23. Dezember 2019

Boeing Starliner


(Landung der Starliner-Kapsel am frühen Sonntagmorgen, 7:58 Uhr Ortszeit auf der White Sands Missile Range in New Mexico.)

Vor fast exakt drei Jahren wurde an dieser Stelle über die Existenz des "Großen Galaktischen Ghuls" berichtet, dessen Atzung in den letzten 55 Jahren aus den Raumsonden der Erdlinge besteht; und zwar ausschließlich solcher, deren Destination der rote Nachbarplanet Mars ist.. Eine ähnliche Mutmaßung könnte seit ein paar Monaten einen frivol gestimmten Betrachter ankommen, der die aktuellen Entwicklungen im Bereich der bemannten Raumfahrt verfolgt. Der Plot dieser Plotte hat in den 1950er Jahren diversen Science-Fiction-Romanen der fünfziger Jahre Anwendung gefunden: die Menschheit (was in diesem Fall stets "die Amerikaner" meint) steht kurz davor, in den Weltraum aufzubrechen, die Raketen sind entwickelt, die Raumfahrer trainiert und nervengestählt - doch im letzten Moment versagen die Systeme, die Trägerraketen explodieren, und dies nicht nur einmal. Und dahinter stecken nicht, wie zunächst gemutmaßt, die Roten von jenseits des Eisernen Vorhangs (sonst wären wir nicht im Bereich der Science Fiction, sondern des Agententhrillers: "My name is Bond, James Bond..."), sondern die Grünen, die kleinen grünen (oder sonstwie gefärbten) Wesen von jenseits des Sonnensystems, die die Menschheit am Aufbruch in die galaktischen Weiten zu hindern gedenken. (Diese Sabotage konnte in der Regel auf zwei Weisen erfolgen: zum einen durch "mentale Kontrolle", im Sinne des "Manchurian Candidate"; oder indem "sie" unter uns sind und, als Terrestrier verlarvt, als Teilnehmer der Ingenieursteams - ihre Kenntnis von Astronomie und Zukunftstechnik ermöglichte ihnen das - handfest Hand anlegen konnten. Der erste derartige Alien-Saboteur findet sich übrigens im Oeuvre eines deutschen Autors, nämlich in der Erzählung "Der Marsspion" von 1908 des Schriftstellers Carl Grunert (1865-1918), die seiner vierten und letzten Sammlung von "Zukunftsnovellen" den Titel gab.)

Achteinhalb Jahre nach dem letzten Flug eines Space Shuttle, der Mission STS-135 der Raumfähre "Atlantis", verfügt die führende Raumfahrtnation von Sol III immer noch nicht über die Möglichkeit, Raumfahrer in die Umlaufbahn und darüber hinaus zu befördern, auch nicht zum ständigen Außenposten ISS (die am 2. November des nächsten Jahres seit 20 Jahren beständig bemannt sein wird); die Versorgungsdienste übernehmen zwar neben den russischen Progress-Kapseln die vom südjapanischen Weltraumbahnhof Tanegashima startenden HTV-Transporter (mit acht >Einsätzen seit 2009) und der "Dragon" von SpaceX, aber während der letzten 8 Jahre haben die russischen Sojus-Kapseln (deren Design sich in den letzten 52 Jahren nicht wesentlich verändert hat) den Transport der Besatzungmitglieder allein gelistet. Seit Jahren arbeiten vier Firmen in den Vereinigten Staaten an der Entwicklung und Herstellung von bemannten Transportsystemen; bei allen steht die Endphase der letzten Tests und der tatsächlichen Erprobung im Jungfernflug zumindest in absehbarer Nähe. Und...voilà.

