20. Januar 2024

Das Spiel mit dem Feuer. Ein Gedankensplitter.

Vor einigen Wochen hatte ich einen Artikel begonnen, der sich mit der derzeitigen Situation in den USA beschäftigt und die Frage stellt, ob die Amerikaner auf dem Weg in den Bürgerkrieg sind. Denn auch wenn das erst einmal dramatisch (oder dramatisiert) klingen mag, so ist vielen amerikanischen Linken vermutlich nicht bewusst (oder es ist ihnen egal) welche Folgen es haben würde, wenn sie die Wahl von Donald Trump rechtlich zu verbieten suchen.

Nun haben wir eine zunehmend ähnliche Situation in Deutschland, noch nicht so zugespitzt wie in den USA, aber auch hier sind sich viele Linke so gar nicht darüber bewusst mit welchem Feuer sie da eigentlich spielen und was die Folgen ihres politischen Husarenlaufes am Ende gut sein können.

Der findige Leser wird es schon erraten haben, es geht um das potentielle Verbot der AfD. Denn neben dem üblichen Kesseltreiben gegen die AfD kann man zunehmend den Eindruck haben, dass zumindest in medialen, linken Kreisen (sprich: ÖR, neues Süddeutschland, Spargel oder ähnliche Revolverblätter) zunehmend Testballons gestartet werden wie Politik aber vor allem Öffentlichkeit mit dem Thema umgehen. Diese linke Taktik ist durch die letzten zwei Jahrzehnte ziemlich gut erprobt: Man schlägt etwas geradezu irrwitziges vor und wenn sich kein Geschrei ergibt, so macht man erst einmal weiter, gibt es Geschrei, so wird das Thema einfach ein paar Jahre bis zum nächsten Versuch verschoben.

Es gibt (mindestens) zwei Dinge, die sich an diesem politischen Konstrukt der Betrachtung lohnen: Der eher sekundäre Teil ist die Absurdität der Idee an sich. Sieht man sich Programm und Forderungen der AfD an, so erscheint ein Verbot in sich abstrus zu sein. Die Grünen verfolgen, was Systemveränderungen angeht, ein weit radikaleres Programm, die SED möchte von vorneherein die komplette Grundordnung überwinden. Inhaltlich kann man das Verbot der AfD praktisch nur damit begründen, dass sie im Widerspruch zum linken Mainstream steht, der sich spätestens seit dem Kabinett Merkel III fest etabliert hat. Das das keine echte Basis sein kann ist eigentlich jedem bewusst, der auch nur im mindesten über ein minimales Maß an politischer Bildung verfügt (leider eine Minderheit in Deutschland), aber man muss zugeben, dass unter Harbarth inzwischen alles möglich ist bis zum offenen Aufruf zur Klimadiktatur. Man darf sich keine Illusionen machen, weder dieser Mann noch die anderen durch die letzten Jahre inthronisierten Verfassungsrichter werden selbige schützen, das haben sie während der Corona Jahre glasklar deutlich gemacht. Insofern besteht tatsächlich die Möglichkeit eines solches Verbotes, wen Grundrechte schon nicht interessieren, der macht auch vor dem demokratischen Prinzip  nicht halt.

Der zweite Punkt ist aber weit bedeutender: Es hat in der BRD bisher fünf reale Verbotsverfahren gegeben: Zwei erfolgreiche gegen die SRP und KPD vor gut 70 Jahren, ein gescheitertes gegen die NPD vor 20 und knapp 10 Jahren, und zwei erfolgreiche gegen die FAP und die NL, allerdings mit dem Umweg über das Vereinsrecht, da man ihnen schlicht die Parteieigenschaft absprach. Diesen fünf Verboten (oder eigentlich vier) ist eines gemeinsam: Es waren vergleichsweise Randgruppen. Keine dieser Gruppen war je ernsthaft in der Nähe politischer Macht oder breiter Unterstützung. Die KPD hatte zum Zeitpunkt ihres Verbotes eine bundesweite Unterstützung von weniger als drei Prozent, die FAP nicht einmal eines. Die noch stärkste der oben aufgezählten Gruppen ist/war die NPD und selbst denen sprach das Verfassunsgericht noch vor wenigen Jahren die ernsthafte Gefährdung der Ordnung ab, eben weil sie so unbedeutend ist. Am Ende handelt es sich bei all den Gruppen und den meisten ihrer Wähler um gesellschaftlichen Bodensatz, oder, wenn man nicht ehrabschneidend sein möchte, um reichlich marginalisierte Bevölkerungsteile.

