1. Oktober 2024

Die Erfurter Schmierenkomödie oder der Zustand einer ehemaligen Volkspartei

Zugegeben: Selbst dieser Autor ist zunächst ein wenig darauf hereingefallen. Der Eklat im Erfurter Landtag von letzter Woche erschien von beiden Seiten gewollt und herbei geführt. Die AfD klammert sich an eine Geschäftsordnung, um ihr Gesicht zu wahren und die selbstidentifizierten Demokraten gönnen der AfD nicht die Butter auf dem Brot und wollen mit ihrem ersten Antrag der AfD direkt zeigen wer Koch und wer Kellner ist. Kindergarten eben.


Bis dann ein paar recht selbstsame Zufälle auftauchten, die die ganze Komödie in einem etwas veränderten Licht zeigen. Die wirklich unrühmlichste Rolle fällt dabei der CDU zu, die den Konflikt im Landtag von den ersten Minuten an maximal suchte. Was zunächst den Eindruck machte eine spontane Aktion zu sein, erwies sich bereits einen Tag später als gezielte Handlung. Die CDU hatte bereits am davorliegenden Mittwoch ein Rechtsanwaltsbüro mit der Vertretung vor dem Thüringer Verfassungsgericht beauftragt, mithin ein eindeutiger Beleg dass die scheinbar so spontane Eskalation nicht ein bischen spontan gewesen ist sondern vorbereitet. Anders gesagt: Es war Schauspielerei, die Empörung und Aufregung eingeübt und vorgetäuscht. Auch die Provokation (der eigentliche Tiefpunkt des vergangenen Donnerstags) den zweitältesten Abgeordneten dazu aufzufordern die Sitzungsleitung an sich zu reissen (übrigens ausgestossen von Andreas Bühl, CDU), erscheint da in einem völlig neuen Licht.

Man muss von Glück sagen, dass das schief ging, mithin wäre das nicht weniger gewesen als ein Putsch und Thüringen hätte vor einer waschechten Verfassungskrise gestanden, die selbst das handzahme Verfassungsgericht nicht wieder hätte auflösen können, ohne sich vollkommen der Lächerlichkeit preis zu geben. Wobei das Gericht dann der zweite interessante Aspekt ist, denn keiner der Angehörigen sah auch nur das geringste Problem darin, dass diverse Gerichtsmitglieder und insbesondere der Präsident des Gerichtes selber einer der antragstellenden Parteien angehörte. Man fragt sich wie Befangenheit aussehen kann, wenn das keine darstellt. Auch das es das Gericht schaffte in nur einem Tag eine Begründung aus mehreren Dutzend Seiten heraus zu bringen, die wunderschön klingt, nur mit keinem Wort auf die Einwände der Gegenseite eingeht, ist schon eine erstaunliche juristische Leistung. Vermutlich hat die Zeit nicht dafür gereicht, wohl aber für eine völlig nichtssagende Litanei, die in keiner Weise das Problem eines nicht konstituierten Parlaments aufgreift. Keinesfalls soll damit gesagt werden, dass wenn die CDU bereits den Eklat vorher plante, eventuell der eine oder andere Parteifreund am Gericht davon wusste, denn das liesse sich kaum beweisen. 

Aber damit nicht genug. Das wäre nur eine normale Schmierenkomödie, wie man sie noch aus Zeiten von Roland Koch und der Hessen-CDU kennt. Peinlich, aber nicht unbedingt neu.
Nein, richtig schmutzig wir das Ganze erst im Lichte des nun Anfang dieser Woche losgetretenen Verbotsverfahren gegen die AfD, von keinem geringeren initiiert als von Marco Wanderwitz, seines Zeichens CDU Mitglied und Intimfeind der AfD (insbesondere seit diese ihm seinen Wahlbezirk abgenommen hat). Es ist nicht schwer dahinter zu kommen, dass die ganze Scharade vor allem dem Zweck diente, eben jenes Verbotsverfahren mit weiterer Munition zu versorgen. Die AfD sollte provoziert werden irgendetwas zu tun, was sich in diesem Verfahren verwenden liesse.

Und das ist schon ziemlich widerlich. Nicht nur menschlich abstossend zeigt es auch das, was aus der CDU inzwischen geworden ist. Dass man es unter Corona mit Verfassungsprinzipien und Grundrechten bei der CDU nicht so genau nahm ist ein Skandal für sich, aber vielleicht würde man das eine oder andere Verhalten wenigstens etwas relativieren können, wenn man unterstellte, dass der eine oder andere den Lauterbach-Blödsinn wirklich geglaubt hat. Aber hier wird eindeutig gezeigt, dass die CDU keinerlei Respekt vor den Prinzipien von Demokratie, Parlamentarismus und Rechtsstaat mehr hat. Stattdessen versucht sie eine Schmierenkomödie zu inszenieren, um ihren schärfsten politischen Konkurrenten zu verbieten. In der Welt des Fußballs würde man von einer gezielten Schwalbe sprechen, mit dem anschließenden Einbrüllen auf den Schiedsrichter er möge eine rote Karte vergeben. Oder anders gesagt: Nicht eine einfache, sondern eine grobe Unsportlichkeit. 

Ob das Ganze eine Folge von 15 Jahren Merkel-Herrschaft ist, sei dem Leser als Übung überlassen, das ausgerechnet Wanderwitz, ein Merkelianer ersten Gusses das Ganze anführt, erscheint zumindest nicht wirklich zufällig zu sein. Was damit aber offensichtlich wird, ist, dass man sich die Hoffnung, dass die CDU noch die Kurve bekommt und wieder zu einer geruhsamen, konvervativen Kraft werden könnte, schlicht nur noch illusorisch ist. Solches Gebahren ist einer konsertvativen Partei ebenso schlicht unwürdig. Es ist schon eine Absurdität sondergleichen: Mit der Sozialisierung der SPD verschwand in Deutschland die letzte sozialdemokratische Partei, mit Christian Lindner verschwand die liberale und nun ist mit der CDU auch die letzte konservative verschwunden. Man hat nur noch die Wahl zwischen rechter und linker Macht. 
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Llarian

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