Dabei muß von der letzten Zahl ein kleiner Abstrich gemacht werden. Die "New Glenn", von der Firma des Amazon-Gründers und -chefs Jeff Bezos Blue Origin zum Schnäppchenpreis von einigen Milliarden Dollar entwickelt, dient nicht dem "wirklichen" Raumflug. Das System ist dazu gedacht, wie die "Virgin Galactic" zahlende Touristen mittels Parabelflug für ein paar ausgedehnte Minuten schwerelos "an die Grenze des Weltraums" zu befördern - so wie es das Raketenflugzeug X-15 in dem 1960er Jahren für die US Air Force tat. Die "New Armstrong", die als vollwertiger Booster eine Nutzlast (bemannt oder nicht) in die Umlaufbahn befördern könnte, ist bislang eine reine Ankündigung geblieben. Das SLS, das Space Launch System, das direkt im Auftrag der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA als Trägersystem für die Raumkapsel Artemis dienen soll, soll nach bisheriger Terminierung seinen ersten Start 2021 absolvieren; vor zwei Wochen präsentierte NASA-Direktor Jim Bridenstine auf einer Pressekonferenz die ersten Bilder von der Endmontage der Erststufe mit ihren vier RS-25D/E-Triebwerken, die beim Start (wie beim Space Shuttle) von zwei seitlich montierten Feststoffraketen unterstützt werden sollen. Fest steht in diesem Programm nur der mit jedem Jahr höher kalkulierte Preis eines Einzelstarts: für 2019 wird eine Marge zwischen 800 und 900 Millionen US-Dollar genannt (Sie haben sich nicht verlesen. Zum Vergleich: der Start einer Falcon 9 schlägt im Durchschnitt mit 57 Millionen US.Dollar, der Start einer Falcon Heavy mit gut 90 Millionen zu Buch.)

Bleiben die "Dragon" von SpaceX und der "Starliner" von Boeing. Und die (das?) "Starship," ebenfalls von SpaceX in Entwicklung, bzw. im Bau: ein Trumm, das nach den ausgesprochen abenteuerlichen Visionen von Firmenchef Elon Musk im nächsten Jahrzehnt Hundertschaften zum Mars bringen soll - und das auf den Betrachter wirkt, als habe hier jemand die Lektüre der Jugendbücher etwas Robert A. Heinleins von vor 70 bis 60 Jahren, die episodisch den Aufbruch der Menschheit zum Mond, zum Mars, ins gesamte Sonnensystem und zu den Sternen schilderten und für zwei Generationen von jungen Lesern die erste Begegnung mit den spekulativen Literaturgenre darstellten, etwa zu wörtlich genommen - angefangen mit dem Erstling "Rocket Ship Galileo" von 1947, das den Topos (bzw. Typus) des verkannten Wissenschaftlers (und Millionärs) ins Genre einführte, der, auf eigene Rechnung und von "etablierter Wissenschaft" und Regierung verspottet, mal eben ein Raumschiff im eigenen Hinterhof zusammenschweißt und mit seinen verwegenen Neffen in den Raum aufbricht - ohne übrigens vorher einen Testflug absolviert zu haben; weil so etwas nur Schattenparkern ziemt. (Auch dieser Topos ist nicht erst von Heinlein ersonnen worden: Cavor in H. G. Wells First Men in the Moon von 1901 operiert auf diese Weise, und nicht wenige andere Helden der frühen SF; der entscheidende Punkt bei Heinlein ist der Anspruch auf technologische Durchführbarkeit, auf die zutreffende Schilderungen der physikalischen Voraussetzungen, die dem Text einen Firnis von Authentizität verleihen sollen, anstatt auf Phantasieantriebe wie "Aufhebung der Schwerkraft" - wie bei Wells, oder der Massenträgheit  wie in "Doc" Smiths The Skylark of Space von 1928, der ersten "Space Opera" zurückzugreifen.)

