21. Februar 2016

Hetze, Hass und Dunkeldeutschland.


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Es ist tatsächlich ein trauriges Bild, das dieser Tage wieder sichtbar wird. In Bautzen brennt ein geplantes Asylantenheim nieder und es gibt Leute, die sich darüber freuen. Der dortige Ministerpräsident (Tillich) gab daraufhin zu Protokoll: „Das sind keine Menschen, die so was tun. Das sind Verbrecher.“
Ob er sich dabei auf das Bejubeln des Brandes bezog, oder ob er damit den „Mob“ meint, der am Donnerstag einen Bus voller Flüchtlinge blockiert hat, ist nicht ganz geklärt. Vermutlich meint er beide. Unser Justizminister glänzte zu denselben Vorfällen mit der Erkenntnis: „Wer unverhohlen Beifall klatscht, wenn Häuser brennen, und wer Flüchtlinge zu Tode ängstigt, handelt abscheulich und widerlich“. Im selben Interview gab er noch folgenden Satz von sich: „Verbalradikalismus ist immer auch die Vorstufe zu körperlicher Gewalt.“
Dieser Satz hat es mir zugegebenermaßen angetan. Vielleicht auch deshalb, weil etwas ähnliches die Woche vom Vizekanzler Gabriel gekommen ist, der in einem Interview mit der Rheinpfalz zu der Erkenntnis kam, dass der Grund für die derzeitige Radikalisierung der Politik, darin liege, wie Demokraten übereinander redeten. 
Erstaunlicherweise bin ich, was selten genug vorkommt, mit Gabriel und Maas einer Meinung, oder zumindest sehe ich eine große Ähnlichkeit: Die Art wie übereinander gesprochen wird, ist katastrophal, und diese Form von verbalem Radikalismus ist in der Tat der Weg zur Gewalt. Ich würde nur meine Nuance dazusetzen, dass ausgerechnet Gabriel und Maas zu den größten Protagonisten gehören, wenn es darum geht mit möglichst viel verbaler Gewalt auf alles einzuprügeln, was sie einem abweichenden Gedankengang verdächtigen. Was der Justizminister in den letzten Wochen von sich gegeben hat, an Beleidigungen, Unterstellungen und -sorry, wenn ich mir jetzt sogar sein Lieblingswort aneigne- Hetze, ist beispiellos zumindest für die letzten 30 Jahre der politischen Auseinandersetzung in Deutschland. Sigmar Gabriel steht ihm dabei kaum nach, und was das erbärmliche Demokratie- und Diskussionsverständnis der SPD dieser Tage ist, hat sie gerade beim Südwestfunk prächtig demonstriert. Aber es sind nicht nur Gabriel und Maas, auch der oben zitierte MP kann sicher dazu gezählt werden, sollte er nicht zwischenzeitlich mal darüber nachdenken, dass auch „Verbrecher“ Menschen sind. (Wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob Applaudieren schon eine Straftat mit dem Rang eines Verbrechens darstellen kann, ich habe jedenfalls meine Zweifel.)
Ich will hier kein „Herz für den Mob“ aufmachen. Ich erlaube mir aber die Frage zu stellen, wem es nützt auf diesen „Mob“ einzuprügeln. Und ob es nicht wesentlich mehr Sinn macht sich mal damit auseinanderzusetzen wer dieser „Mob“ überhaupt ist.
Anders als ein Heiko Maas, der in jedem Wandschrank einen Nazi vermutet, sehe ich das Phänomen des Rechtsradikalismus eher als ein Randproblem an. Nazis sind selten, sie bilden keine Mehrheiten, sie sind in aller Regel nicht übermäßig helle (Ausnahmen bestätigen die Regel) und vor allem sind sie seit Jahrzehnten gesellschaftlich marginalisiert.
Warum tauchen dann an allen Straßenseiten plötzlich Nazis auf? Haben die da Nester, von denen wir alle nichts wissen? Können die sich durch die Gegend teleportieren und sind immer da wo sie gerade mehr oder weniger gebraucht werden? Oder kann es nicht eher sein, dass nicht jede Menschenansammlung, die nicht auf Regierungslinie liegt, einen „Mob“ darstellt.
