19. Juni 2015

Bevor Europa zerbricht


Zum typischen Sprachgebrauch eines Europapolitikers dieser Tage gehört es unbedingt zu betonen, dass Griechenland in der Euro Zone bleiben muss, damit Europa nicht zerbricht. Es ist die gängige wie unterschwellige These, dass ein Ausscheiden von Griechenland aus der Eurozone gleichzeitig die Gefahr birgt, dass die europäische Einigung, ja die europäische Freundschraft generell, mit dem Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion bedroht ist, oder anders gesagt, dass die Freundschaft inzwischen vor allem durch eine gemeinsame Währung geprägt sein soll. 

Ich erlaube mir die Gegenthese zu stellen, dass ein Verbleiben Griechenlands in der Währungszone diesem Ziel deutlich mehr entspricht und wer wirklich möchte, dass Europa irgendwann ordentlich auseinanderbricht, gut daran tut, Griechenland als Teil der Währungsunion zu erhalten.
Gründe sehe ich dafür vor allem zwei:
Zum einen ist die griechische Wirtschaftssituation, egal wie man es dreht oder wendet, ziemlich verheerend. Griechenland hat wenig Güter, die es auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig anbieten kann, es weist weder Industrie noch Rohstoffe in nennenswerter Kapazität auf, die Bevölkerung ist eher unterdurchschnittlich qualifiziert und die Verwaltung eine der korruptesten der Welt. Das sind Dinge die man nicht von heute auf morgen ändern kann, vieles würde Jahrzehnte benötigen, um etwas daran zu tun. Das ganze gepaart mit einer Anspruchshaltung an das Leben, die diesem Level nicht entspricht ("Wir haben einen Anspruch auf...."). Will man diese Diskrepanzen auf diesem Level erhalten, so gibt es keinerlei Alternative dazu, immer weiteres Geld darin zu versenken. Heute, in drei Jahren, in fünf Jahren, in zehn Jahren. Es wird immer wieder passieren, es kann gar nicht anders passieren. Die einzige Möglichkeit den griechischen Staatsbankrott -temporär- zu verhindern ist immer wieder neues Geld einzupumpen.
Zum anderen hat sich die Freundschaftshaltung in Europa, seit diese Situation mehr und mehr eskaliert, massiv abgekühlt. Es ist die Zeit der Demagogen, die nicht von den Problemen der griechischen Wirtschaft, sondern von "den Griechen" sprechen, umgekehrt nicht von den deutschen Zahlern sondern von den "deutschen Besatzern" sprechen. Die Stimmung wird schlechter. Und das in ganz Europa. Da werden dann schonmal Weltkriegsschulden ausgegraben, deren Fundierung schon nicht mal mehr lächerlich ist, die sich aber prima eigenen um Stimmung zu machen und den Griechen (diesmal wirklich als Volk) das Gefühl geben, die Deutschen würden ihnen etwas schulden und den Deutschen natürlich ein ohnehin schwieriges Thema ins Gesicht schlägt. Das erzeugt irgendwann echte Feindschaft. Vielleicht noch nicht bei jedem, vielleicht noch nicht überall, aber der stete Tropfen hölt den Stein. Jeden Tag. 
Und wenn die Transferunion (denn um nichts anderes geht es ja, das wird ja nicht einmal mehr in der Union bestritten) sich fortsetzt, dann wird das eben jeden Tag schlimmer. Es ist wie der Sozialhilfeempfänger, der dem Millionär nicht nur die Steuern nicht dankt, sondern darauf schimpft, dass er nicht mehr bekommt und der Millionär, der dem Sozialhilfeempfänger die Butter auf dem Brot nicht gönnt. 

Ich meine die europäische Freundschaft, so diese tatsächlich existiert und nicht nur eine Ansammlung gemeinsamer Interessen vorstellt, tatsächlich ein Wert für sich ist, den es zu erhalten lohnt. 70 Jahre Frieden sind schon etwas ungewöhnliches und etwas, was weltweit von vielen geneidet wird. Diese Freundschaft ist deutlich mehr wert als eine gemeinsame Währung. Sie war weit vor der EU da. Und es ist betrüblich, dass irgendwelche Eurokraten meinen diese erst erfunden zu haben um gleichzeitig nicht zu merken, dass sie genau diese gerade zerstören. 

Es mag für Angela Merkels Machterhalt nur sehr schwer zu ertragen sein, zugeben zu müssen, dass die "Alternativlosigkeit" grundsätzlich  falsch gewesen ist, aber ein Weitergehen des Weges kann sehr gut dazu führen, dass Helmut Kohl vielleicht als Einiger von Europa dasteht, aber Angela Merkel als deren Totengräber. Es ist Zeit die Alternativlosigkeit jetzt zu beenden, nicht um Europa zu gefährden, sondern um es zu erhalten.


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Llarian


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