Die bemannte Version der "Dragon"-Kapsel sollte nach dem erfolgreichen unbemannten Tesflug zur ISS in diesem Sommer in Dienst gehen. Genau diese Kapsel wurde am 20. April beim Betanken auf der Startrampe in Cape Canaveral durch eine Explosion schwer beschädigt oder ganz zerstört (Space X hält sich hinsichtlich des Hergangs und des Ausmaßes des Schadens weiterhin ziemlich bedeckt). Der erste Prototyp des "Starship", die Mk 1 (eben jenes erwähnten Trumms, das wie ein Fehltritt der Rakete von Tim und Professor Haddock aus "Schritte auf dem Mond" und einem Dampfkessel anmutet) wurde am 20. November, ebenfalls beim Betanken und dem Platzen einer Zuleitung für den flüssigen Sauerstoff, durch eine Explosion in Musks "Privatraumhafen" in Boca Chica an der Küste des Golfs von Mexiko, keine zwei Kilometer von der Stelle, wo die amerikanische und die mexikanische Grenze aufeinandertreffen, fast vollständig zerstört. (Um Mißverständnissen vorzubeugen: es handelt sich nicht um die "kleine" Testversion des "Starhopper", die am 25 Juli und am 27 August zwei kurze Testflüge absolviert hat: einen von 2 Metern Höhe und einen zweiten von 150 Metern; dieses jetzt ausgemusterte Gefährt dient zur Erprobung der fürs Sternenschiff völlig neu entwickelten "Raptor"-Triebwerke).

"Dieses war der zweite Streich / doch der dritte..." Boeings "Starliner"-Kapsel, die, wie die Projekte von SpaceX und das SLS diverse Jahre hinter den ursprünglich angekündigten Zeitplänen zurückliegt*, sollte, nach dem in der vergangenen Woche anstehenden unbemannten Testflug zur ISS Anfang des nächsten Jahres in Dienst gestellt werden. Zumindest mit einer gewissen Verzögerung wird auch hier zu rechnen sein. Beim Start am vergangenen Freitag gab es eine erhebliche Fehlfunktion, allerdings nicht an der Kapsel, sondern an der Atlas-Startrakete - so daß die Raumkapsel nicht die Umlaufbahn erreicht hat, von der aus sie ein Andockmanöver mit der Raumstation hätte durchführen können. (Die Umlaufbahnen der Transporter und Sojus-Kapseln liegen nach der Erreichung des Orbits gut 15 bis 20 Kilometer unterhalb der Höhe der ISS, die Annäherung erfolgt durch stufenweise Anhebung mittels der Bordtriebwerke; da die Umlaufgeschwindgikeit mit zunehmender Höhe abnimmt - in 400 km Höhe benötigt ein Raumfahrtzeug für eine Erdumkreisung 90 Minuten, in 35.800 km Höhe - dem sogenannten "geostationären Orbit" - genau 24 Stunden - "holt" eine Kapsel in dieser Phase sein Ziel gewissermaßen langsam "ein", bis sie nach Erreichen der finalen Höhe erst einmal für ein paar Stunden relativ zueinander zu völliger Ruhe kommen, ehe die äußerst sachte Annäherung eingeleitet wird. Im Orbit herrscht zwar Schwerelosigkeit, seit einigen Jahren "Mikrogravitation" genannt; die Massenträgheit bleibt aber natürlich erhalten - pace Doc Smith - und ein zwei Tonnen schweres Vehikel, das mit mehr als Schneckengeschwindigkeit mit seiner Destination kollidiert, kann erhebliche strukturelle Deformationen hinterlassen, wie die Besatzung der Mir 1997 feststellen mußte.) Soweit aus den Pressemitteilungen zu entnehmen ist, lag das Einschwenken in einen ungeplanten, viel zu niedriger und stark elliptischen Orbit an einer Fehltaktung des Bordcomputers (ob ein Zusammenhang damit besteht, daß der erste Starttermin am Tag zuvor kurzfristig verschoben worden war, scheint noch unklar): die zweite Stufe leitete demnach die "orbital insertion" während der ersten Brennphase nach der Stufentrennung ein und verbrauchte damit die für die gesamte Startphase vorgesehenen 70 Prozent des mitgeführten Treibstoffs. Wer die live übertragenen Starts etwa der Falcon 9 mitverfolgt hat, weiß, daß die zweite Stufe bei einem solchen Start zwei Brennphasen durchläuft - zum einen, um Rakete und Nutzlast aus der Atmosphäre hinaus bis in eine Höhe von gut 150-160 Kilometern zu befördern, und eine zweite Zündung, nachdem die Position für die vorgesehen Endumlaufbahn erreicht werden kann, während der die nötige Geschwindigkeit von 28.000 km/h erreicht wird. Raketen, die von Cape Canaveral aus lanciert werden, befinden sich auf einer Umlaufbahn, die entsprechend dem Breitengrad um 28 Grad gegen den Erdäquator gekippt ist; die Bahn der Raumstation hat eine Inklination von 51 Grad. Diese Änderung des "delta-v" findet während der zweiten Zündung statt. Was etwas wundert (der Abschluß-Untersuchungsbericht, der dies klären wird, wird erst in einigen Monaten vorliegen), ist, warum das Trägersystem nicht auf Eingreifversuche von seiten des Kontrollzentrums reagiert hat. Den Angaben, daß, falls beim Start Astronauten an Bord gewesen wären, sie durch Ausschalten der automatischen Sequenz korrigerend hätten eingreifen können, sollte man zunächst einmal vertrauen; Raumfahrzeuge sind für dergleichen Eventualitäten ausgelegt (dies zu prüfen, wird ebenfalls Sache der Untersuchung sein). Ob dieser Zwischenfall erheblich Verzögerungen im Zeitplan nach sich ziehen wird, steht momentan in den Sternen; falls nicht, sollte auch das keine Überraschung darstellen. Vielleicht hilft ein Update, ein Patch der Software; es dürfte keine Änderungen an der Hardware, an der Konstruktion, weder der Kapsel noch des Trägersystems erfordern. Ironisch ist, daß just ein solcher "software glitch", vor 23 Jahren beim Erstflug einer Ariane 5 vom französischen Raumbahnhof Kourou den Verlust der Rakete zur Folge hatte: Am 4. Juni 1996 arbeitete der Bordcomputer mit der hundertmal bewährten Sequenz für das Vorläufermodell Ariane 4. Die wesentlich stärkere Rakete nahm einen anderen Startwinkel als das Vorläufermodell ein. Die von den Meßfühlern eingespeisten Startparameter arbeiteten aber mit einer anderen Bitkodierung: der Bordcomputer hätte maximal einen 16 Bit umfassenden Wert korrekt verarbeiten können; der gelieferte 64 Bit lange Daten-Strang führte zum Überlauf des vorgesehenen Arbeitsspeichers und ließ den frei schwingend vibrierenden Triebwerken die Zügel schießen, um die abhebende Rakete 30 Sekunden nach dem Abheben abkippen zu lassen. (Der Verlust der vier Satelliten der Cluster-Mission beim Allererststart war dann das Sahnehäubchen; Heinlein läßt grüßen.)