Anders gesagt: Ein Verbot bewirkt da wenig dramatisches, weil die Wähler ohnehin marginalisiert sind und ohnehin, zumindest in Teilen, nie auf dem Boden der Verfassungsordnung gestanden haben. Sieht man sich beispielsweise die FAP an, so kommt man nicht umhin zu bemerken, dass es sich dabei um echte(!) Neonazis gehandelt hat, keine denen die Linke das an die Backe genäht hat, sondern Leute,die ganz offen dazu gestanden haben. Und da wir wohl alle davon ausgehen dürfen, dass sich die Haltung eines Neonazis kaum mit einem positiven Verhältnis zur Verfassungsordnung in Einklang bringen lässt, ist der "Verlust" in dem Sinne kaum vorhanden. Jemand der vorher bereits die Ordnung abgelehnt hat, wird im maximalen Falle in seinen Ansichten bestätigt, aber das isses dann auch.

Heute liegen die Dinge anders: Die AfD schickt sich derzeit an von bald einem Viertel(!) der Wähler gewählt zu werden. Einem Viertel! Das sind doppelt so viele wie die medial omnipräsenten Grünen je zustande gebracht haben, mehr als die SPD seit Jahren zusammen bringt. In den neuen Bundesländern reden wir schon von einem Drittel und es besteht die reale "Gefahr", dass die AfD demnächst einen Ministerpräsidenten aus eigener Kraft stellt. Das ist keine Randgruppe mehr sondern eine massive(!) gesellschaftliche Bewegung.

Jetzt kann man die natürlich alle zu Nazis zu erklären (wie das ein Klingbeil, Lindh oder andere solche Experten dann tun). Man kann theoretisch auch die AfD verbieten (siehe oben: Harbarth steht bereit). Aber welche Konsequenz hat das denn? Gehen dann die ganzen AfD Wähler nach Hause und wählen morgen brav die "etablierten" Parteien? Oder gehen die gar nicht mehr wählen? Sehen die in den Spiegel und überlegen sich: "Okay, habe ich was falsch gemacht. Das mache ich nicht wieder."
Nein, das machen die alles nicht. Die ballen die Faust in der Tasche (und vielleicht nicht nur da). Denn was man gerade getan hat, ist, ihnen die demokratische Teilhabe verweigert zu haben. Und das ist etwas ganz anderes das bei einem marginalisierten Prozent zu tun als bei einem signifikanten Teil der Bevölkerung. 

Nun ist die Situation in Deutschland nicht ganz so explosiv wie in den USA. In den USA versuchen die "Demokraten" (der Begriff fällt schwer angesichts dessen, was derzeit von dort kommt) derzeit die Hälfte der Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben. Dummerweise ist das die Hälfte der Bevölkerung die ziemlich gut bewaffnet ist und ob sich das am Ende anders nieder schlägt wird man noch sehen. Aber auch in Deutschland ist es alles andere als eine gute Idee ein Viertel der Bevölkerung oder noch mehr aus dem demokratischen Konsens auszuschliessen. Denn genau dieses Wort ist das Problem: Wir leben in einem demokratischen Konsens. Nicht in einer Diktatur (auch wenn so mancher Grüne davon träumt). Dieser Konsens ist die Grundlage(!) unserer Gesellschaft. Genauso wie die Wahrnehmung der Staatsgewalt gegenüber Gewalttätern die Grundlage(!) des Landfriedens ist. Ist das nicht mehr gegeben ist der Landfrieden aufgekündigt. Und ist der demokratische Konsens nicht mehr gegeben ist damit auch die Demokratie aufgekündigt.

