8. Februar 2024

Wo ist die Grenze? Eine Nabelschau und ein Gedankensplitter

Die nun glücklicherweise wirklich zurück liegende Corona-Zeit ist bis heute ein nicht aufgearbeitetes Thema. Und vermutlich wird sie schon alleine aufgrund politischer Macht-Interessen auch nie so richtig aufgearbeitet werden, zumindest nicht im Rahmen der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre. Neben den politischen Interessen glaube ich aber inzwischen, dass es einen weit bedeutenderen Punkt gibt, aufgrund dessen die Zeit nicht aufgearbeitet werden kann und das ist Scham. Und das will ich erklären.

Das die Gesellschaft während der Corona-Zeit gespalten wurde ist selbst unter den härtesten Verfechtern von Maßnahmen, Impfungen und Lockdown akzeptierte Realität. Mithin wird zwar heute bestritten, dass es überhaupt einen Lockdown gegeben hätte (den Schießbefehl an der DDR Grenze hat man ja auch nie so richtig gefunden und wer weiß, ob der Führer am Ende von dem wusste, was in KZs vor sich ging), aber die gesellschaftliche Spaltung selber steht eigentlich nicht in der Diskussion.

Wie diese Spaltung geführt wurde ist ebenso kaum ernsthaft zu diskutieren, die einschlägigen Zitate, Interviews und Artikel sind alle irgendwo archiviert und wie wir alle wissen, vergisst das Internet eher weniger, egal wie peinlich das den Akteuren von damals heute ist. Sarah Bosetti kann ihre Verklärung von Menschen zum Wurmfortsatz nicht aus der Welt schaffen, Walter der Spalter kann seine Verunglimpfungen als Nazis nicht aus dem Netz löschen, Dutzende wenn nicht hunderte von "Medienschaffenden" können die Hetze, die sie ausgeschüttet haben nicht rückgängig machen. So peinlich die ihnen heute sein dürfte (es kann nicht die ganze Welt aus Welkes und Böhmermännern bestehen, denen am Ende rein gar nichts mehr peinlich ist). 

Nun, das ist am Ende Geschichte, heute will es keiner mehr so richtig gewesen sein, und irgendwie (oder wie auch immer) hatten es die Ungeimpften und Querdenker ja auch verdient. Natürlich weiß man heute, dass die Verbreitung von Corona durch keine Impfung beeinträchtigt wurde und das insofern die ganze Spaltung mal ab von der Spaltung selber keinem medizinischen Zweck diente, aber irgendwie waren die Ungeimpften halt trotzdem irgendwie doof, haben sie sich doch geweigert das mitzumachen, was die breite Mehrheit doch ertragen hat. Der Scholzomat hat es in einem seiner wenigen lichten Momente ja sehr treffend angesprochen, als er ausdrückte die Geimpften seien ja nun lange genug die Versuchskaninchen gewesen und nun sollen doch auch andere dran sein. Und welches Versuchskaninchen will schon alleine sein, bzw. andere vom Haken lassen? Wenn ich den Mist ertrage, dann Du doch auch! Und das die Ungeimpften heute von den zehntausenden von nicht existierenden Imfnebenwirkungen verschont bleiben, das macht ja nur noch mehr wütend und zeigt doch eigentlich erst, was für böse Menschen das waren. 

Fast unabhängig davon ob man den Grund für die Spaltung als berechtigt betrachtet, so muss man doch sehen, dass die Spaltung sich im Laufe von 2022 noch einmal massiv verstärkt hat mit einer klaren Tendenz zur Eskalation. Und diese ganze Spirale fand ihr Ende erst mit der Akzeptanz der Erkenntnis dass die Omikron Variante als "schmutzige Impfung" das einhielt, was die Gen-Spritze gerade nicht konnte, sie verschaffte Immunität und stoppte die letaleren Varianten. Damit war die Spaltung nicht beendet, aber mithin zunächst nicht weiter vertieft. Politisch wurde zwar weiterhin versucht mit Panikmache und Booster das Spiel zu verlängern, aber es wurde nicht mehr angenommen und schlief dann irgendwann ein.