(*Boeing entwickelt das Projekt "Starliner" seit dem Sommer 2010. 2014 erhielt die Firma, zusammen mit SpaceX, von der NASA einen Zuschlag von insgesamt 6,8 Milliarden Dollar - SpaceX erhielt 2,6 Milliarden; Boeing 4,2 -  um Entwicklung und Herstellung abzuschließen. Bislang sind zwei Kapseln der Baureihe, die für sieben Astronauten ausgelegt ist, fertiggestellt worden. Beide Kapseln sind für 10 Flüge ausgelegt.)

Nein, der Protokollant glaubt nicht im Ernst, daß Aliens, das dritte Auge hinter einer schwarzen Stirnbinde verbergend wie in Grunerts kleiner Erzählung galaktischen Schabernack treiben. Aus solchem Holz ist freilich der Stoff für SF-Geschichten klassischen Zuschnitt geschnitzt. Das Genre hat solche Allotria recht gut hinter sich gelassen; sollte es wundern, wenn sich die sogenannte Wirklichkeit nun verpflichtet fühlt, diesen Part zu übernehmen? So wie auch die gegenwärtige Politik, zumindest die des Westens, die Satiriker brotlos gemacht hat, so steht es der sogenannten "Realität" des "Zukunftsjahrhundert", in dem wir uns seit zwei Jahrzehnten aufhalten, an, diesen Part zu übernehmen. Wenn wir schon keine fliegenden Autos und humanoiden Roboter sehen, die uns morgens den Kaffee ans Bett bringen, dürfen wir mindestens Anspruch auf ein wenig reißerische Pulp Fiction der futuristischen Spielart anmelden. Daß die Starliner-Kapsel am Sonntagmorgen auf der White Sands Missile Range aufsetzte (die erste Kapsel überhaupt in der Geschichte der amerikanischen Raumfahrt übrigens: die Vorgängermodelle der Mercury-, Gemini- und Apollo-Programme wasserten; und der Shuttle rollte auf Landebahnen aus) ziegt die hier angemessene Symbolik: auf White Sands wurde sieben Tage nach Etablierung des Testgeländes am 16. Juli 1945 die erste Atombombe, Trinity, gezündet; von White Sands starteten von 1946 bis 1950 67 der insgesamt gut 100 in die USA verbrachten V2-Raketen aus der Konkursmasse der Dritten Reichs; 1947 wurden von einer solchen Rakete aus die ersten Bilder aufgenommen, die den Anblick der Erde aus dem Raum und die Krümmung des Horizonts aus dieser Perspektive zeigten. (George Pals Filmumsetzung von Heinleins "Destination Moon", der zum größten Teil eine Adaptation von Rocket Ship Galileo darstellt, und der im Sommer 1950 der erste große Hollywoodfilm war, der sich einem SF-Thema widmete, hat als Eingangssequenz den drittletzten Start dieser Testreihe, die ersten Aufnahmen von Raketen-in-Aktion, die je ein breites Publikum erreichten.)