Man kann gar nicht betonen wie dramatisch das am Ende ist. In der Phantasie von Helge Lindh oder Walter dem Spalter mag es in Ordnung sein einen Teil der Bevölkerung zu unterdrücken, aber die Geschichte lehrt uns das eine solche Gesellschaft nicht stabil funktioniert. Schon während der Corona-Zeit wurde der gesellschaftliche Frieden aufgekündigt. Mit einem Schaden der nicht in einer Generation repariert werden kann. Um nur meine persönliche Sicht dazu einzubringen: Ich bin mit der BRD fertig. Ich lebe noch hier (rein aus monetären Gründen) und beachte sicher auch die Gesetze (ich bin ja auch nicht blöde), aber ich habe nichts patriotisches mehr in mir. Oder anders gesagt: Wenn die Leute mit der Mistgabel kommen und ihre Galgen aufstellen stehe ich nicht mehr im Weg. Das mag in sich lächerlich klingen: Was kann der dumme Llarian schon tun? Aber die Antwort ist ebenso lächerlich: Nichts mehr. Aber dieses nichts hat Folgen. Nicht weil ich nichts tue. Sondern weil Millionen dies auch nicht tun. Diktaturen funktioniert nicht halb so gut wie Demokratien. Sie sind scheusslich instabil, sie produzieren nur selten echtes Wachstum, sie sind nicht innovativ und sie tendieren zu Korruption, Verbrechen und  Chaos. 

Und es wird nicht funktionieren. Deutschland ist was Böden, Lage und Klima angeht, ein ziemlich gesegnetes Land. Aber das isses auch schon: An Bodenschätzen ist es inzwischen sehr übersichtlich geworden, natürliche Energie wie in Norwegen oder Schweden ist nur wenig vorhanden und teuer zu ernten. Der Grund für den Erfolg der deutschen Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg lag nicht in den Vorraussetzungen des Landes. Sondern in seiner Konsensgesellschaft. Es war die rheinische Republik mit ihrer demokratischen Teilhabe, ihren checks and balances (auch wenn man das hierzulande nicht so nannte), ihrem Streben nach einer besseren Zukunft, die das Land ermöglichte, dass wir seit den sechziger Jahren erlebt haben. Ein reiches Land das aus der Armut der Nachkriegszeit zu einer führenden Wirtschaftsnation wuchs. Das war kein Selbstläufer, wie man an zig anderen Beispielen sehen kann. Und genau DAS ist es, was in den letzten Jahren massiv beschädigt und, wenn es nach dem Willen der Grünen und ihrer linken Verbündeten geht, derzeit zerstören. Und ein AfD Verbot wird genau das zementieren. Wir haben in der DDR gesehen wie gut eine Diktatur auf deutschem Boden funktioniert. Nämlich gar nicht. Die DDR lebte von Anfang an von der Substanz und dem was der Westen schuf. Eben weil Menschen in einer Diktatur genau das tun was ich oben beschrieb: Gar nichts. Sie strengen sich nicht an, sie interessieren sich nicht für das große Ganze, sie stützen nicht die Gesellschaft, sie bekommen keinen Nachwuchs, sie ziehen sich immer weiter dahin zurück, wo die Diktatur sie nicht erreichen kann. 

Letzte Anmerkung: Nach der Corona-Diktatur gab es einen interessanten Effekt: Umso offenkundiger der Schaden wurde, umso mehr ducken sich die Verantwortlichen weg: Von Drosten über Buyx bis zu Lauterbach himself. Alle wollen es nicht gewesen sein, der Schaum ist vom Mund gewischt und so hat man das alles nicht gemeint. Das wird auch passieren wenn das deutsche Gemeinwesen zusammen bricht. Das hat man alles so nicht gemeint und nicht gewollt. Und eigentlich sind ja auch die anderen schuld: Nicht eine Bosetti ist für das Gift verantwortlich, dass sie gesprüht hat, nein, es sind die Opfer ihrer Attacken die eigentlich schuld sind. Nicht Merkel ist schuld an der Spaltung der Gesellschaft, es sind die Abgespaltenen, die schuld sind. Und nicht die Linken werden dafür verantwortlich sein, wenn der demokratische Konsens zusammen klappt, nein, die AfD wird schuld sein. Dieser Fehler ist nicht neu und seit mehr als 30 Jahren teil von Deutschland. Es war ein riesiger Fehler nach dem Zusammenbruch der DDR die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Und genau so ist es ein Fehler nach dem Ende der Corona-Diktatur die Verantwortlich einfach weiter machen zu lassen. Es ist kein Wunder, dass sich die nächsten Totalitären aufmachen, sie haben wenig zu befürchten.

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Llarian

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