17. September 2007

Marginalie: Memoiren - wie schmeckt das Salz in der Suppe?

Memoiren schreibt, wer etwas erzählen möchte.

Unter anderem kann er endlich das erzählen, was er schon immer gern gesagt hätte - nur mußte er es runterschlucken, solange er noch aktiv war.

Unter anderem gehört dazu sein negatives Urteil über mächtige Zeitgenossen.

Maliziöses, nicht nur gegen einstige Gegner, sondern oft auch gerade gegen einstige Mitstreiter, findet man folglich in vielen Memoiren. Es ist das Salz in der sonst oft eher dünnen Suppe.



In dieser Woche erscheinen zwei Bände, die das illustrieren: In den USA die Memoiren von Alan Greenspan, langjähriger Präsident der Federal Reserve Bank, im Lauf der Jahre zu einem Denkmal seiner selbst geworden. In Frankreich ein Buch, wohl auch eine Art Memoiren, von Lionel Jospin, früherer sozialistischer Ministerpräsident, gescheiterter Präsidentschaftsbewerber, noch immer sehr einflußreich in der Sozialistischen Partei. Hübscher Titel: "L'Impasse" - "Die Sackgasse".

Die Vorausexemplare sind in beiden Fällen verteilt, die Berichte beginnen. Zu Greenspan berichtet unter anderem die "New York Times", zu Jospin der "Nouvel Observateur".

Beide berichten nicht über die Suppe, sondern über das Salz darin.

Die NYT informiert uns - siehe dazu hier - , daß Greenspan in seinen Memoiren "The Age of Turbulence: Adventures in a New World" ("Das Zeitalter der Turbulenz: Abenteuer in einer neuen Welt") Präsident Bush heftig kritisiert, dazu dessen Administration, dazu auch gleich noch die Republikaner im Kongreß.

Die Republikaner hätten ihre Prinzipien der Macht geopfert, als sie die fiskalische Disziplin aufgegeben hätten, und der Präsident habe sie nicht gestoppt. Sie hätten es - schreibt der alte Republikaner Greenspan - verdient, 2006 die Wahlen zu verlieren.



Was dem Greenspan sein Bush, das ist dem Jospin seine Ségolène Royal. Sie sei "eine Illusion", sie sei diejenige Kandidatin gewesen "die am wenigsten in der Lage war zu gewinnen". Sie habe sich in ein "narzißtisches Verhältnis mit der öffentlichen Meinung" eingekapselt.

Sie habe nicht verloren, weil sie eine Frau sei, sondern wegen ihrer "realen Unzulänglichkeiten". Sie sei eine Persönlichkeit, die "weder die menschlichen Qualitäten noch die politischen Fähigkeiten" habe, um die Ränge der sozialistischen Partei wieder zu schließen. Kurz, sie sei eine "sekundäre Figur des politischen Lebens".



Vor Tisch las man's anders - bei Greenspan wie bei Jospin. Jetzt servieren sie uns ihre Suppe, die gesalzene.

Freilich - wenn man, wie es die NYT tut, wie es der Obs tut, aus der Suppe sozusagen das Salz herausdestilliert und uns dessen Geschmack als den der Suppe anbietet, dann ist das irgendwie auch keine sehr faire Restaurant- Kritik.

Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.