(Eine ironische Adnote: SF-Autoren orientieren sich mitunter näher an der sie inspirierenden Wirklichkeit, als es beim flüchtigen Lesen auffällt: Grunerts Marsspion sabotiert und fälscht  im Observatorium von Percival Lowell auf dem Mars Hill in Flagstaff, Arizona, die Aufnahmen des Mars, um das Vorhandensein der dortigen überlegenen Zivilisation und ihrer Kanäle geheim zu halten. Lowell selbst, unermüdlicher Propagandist der Marskanäle und der Marsbewohner, hatte kurz vor der Veröffentlichung bekanntgegeben, es sei ihm gelungen, diese feinen Linien an der Grenze der optischen Auslösung photographisch festzuhalten. Daß er die angekündigten Aufnahmen nie veröffentlicht hat, erklärt sich somit ganz zwanglos.

Nur einen Blick warf der Assistent darauf; dann sagte er: »Dieser Glasscherben, der übriggebliebene Rest jener Aufnahme, die bei dem gestrigen Kurzschluß in Trümmer ging, bildet das Schlußglied meiner Beweisführung! Sehen Sie, Mr. Lowell, den ›wandernden Fleck‹! Ein günstiger Zufall hat es bei dieser einzigen Aufnahme so gefügt, daß die Sonne von dem rätselhaften schwebenden Etwas in der Marsatmosphäre einen ins Riesenhafte vergrößerten Schatten auf die schneeweiße Eiskappe des Pols geworfen hat – und ich glaube, Sie erkennen nun nach allem Vorangegangenen das rätselhafte Objekt – und verstehen, warum jener falsche Mr. Ferrum, offenbar im Auftrage seines Heimatplaneten, alles tat, um unsere Marsbeobachtungen zuerst zu kontrollieren, dann zu erschweren und schließlich für bestimmte Zeit unmöglich zu machen.« –
Mr. Lowell nickte und sagte ernst: »Noch bleibt mir manches von dem Geschehenen ein Rätsel; aber das Rätsel des »wandernden Flecks« ist gelöst: der verräterische Schatten zeigt mir die ins Ungeheure verzerrten Konturen eines – Riesenflugschiffes, das sich unausgesetzt einem Ziele nähert: unserer Erde!«
(Der Text der kleinen Story läßt sich hier nachlesen.)

(Zweite ironische Adnote: Die Kollision des Transporters Progress M-34 mit der russischen Station Mir erfolgte am 24. Juni 1997 - just zu einer Zeit, als der Protokollant einmal wieder dem Programm einer recht systematischen Re-lecture des Heinlein'schen Oeuvre frönte. In jener Woche war Heinleins "Erwachsenen"-Roman - die er in den fünfziger Jahren im Wechsel mit seinen Juveniles schrieb - The Door Into Summer von 1957 dran. Der Handlungsknoten spielt hier keine große Rolle; das Buch beginnt im damaligen Zukunftsjahr 1972; der Protagonist wird von seiner Verlobten und ihrem üblen Kompagnon um seinen Geschäftsanteil gebracht und dadurch aus dem Verkehr gezogen, daß diese ihn in Kälteschlaf versetzen lassen - seine Einwilligung zu dieser gerade neu aufgekommenen Mode haben die Fieslinge selbstredend gefälscht - und erwacht im noch zukünftigeren Zukunftsjahr 2000. Im Zug der Akklimatisierung an die überraschenden technologischen Entwicklungen des anbrechenden neuen Jahrhunderts blättert er an seinem ersten Morgen in, Überraschung, einer Tageszeitung.


