Es ist tatsächlich ein trauriges Bild, das dieser Tage wieder sichtbar wird. In Bautzen brennt ein geplantes Asylantenheim nieder und es gibt Leute, die sich darüber freuen. Der dortige Ministerpräsident (Tillich) gab daraufhin zu Protokoll: „Das sind keine Menschen, die so was tun. Das sind Verbrecher.“
Erstaunlicherweise
bin ich, was selten genug vorkommt, mit Gabriel und Maas einer Meinung, oder
zumindest sehe ich eine große Ähnlichkeit: Die Art wie übereinander gesprochen
wird, ist katastrophal, und diese Form von verbalem Radikalismus ist in der Tat
der Weg zur Gewalt. Ich würde nur meine Nuance dazusetzen, dass ausgerechnet
Gabriel und Maas zu den größten Protagonisten gehören, wenn es darum geht mit
möglichst viel verbaler Gewalt auf alles einzuprügeln, was sie einem
abweichenden Gedankengang verdächtigen. Was der Justizminister in den letzten
Wochen von sich gegeben hat, an Beleidigungen, Unterstellungen und -sorry, wenn
ich mir jetzt sogar sein Lieblingswort aneigne- Hetze, ist beispiellos
zumindest für die letzten 30 Jahre der politischen Auseinandersetzung in
Deutschland. Sigmar Gabriel steht ihm dabei kaum nach, und was das erbärmliche
Demokratie- und Diskussionsverständnis der SPD dieser Tage ist, hat sie gerade
beim Südwestfunk prächtig demonstriert. Aber es sind nicht nur Gabriel und
Maas, auch der oben zitierte MP kann sicher dazu gezählt werden, sollte er
nicht zwischenzeitlich mal darüber nachdenken, dass auch „Verbrecher“ Menschen
sind. (Wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob Applaudieren schon eine
Straftat mit dem Rang eines Verbrechens darstellen kann, ich habe jedenfalls
meine Zweifel.)
Es ist tatsächlich ein trauriges Bild, das dieser Tage wieder sichtbar wird. In Bautzen brennt ein geplantes Asylantenheim nieder und es gibt Leute, die sich darüber freuen. Der dortige Ministerpräsident (Tillich) gab daraufhin zu Protokoll: „Das sind keine Menschen, die so was tun. Das sind Verbrecher.“
Ob er sich
dabei auf das Bejubeln des Brandes bezog, oder ob er damit den „Mob“ meint, der am
Donnerstag einen Bus voller Flüchtlinge blockiert hat, ist nicht ganz geklärt.
Vermutlich meint er beide. Unser Justizminister glänzte zu denselben Vorfällen
mit der Erkenntnis: „Wer unverhohlen Beifall klatscht, wenn Häuser brennen, und
wer Flüchtlinge zu Tode ängstigt, handelt abscheulich und widerlich“. Im selben Interview gab er noch folgenden Satz von sich: „Verbalradikalismus ist immer
auch die Vorstufe zu körperlicher Gewalt.“
Dieser Satz
hat es mir zugegebenermaßen angetan. Vielleicht auch deshalb, weil etwas
ähnliches die Woche vom Vizekanzler Gabriel gekommen ist, der in einem
Interview mit der Rheinpfalz zu der Erkenntnis kam, dass der Grund für die
derzeitige Radikalisierung der Politik, darin liege, wie Demokraten
übereinander redeten.
Ich will
hier kein „Herz für den Mob“ aufmachen. Ich erlaube mir aber die Frage zu
stellen, wem es nützt auf diesen „Mob“ einzuprügeln. Und ob es nicht wesentlich
mehr Sinn macht sich mal damit auseinanderzusetzen wer dieser „Mob“ überhaupt
ist.
Anders als
ein Heiko Maas, der in jedem Wandschrank einen Nazi vermutet, sehe ich das
Phänomen des Rechtsradikalismus eher als ein Randproblem an. Nazis sind selten,
sie bilden keine Mehrheiten, sie sind in aller Regel nicht übermäßig helle
(Ausnahmen bestätigen die Regel) und vor allem sind sie seit Jahrzehnten gesellschaftlich
marginalisiert.
Warum
tauchen dann an allen Straßenseiten plötzlich Nazis auf? Haben die da Nester,
von denen wir alle nichts wissen? Können die sich durch die Gegend
teleportieren und sind immer da wo sie gerade mehr oder weniger gebraucht
werden? Oder kann es nicht eher sein, dass nicht jede Menschenansammlung, die
nicht auf Regierungslinie liegt, einen „Mob“ darstellt.
