Die Aussage
das Deutschland furchtbar reich ist gehört nicht erst seit der Flüchtlingskrise
zur Talkshowfolklore. Auch dieser Autor wird nicht verhehlen, dass er die
Aussage durchaus das eine oder andere Mal getroffen hat (mea culpa). Dennoch ist ihre
Pauschalität natürlich hart am Rande dessen, dass man sich fragen muss, was man
damit überhaupt aussagen will. Denn, praktisch und deshalb auch in jeder
Talkshow sehr beliebt, ist die Interpretation der Aussage auch vergleichsweise
beliebig. Höchste Zeit ein bisschen zu reflektieren was es eigentlich bedeutet.
Nu stelle mer
uns janz dumm und fragen uns: Wann ist eine Gesellschaft eigentlich reich?
Schon da wird’s schwierig. Denn was ist diese Gesellschaft genau? Die Summe
ihrer Individuen? Oder die Gesamtheit des von der Gesellschaft gebildeten
Staates? Dieser Unterschied ist nicht nur gewaltig, er ist alles entscheidend,
wie man im Folgenden schnell sieht.
Betrachten
wir zunächst die Seite, die als Gesellschaftsvermögen erst einmal die Dinge
versteht, die dem Staat direkt gehören. Dazu würden dann alle Flächen, Gebäude,
Straßen, Infrastruktur und sonstigen Besitztümer des Bundes, der Länder und
Kommunen gehören, genauso wie staatliche und kommunale Unternehmen. Dem
gegenüber stehen natürlich auch sämtliche Schulden, die Staat, Länder und
Kommunen angehäuft haben. Und da fehlt noch etwas Wichtiges, nämlich die „versteckten“
Schulden, die in Rentenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung wie auch
in den Pensionsverpflichtungen des Bundes bestehen. Summiert man nur diese
Schulden kommt man auf nahezu acht Billionen (!) Euro. Die Besitztümer des
Bundes liegen im Wert weit darunter, bei einer Firma würde man von
Überschuldung sprechen. Betrachtet man also das Gesellschaftsvermögen als
staatlichen Besitz, dann müsste man konstatieren, dass die deutsche
Gesellschaft nicht reich ist. Sondern überschuldet. Sogar schwer überschuldet. Als
kleine Randanmerkung dazu: Wenn also Schäuble wieder so toll verkündet das der
Bund derzeit keine neuen Schulden mache, dann ist das Augenwischerei der
übelsten Sorte. Denn die eigentliche Schuldenmaschine, der Generationsbetrug,
setzt jeden Tag neue Schulden in die Welt, gegen den die Bundesschulden
geradezu klein wirken. Das Problem der steigenden Lebenserwartung mit der
gleichzeitigen Verweigerung Kinder großzuziehen, ist eines was die deutsche
Politik nicht wirklich adressiert. Der größte Schuldenberg dieser Gesellschaft
besteht darin, dass sie keine Kinder in die Welt gesetzt hat, doch das nur am
Rande.
Doch kommen
wir zurück zum Thema. Was ist das Vermögen der Gesellschaft? Nehmen wir jetzt
die andere Seite und betrachten das Vermögen der Gesellschaft als den Besitz
aller seiner Individuen. Da wird dann gerne das Reinvermögen mit etwa 10-12
Billionen Euro eingeworfen. Gemessen an den gemeinsamen Schulden bliebe dann
immer noch ein „Überschuss“ von vielleicht fünf Billionen Euro. Klingt gut und
klingt reich. Somit sind die Deutschen also reich.
Ist da
irgendwo ein Fehler? Ein Fehler im eigentliche Sinne ist es nicht, denn es
stimmt ja nach obiger Definition, es gibt da nur ein kleines Problem: Artikel
14. Es handelt sich um Eigentum. Und zwar um das Eigentum der Individuen. Als
Gesellschaft haben wir erst einmal keinen Zugriff auf dieses Vermögen,
jedenfalls nicht, so lange wir an der Verfassung festhalten wollen. So
betrachtet handelt es sich um reichlich theoretisches Vermögen. Denn Vermögen
über das ich nicht verfügen kann ist bisweilen vollkommen nutzlos. Auch die
Sozialbindung des Eigentums nützt hier wenig, denn sie räumt keine
Verfügungsgewalt über das Kapital ein.