Auch das ist Geschichte. Und jetzt gehen wir einmal in den Bereich des fiktiven: Nehmen wir für einen Moment an, es hätte erst einmal noch keine Omikron Variante gegeben sondern der Alpha- und später Deltatyp wäre erst einmal dominant geblieben. Die Politik war in ihren eigene Intrigen gefangen, sie konnte dem Volk schlechterdings erklären, dass die ganzen Maßnahmen auf das Virus praktisch keinen Einfluß hatten, während sie das Land zunehmend zerstörten. Was wäre dann mit der gesellschaftlichen Spaltung passiert? Die Zeichen standen damals schon auf Sturm: Die allgemeine Impfpflicht war nur knapp gescheitert (trotz aller FDP Stimmen dafür), ein paar mehr aufgeblasene Schockbilder  ala Bergamo und die Stimmung hätte sich weiter angeheizt. In Australien wurden bereits Lager gebaut für "Unkonforme", die sich weigerten sich impfen zu lassen, in Deutschland wurden Soldaten auch nach jahrelangen Karrieren unehrenhaft entlassen, weil sie den Spaß nicht mitmachen wollten. Im Pflegedienst wurden tausende von Mitarbeitern nur deshalb nicht entlassen, weil wir einen absoluten Pflegenotstand erleben, die Mitarbeiter wurden aber nicht gerne behalten sondern rein in der Not noch irgendwie geduldet.

Was wäre als nächstes gekommen? Eine Impfpflicht für Schulkinder vielleicht? Arbeitsrechtliche Konsequenzen für Ungeimpfte? Rauswurf aus Kindergarten, eingetragenen Vereinen, Ehrenämtern oder vielleicht der Kirche? Ausgehverbote auch über den Tag, das Verbot Supermärkte zu betreten, die Abschaffung von Kontrahierungszwängen für Ärzte, Transportunternehmen und Banken? Auf der offenen Klaviatur des Totalitarismus ist da sehr viel möglich und alles andere als "undenkbar". Wenn die deutsche Politik offen darüber debattiert, dass Geimpfte ihre Grundrechte "schneller zurück erhalten" sollen als Ungeimpfte, dann ist der Schritt zur dauerhaften Abschaffung für Ungeimpfte nicht nur nicht weit sondern fast kanonisch. Im Jahr 2022 waren die Ungeimpften der perfekte Sündenbock für den massiven Schaden, den der Staat in seinem Wahn nach Macht und Kontrolle, immer weiter vergrößerte. Es gibt wenig Gründe anzunehmen dass bei einer weiteren Vergrößerung des Schadens nicht der Sündenbock mehr hätte herhalten müssen. 

Jetzt hatte ich eine sehr interessante Diskussion mit einem unserer Zimmermänner über private Nachrichten. Und eine wichtige Frage, die ich ihm gestellt habe ist die: Wie lange hätten Sie mitgemacht? Und den Kontext will ich erläutern:

Ich bin 2022 auf diversen Demos gegen den Irrsinn gewesen. Genauso wie viele andere auch. Aber eben wie auch noch mehr andere eben nicht. Wir waren damals eine deutliche Minderheit, aber eben nicht nur deswegen, weil wir persönlich nicht gespritzt werden wollten, sondern auch deshalb, weil wir die Entwicklung gesehen haben, die wir nicht wollten. Wir haben damals ebenso wie wir gegen die Genspritze demonstriert haben, auch gegen die Abschaffung des Rechtsstaates und der Grundrechte demonstriert. 

Und ich frage heute auch Sie, lieber Leser: Wie lange hätten Sie, so sie nicht dabei waren, daneben gestanden? Ich finde das eine sehr wichtige Frage: Heute bildet sich jeder zweite ein, er wäre unter Adolf ein Widerstandskämpfer gewesen, eine zweite Sophie Scholl, ein zweiter Georg Elser oder ein Stauffenberg. In völliger Arroganz und Überheblichkeit marschieren heute die linken Horden durch Innenstädte und tun so, als seien sie Widerstandskämpfer gegen eine braune Obrigkeit, die ihnen nach dem Leben trachtet, weil sie demonstrieren gehen. Was bei Licht betrachtet totaler Quatsch ist, denn diese Leute vertreten eine breite Mehrheit der Medienöffentlichkeit und Politik, es sind Demonstrationen für(!) die Obrigkeit und nicht dagegen. 

