Pegida war von Anfang an ein spaltendes
Thema, nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für Zettels Raum und
seine Autoren. Die starke Emotionalität liegt vermutlich weniger an den
Vertretern von Pegida selber, sondern darin begründet, dass Pegida ein Thema
anspricht, das seit mehreren Jahrzehnten unter der Oberfläche brodelt,
öffentlich allenfalls in Alibiveranstaltungen behandelt wird, deren
Verlogenheit dem schwarzen Kanal zur Ehre gereichen würde, aber uns alle
irgendwie betrifft. Das wirkt. Und es schürt Emotionen. Starke Emotionen, die
so heftig ausbrechen können, dass selbst Leute, die sich ansonsten gut
vertragen, sich plötzlich starken Konflikten ausgesetzt sehen, die sie so nicht
erwartet haben. Das ist typisch für Themen, die eigentlich nur abseits des
Tisches besprochen werden, man ist erstaunt und verwundert, was der Gegenüber
denkt. Weil man vorher nie gefragt hat, aber doch meint des anderen Meinung
gekannt zu haben.
Mein persönliches Verhältnis zu
Pegida ist recht ambivalent: Ich mache mir generell nicht viel aus Demos, denn
ich meine das Demokratie an Wahlurnen stattfindet und nicht auf der Straße.
Auch sind mir diverse Parolen von Pegida eigentlich zu blöde sie ernsthaft zu
diskutieren von „Lügenpresse auf die Fresse“ bis „Putin hilf“. Es ist schwer
Sympathien für Leute zu artikulieren, die unreflektiert solche Sprüche
skandieren. Es handelt sich zudem um eine durch und durch unliberale Bewegung.
Und dennoch, ja, dennoch bin ich
nicht ganz so unglücklich, dass Pegida existiert. Weil mit Pegida öffentlich
der Finger auf etwas gelegt wird, das weit wichtiger ist als die Frage ob ein
paar tausend (meinetwegen auch paar zehntausend) Menschen Probleme mit der
Pressefreiheit haben. Pegida erinnert an ein schwerwiegendes Problem unserer
Gesellschaft. Ob wir das Ding Islamisierung (aktueller Begriff), Überfremdung
(alter Begriff), Kulturkampf (Huntington) oder Schnubbedidum (ein schönes Wort)
nennen ist dabei ziemlich nebensächlich. Beschrieben wird ein von vielen, und
zwar vielen Millionen, Menschen wahrgenommenes Problem.
Wie groß das Problem am Ende genau
ist, soll an dieser Stelle nur am Rande interessieren. Ich persönlich halte es
für die größte gesellschaftliche Bedrohung seit den Nazis, aber ich will
niemanden zwingen meine Weltsicht in dieser Frage zu teilen. Entscheidend soll
an dieser Stelle sein, dass das Problem von sehr vielen Menschen gesehen und
erlebt wird. Wenn wir uns nicht auf die (doch recht linke) Leseart zurückziehen
wollen, dass es sich um ein Scheinproblem handelt, bei dem nur der Empfindende
ein Problem mit seiner Wahrnehmung hat, so muss man an der Stelle einfach erst
einmal hinnehmen, dass eben jene Menschen einen Bedarf haben, dass dieses
Problem adressiert wird. Und wenn es nur die Diskussion dessen ist. Die
Verkaufszahlen von Sarrazin, ebenso wie die Sympathiewerte für Pegida sprechen
da eine deutliche Sprache.
Ebenso positiv empfinde ich die
gnadenlose Demaskierung von echten und selbsternannten Eliten, angefangen von
den wesentlichen Teilen der Presse, von guten Teilen unserer politischen Vertretung
bis schließlich auch zum berühmten Domprobst, die allesamt demonstrieren
wollten, wie wenig sie am Ende von dem halten, was andere denken. Der Geifer
mit dem danach gesucht wurde den Pegidas was am Zeug zu flicken, sagt am Ende
deutlich mehr über diejenigen aus, die Kritik ausüben wollen, als über die
Kritisierten aus. Wenn das Dollste, das man dabei gefunden hat, die Tatsache
war, dass der Vortänzer (eine ziemlich verkrachte Existenz, wenn man mich
fragt) sich mal mit einem Hitlerbärtchen hat photografieren lassen und schon mal
was Ausfallendes gegen Asylanten gesagt hat, dann reibe ich mir schon ein bisschen
die Augen in Anbetracht dessen, dass unser früherer Vizekanzler es mal für
völlig normal hielt Polizisten zusammenzutreten und heute noch den
Elder-Statesman macht. Aber ich will mich nicht schon wieder dem Vorwurf der
Verharmlosung aussetzen, ich meine nur, dass man erstaunlich wenig gegen Pegida
gefunden haben muss, wenn das der Kronzeuge ist. Mein stilisiertes Bild von
Rechtsextremisten ist jedenfalls ein anderes, aber das mag daran liegen, dass
ich Rechtsextremismus eher mit sprichwörtlicher Gewalt assoziierte und nicht
mit dämlichen Selbstporträts.