Das ficht
natürlich den gemeinen Linken im Allgemeinen nicht an, er nimmt Artikel 14 ja
ohnehin nicht ernst. Aber auch dieser Linke hat am Ende ein Problem, denn
Kapital hat neben einem Besitzer noch eine zweite, ebenso unangenehme
Eigenschaft: Es ist verdammt scheu. Tritt man ihm zu nahe, dann haut es ab. Und
das schlimme ist: Das kann es auch. Wie immer so schön beklagt wird, gehört
nahezu die Hälfte dieses Geldes weniger als zehn Prozent der Bevölkerung, und
das sind ausgerechnet die, die am mobilsten sind. Millionäre (des Linken
liebstes Feindbild) können, wenn auch unter Verlusten, das Land bisweilen
einfach verlassen. Sie sind gebildet, sie haben Ressourcen und sie sind wo
anders willkommen. Und sie nehmen ihr Geld natürlich mit (mal ab von einigen
Immobilien, die sie eventuell verlustbehaftet abstoßen müssen). Am Ende bleibt vor
allem eins zurück: Schulden. Jetzt kommt natürlich gerne der Einwand, das
Schulden nie zurückbleiben können, schließlich muss jedem Euro an Schulden ja
auch ein Guthaben entgegenstehen. Aber genau das ist falsch: Den Aberbillionen,
die in Rentenversprechen und Pensionsverpflichtungen bestehen, steht genau gar
nichts entgegen. Das ist Geld, das in Zukunft gebraucht wird. Es sei denn man
will diese Leute, die nicht mehr so viel beitragen können, verhungern lassen.
Eine Gesellschaft, die zur Hälfte aus Rentnern und Pflegebedürftigen besteht,
mag formal keine Schulden haben, trägt aber einen massiven Mühlstein mit sich
herum.
Summiert
man das alles zusammen, dann kommt man zu dem vielleicht überraschenden
Ergebnis: Deutschland ist überhaupt nicht reich. Es gibt reiche Deutsche, und
gar nicht so wenige, aber als Gesellschaft sind wir überhaupt nicht reich. Im
Gegenteil, wir sind schwer verschuldet und haben eine Zukunftshypothek auf die
wir keine Antwort haben. Wenn wir davon reden, dass Deutschland reich ist, dann
meinen wir im Allgemeinen das Geld anderer Leute.
Und dann
wird es interessant, wenn man sieht in welchem Kontext das Mantra vom deutschen
Reichtum immer wiederholt wird: Wenn es darum geht irgendwelche (in der Regel linken)
gesellschaftlichen Experimente zu finanzieren. Wer, wenn nicht Deutschland? Wer
könnte so viele Flüchtlinge aufnehmen, wenn nicht Deutschland? Wer könnte eine
Energiewende durchführen, wenn nicht Deutschland? Wer könnte Europa retten,
wenn nicht Deutschland? Die Antwort ist simpel: Kaum einer. Auch Deutschland nicht.
Deutschland in dem Sinne hat das Geld nicht. Nicht für Millionen Flüchtlinge,
nicht für den ESM und auch nicht für den Energieschwachsinn. Das sind allesamt
Schulden, die wir in die Zukunft schieben. Das Land benimmt sich wie ein
überschuldeter Verschwender, der einen Konsumkredit nach dem anderen aufnimmt
und sich reich wähnt, wenn er das Geld verschleudert.
Das dicke
Ende kommt. Es kommt nicht schlagartig, aber es kommt. Es kommt, wenn wir
feststellen, dass das Geld, das wir lieber für Renten aufgespart hätten, in
Griechenland verloren ging. Es kommt, wenn wir feststellen, dass das Geld, das
wir in sinnlose Rotoren und unnütze Solarzellen verschleudert haben, dort fehlt
wo Pflegekräfte bezahlt werden müssen. Es kommt, wenn wir feststellen, dass das
Geld, das wir in Millionen von Flüchtlinge investiert haben, die in unserer
Gesellschaft nahezu keinen positiven Einfluss haben können, bei der bröckelnden
Infrastruktur gefehlt hat und unseren industriellen Kern beschädigt hat. Das kommt alles langsam, aber es kommt: Es kommt in sinkenden Renten, in schlechterer Pflege, schlechterer Versorgung, immer mehr Lasten für die verbleibenden Arbeitenden, vergammelnder Straßen, Verarmung. Reich?
Das einzige was ich in dem Kontext sehe, worin Deutschland wirklich reich ist,
ist reich an Überheblichkeit. Wer, wenn nicht Deutschland?
Llarian
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