sind, allein deshalb Sozialarbeiter ins Haus schicken möchte, weil sie sich weigern, Geld anzunehmen, das ihnen der Staat aufdrängt.
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