Das bei Pegida früher oder später
genau das eintreten würde, was die Presse von vorneherein als gegeben ansah,
war dabei so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Bewegung wurde mehr und
mehr von Rechtsextremen unterwandert und wird heute im Wesentlichen davon
geprägt. Diese Entwicklung war nicht nur abzusehen, sie war am Ende
unvermeidlich. Genauso wie die Piraten nicht als digitale Außenstelle der SED
begonnen hat, die sie heute ist, so war auch diese Entwicklung aus ihrer
Struktur unvermeidlich. Wenn Amateure anfangen Politik zu treiben und einen
Überraschungserfolg erleben, sind die Extrem-Trittbrettfahrer, die die Republik
schon immer nach ihren Vorstellungen formen wollten, nicht einmal einen
Steinwurf entfernt. Was bei der Piraten die Rotfaschisten waren sind bei Pegida
dann die Braunfaschisten.
Sind deswegen Piraten oder Pegida
von vorneherein extremistische Bewegungen gewesen? Nein, ich denke sogar im
Gegenteil. Extremistische Bewegungen haben die Eigenschaft sich selber zu
marginalisieren, weil sie am Ende die Mengen abstoßen, die sie vorher getragen
haben. Die Piraten wurden zu Anfang von der „digitalen Jugend“ getragen, ein
eher unpolitischer, aber durchaus nicht so kleiner, Haufen, der sich politisch
nicht repräsentiert fühlte, aber nicht den Extremisten angehörte. Mit
zunehmender Unterwanderung durch Antifa und Co. wurden die Piraten für eben
jene Gruppe zunehmend unattraktiv, heute sind sie marginalisiert. Bei Pegida
war (und ist) es ganz ähnlich. So gehe ich davon aus, dass gerade zu Anfang und
gerade in Dresden tausende aus echter Besorgnis zu den „Spaziergängen“ gegangen
sind, Leute die mit den Extremisten nix am Hut haben. Genau diese Leute fehlen
mit zunehmender Unterwanderung natürlich immer mehr, am Ende bleibt das
Sammelbecken für diejenigen, die sich von Parolen weniger abgestoßen als
angezogen fühlen.
Zusammenfassend denke ich, dass man
zwei Fehler nicht machen sollte. Der erste Fehler ist zu meinen der Feind
meines Feindes sei mein Freund. Pegida ist kein Verbündeter für Liberale, schon
von Beginn an nicht und spätestens seit der zunehmenden Unterwanderung erst
recht nicht. Da können sie noch so viel gegen das linke Establishment sein,
eine Gemeinsamkeit schafft keine Verbündeten. Ich mag den Multi-Kulti-Verein
nicht, der inzwischen zu grossen Teilen deutsche Politik definiert, aber nur
weil ich das mit Pegida gemeinsam habe, werde ich kein Verbündeter von Leuten,
die meinen das Putin (welch ein Hohn) ihnen helfen solle. Der zweite Fehler ist
aber nicht ein bisschen besser, es ist zu meinen die Botschaft hinge am
Überbringer fest und etwas das vom falschen gesagt wird, sei daher falsch. Das
ist simple Agitationsfibel, Seite eins. Was Pegida auf seine Fahnen schreibt
ist ein handfestes Problem und es ist nicht deshalb falsch, weil „die Falschen“
es sagen.
Ich für meinen Teil würde mich
tatsächlich freuen wenn das Thema endlich mal öffentlich und ehrlich diskutiert
würde. Und ich hatte (und habe) die Hoffnung das mit jedem Tropfen, von
Sarrazin bis Pegida, der Stein ein bisschen gehöhlt wird. Dafür betrachte ich
Pegida als nützlich. Und damit hat es sich auch schon.
Llarian
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