Stellen Sie
sich vor, lieber Leser, Sie stünden in der Nähe eines Hotelbrandes. Sie haben
mit dem Brand nichts zu tun, aber Sie sind schaulustig. Neben Ihnen stehen weitere
Leute (ein solcher Brand kann durchaus spannend sein, sorry). Und einer dieser
Leute macht einen doofen Witz und sagt, dass er im Auto noch ein paar
Bratwürste hat und diese jetzt spenden könnte. Es ist ein doofer Witz, zynisch,
aber undramatisch. Und er muss keinesfalls einen „rassistischen“ Hintergrund
haben. Und zwei Leute lachen. Bumms. Jetzt ist es passiert. Sie sind Teil des
rassistischen Mobs. So schnell kann das gehen.
Oder
stellen Sie sich folgendes vor: Sie sind ein Anwohner dieses Hotels. Sie haben
die letzten 25 Jahre an ihrem Eigenheim abgezahlt. Ein hartes Stück Arbeit, sie
haben so manchen Urlaub liegen lassen und so manche Schicht extra gemacht, nur
um sich das zu leisten. Die Stadt braucht aber eine Unterkunft für Asylanten.
Sie als Anwohner werden nicht gefragt. Sie haben keine Stimme. Sie haben
versucht sich zu wehren, weil ihre Altersversorgung plötzlich nur noch 80% wert
ist. Sie haben Angst(!) vor dem Fremden. Sie haben Angst was das für den
Schulweg ihrer Kinder bedeutet. Und keiner hat sich dafür interessiert, denn
Frau Merkel hat ja beschlossen, „Wir schaffen das“. Und in den letzten Wochen
und Monaten sind Sie immer mehr verzweifelt und zu der Erkenntnis gekommen,
dass ihre Interessen nicht wirklich von Bedeutung sind. Und nun brennt die
Bude. Sie haben damit nix zu tun, aber mit einem Mal sehen Sie, dass ihre
Ängste sich auflösen. Der Wert ihrer Wohnung ist gerade um eine fünfstellige
Summe gewachsen. Können Sie sich vorstellen, wie Sie jetzt schauen? Bumms.
Schon wieder sind Sie Teil des rassistischen Mobs. So schnell kann das gehen.
Man ist
heute so schnell ein Rassist, dass einem schwindelig werden muss. Sie haben
Angst um ihr Geld: Rassist. Sie haben Angst vor Kriminalität: Rassist. Sie
haben Angst vor Überfremdung: Rassist. Sie haben Angst vor dem kulturellen
Wandel: Rassist.
Persönlich
glaube ich nicht, dass es so viele Rassisten gibt. Es gibt sicher eine Menge
rassistische Denkweisen, aber „echte“ Rassisten sind selten (außerhalb des
Netzes bin ich in meinem Leben gerade einem begegnet (zugegeben: Die rennen
nicht mit Bumperstickern rum)). Was viel häufiger ist sind Leute, die Angst
haben oder etwas nicht wollen. Und die Angst ist zu guten Teilen auch berechtigt
(und damit nix, was man einem mal eben so „ausreden“ kann). Wer direkt neben
einem Asylantenheim wohnt, der verliert ganz konkret sehr viel Geld. Und
Sicherheit. Ebenso konkret. Wer in einem Jahr seine Kinder in die Schule
schicken muss, macht sich derzeit ganz konkrete Gedanken was es bedeutet, wenn
in einer Klasse plötzlich mehrere Kinder kein deutsch beherrschen (dreimal
konkret reicht jetzt).
Gabriel
sagte, es ist schlimm wenn Demokraten so übereinander reden. Ich setze dagegen,
dass es schlimm ist, wie generell heute übereinander geredet wird. Wie Gabriel
und Maas über Menschen reden, die von ihrer Regierungspolitik betroffen sind. Der Graben, der Deutschland derzeit durchzieht, wird nicht von den Nazis gegraben. Er wird von denen gegraben, die es nicht wahrhaben wollen, dass es durchaus Opfer ihrer Politik gibt. Statt von Rattenfängern zu reden, täte es gut davon zu sprechen, dass es eben Opfer gibt, die sich nicht in der derzeitigen Politik wiederfinden. Statt von Verbrechern zu reden, sollte man sich Gedanken machen wer sich da weshalb versammelt. Denn auch Maas hat mit seinem Kommentar recht: Wenn weiter Öl ins Feuer fliesst, dann haben wir irgendwann Gewalt. Wer als Ratte bezeichnet wird, wird irgendwann keinen Respekt mehr haben, vor einem Staat, der ihn so nennt. Und wenn jemand als Ratte bezeichnet wird, ist auch der Weg für andere nicht weit, auf alle vermeintlichen "Ratten" loszugehen.
Llarian
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