But in spite of a thirty-year fast, my mind was not on food; they had sent a newspaper in with breakfast: the Great Los Angeles Times, for Wednesday, 13 December 2000. Newpapers had not change much, not in format. This one was tabloid size, the paper was glazed instead of pulp and the illustrations were either full color, or black-and-white stereo - I couldn't puzzle out the gimmick on that last. There had been stereo pictures you could look at without a viewer since I was a small child; as a kid I had been fascinated by ones used to advertize frozen foods back in the '50s. But those had required fairly thick transparent plastic for a grid of tiny prisms; these were simply on paper. Yet they had depth. I gave it up and looked at the rest of the paper. ... At least half of the papers was so familiar as to make me homesick .... Some of the other items were new but explained themselves: " [...] Twenty-Four-Hour Station Suffers Two Punctures - No Casualties."

(Man behalte im Hinterkopf, daß das Buch zuerst im Juni 1957 beim Verlag Doubleday erschienen ist, vier Monate vor dem "Sputnik-Schock"). Die Passage gab mir ein, ganz außer Gewohnheit - es war abends um 22 Uhr - doch einmal die Radionachrichten einzuschalten, um Fiktion und schnöde Realität nebeneinander setzen zu können. Was soll ich sagen: die erste Meldung lautete, die Raumstation habe nun ein Leck... Es gibt tatsächlich mitunter Momente, in denen man sich kneifen muß, um sicherzugehen, daß man nicht träumt. Dies war ein solcher.)

Immerhin: die bislang namenlose "Kapsel 2" wurde am Sonntagmorgen von der Astronautin Suni Williams, die als Pilotin für den nächsten, hoffentlich bald anstehenden, bemannten Erstflug vorgesehen ist, auf den Namen "Calypso" getauft. In diesem Fall bezieht sich der Name nicht auf die Nymphe, die den Wanderer auf der Heimfahrt von Troja für neun Jahre an sich band, sondern auf das nach ihr benannte Schiff jenes anderen unsteten Seefahrers und Tauchers mit der roten Pudelmütze. Was eine nette Gelegenheit für einen letzten Schlenker in die Fifties liefert.  Es war, zu den Zeiten der Shuttle-Missionen zwischen 1982 und 2015, ein Brauch der amerikanischen Raumfahrtbehörde, den Bordtag für die Astroanuten mit einem Musiktitel zu beginnen, dessen Wahl reihum an alle Teammitglieder fiel. An diese Tradition anknüpfend, sei hier ein Anfang gemacht, mit diesem Titel den 葛蘭  (Ge Lan, als Filmschauspielerin geläufiger unter ihrem anglizisierten Bühnenenamen Grace Chang) vor 60 Jahren in der romantischen Musical-Komödie der Shaw Brothers 空中小姐 (Kōngzhōng xiǎojiě) unter der Regie von Evan Yang gesungen hat, der im April 1959 in die Hongkonger Kinos kam. Der Titel sei einmal mit "Die Stewardessen" übersetzt (das Chinesische unterscheidet bekanntlich nicht zwischen Singular und Plural; aber da es sich um einen ganzen Schwarm von Kōngzhōng xiǎojiě - 空/die Luft,中/mitten in, 小姐: wörtlich "kleine Frau" ganz im Sinne unseres "Fräulein"; "Stewardess" kann in diesem Fall, ganz wörtlich als "Luftfräulein" übersetzt werden  - handelt, scheint der Plural angemessen). Die Musik zu allen Stücken stammt von Yao Lis Bruder Yao Min.











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U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.