Stellen Sie sich vor, lieber Leser, Sie stünden in der Nähe eines Hotelbrandes. Sie haben mit dem Brand nichts zu tun, aber Sie sind schaulustig. Neben Ihnen stehen weitere Leute (ein solcher Brand kann durchaus spannend sein, sorry). Und einer dieser Leute macht einen doofen Witz und sagt, dass er im Auto noch ein paar Bratwürste hat und diese jetzt spenden könnte. Es ist ein doofer Witz, zynisch, aber undramatisch. Und er muss keinesfalls einen „rassistischen“ Hintergrund haben. Und zwei Leute lachen. Bumms. Jetzt ist es passiert. Sie sind Teil des rassistischen Mobs. So schnell kann das gehen.
Oder stellen Sie sich folgendes vor: Sie sind ein Anwohner dieses Hotels. Sie haben die letzten 25 Jahre an ihrem Eigenheim abgezahlt. Ein hartes Stück Arbeit, sie haben so manchen Urlaub liegen lassen und so manche Schicht extra gemacht, nur um sich das zu leisten. Die Stadt braucht aber eine Unterkunft für Asylanten. Sie als Anwohner werden nicht gefragt. Sie haben keine Stimme. Sie haben versucht sich zu wehren, weil ihre Altersversorgung plötzlich nur noch 80% wert ist. Sie haben Angst(!) vor dem Fremden. Sie haben Angst was das für den Schulweg ihrer Kinder bedeutet. Und keiner hat sich dafür interessiert, denn Frau Merkel hat ja beschlossen, „Wir schaffen das“. Und in den letzten Wochen und Monaten sind Sie immer mehr verzweifelt und zu der Erkenntnis gekommen, dass ihre Interessen nicht wirklich von Bedeutung sind. Und nun brennt die Bude. Sie haben damit nix zu tun, aber mit einem Mal sehen Sie, dass ihre Ängste sich auflösen. Der Wert ihrer Wohnung ist gerade um eine fünfstellige Summe gewachsen. Können Sie sich vorstellen, wie Sie jetzt schauen? Bumms. Schon wieder sind Sie Teil des rassistischen Mobs. So schnell kann das gehen.
Man ist heute so schnell ein Rassist, dass einem schwindelig werden muss. Sie haben Angst um ihr Geld: Rassist. Sie haben Angst vor Kriminalität: Rassist. Sie haben Angst vor Überfremdung: Rassist. Sie haben Angst vor dem kulturellen Wandel: Rassist.
Persönlich glaube ich nicht, dass es so viele Rassisten gibt. Es gibt sicher eine Menge rassistische Denkweisen, aber „echte“ Rassisten sind selten (außerhalb des Netzes bin ich in meinem Leben gerade einem begegnet (zugegeben: Die rennen nicht mit Bumperstickern rum)). Was viel häufiger ist sind Leute, die Angst haben oder etwas nicht wollen. Und die Angst ist zu guten Teilen auch berechtigt (und damit nix, was man einem mal eben so „ausreden“ kann). Wer direkt neben einem Asylantenheim wohnt, der verliert ganz konkret sehr viel Geld. Und Sicherheit. Ebenso konkret. Wer in einem Jahr seine Kinder in die Schule schicken muss, macht sich derzeit ganz konkrete Gedanken was es bedeutet, wenn in einer Klasse plötzlich mehrere Kinder kein deutsch beherrschen (dreimal konkret reicht jetzt).  
Gabriel sagte, es ist schlimm wenn Demokraten so übereinander reden. Ich setze dagegen, dass es schlimm ist, wie generell heute übereinander geredet wird. Wie Gabriel und Maas über Menschen reden, die von ihrer Regierungspolitik betroffen sind. Der Graben, der Deutschland derzeit durchzieht, wird nicht von den Nazis gegraben. Er wird von denen gegraben, die es nicht wahrhaben wollen, dass es durchaus Opfer ihrer Politik gibt. Statt von Rattenfängern zu reden, täte es gut davon zu sprechen, dass es eben Opfer gibt, die sich nicht in der derzeitigen Politik wiederfinden. Statt von Verbrechern zu reden, sollte man sich Gedanken machen wer sich da weshalb versammelt. Denn auch Maas hat mit seinem Kommentar recht: Wenn weiter Öl ins Feuer fliesst, dann haben wir irgendwann Gewalt. Wer als Ratte bezeichnet wird, wird irgendwann keinen Respekt mehr haben, vor einem Staat, der ihn so nennt. Und wenn jemand als Ratte bezeichnet wird, ist auch der Weg für andere nicht weit, auf alle vermeintlichen "Ratten" loszugehen. 


Llarian


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