Aber gegen die Obrigkeit? Ab welcher Maßnahme gegen die "Ungeimpften" wären Sie, lieber Leser, aufgestanden und hätten gesagt: "Ich mache nicht mehr mit!" und "Ich stelle mich jetzt dagegen und gehe auf die nächste Demo!" ?
Wann? Wären Sie aufgestanden, wenn man uns interniert hätte? Uns die Reisepässe genommen hätte, damit wir nicht mehr wegkommen? Uns unsere Existenz, unsere Ersparnisse, unsere Häuser genommen hätte? Unsere Kinder? Wann wären Sie aufgestanden? 

Stellen Sie sich diese Frage unbedingt und dann denken Sie noch einmal darüber nach, ob Sie zum Widerstand taugen würden. Sophie Scholl, um ihr die Ehre zu erweisen, ist aufgestanden in vollem Bewusstsein, dass sie das nicht nur das Leben kosten könnte sondern mit ziemlicher Sicherheit auch kosten würde. Im Deutschland von 2022 sind die Menschen nicht einmal aufgestanden, wenn das Risiko bestand beschimpft oder bepöbelt zu werden. Wie wahrscheinlich wäre es, dass so viele aufgestanden wären, wenn man die Ungeimpften wirklich abgeholt, enteignet oder anders weiter entrechtet hätte?

Ich sage es ganz brutal, auch auf die Gefahr nicht nur einen der wenigen mir verbliebenen Leser schwer zu verärgern: Aus meiner Sicht hat die deutsche Gesellschaft 2022 großflächig versagt, als sie es zuliess, dass eine Minderheit ihrer Rechte beraubt wurde, bepöbelt wurde, angeprangert wurde, als ihnen die Menschlichkeit abgesprochen wurde. Und ich glaube nicht daran, dass sich 2023 daran etwas geändert hätte, wenn es noch schlimmer geworden wäre. Die meisten Leute sind eben keine Widerstandskämpfer, keine glühenden Anhänger der Grundrechte anderer, keine Verteidiger von Minderheiten und Andersdenkenden. Sie sind das genaue Gegenteil: Mitläufer, Konformisten, die sich gerne von der Hetze anstecken haben lassen, damit sie irgendwie mit ihrer Angst umgehen konnten.

Und ich glaube ebenso, dass nicht wenige Bürger dieses Landes, auch wenn sie selber vielleicht niemanden bepöbelt haben, sich dieses Umstandes irgendwie, und sei es nur latent, bewusst ist. Und sich dessen schämt. Denn nichts ist schlimmer als wenn das eigene Bild von sich selber so ins Wanken gerät. Warum habe ich da mitgemacht? Warum habe ich nichts dagegen getan? Und dann will ich auch nicht drüber reden. 

Unabhängig davon wie man das persönlich bewertet ist der Mechanismus aber absolut fatal: Ohne die Möglichkeit unser eigenes Verhalten kritisieren zu können sind wir dazu verurteilt den Fehler zu wiederholen. Und derzeit laufen in der Politik Bestrebungen den Testlauf von 2021/22 auf weitere Gruppen auszudehnen. Derzeit sind es "die Rechten", die ja laut Walter dem Spalter, im Wesentlichen Ratten sind, und wer wollte schon solidarisch mit einer Ratte sein? Analog zu den Querdenkern, die ja irgendwie schuld an der Pandemie sind, sind es halt demnächst die Ratten In Menschengestalt, die schuld daran sind, dass sich immer mehr Flüchtlinge in die Kriminalität verirren. In einem Land, wo man ernsthaft verkaufen kann die Massenvergewaltigung von jüdischen Frauen und das Verbrennen von Babys in Backöfen sei ein Akt des Widerstandes, ist der Schritt nicht besonders dramatisch. 

Und so stellt sich die zweite Frage, lieber Leser: Nicht nur "Wie lange hätten Sie mitgemacht?" sondern eben auch: "Wie lange werden Sie mitmachen?"

Llarian

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