22. März 2015

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Ein Gedankensplitter zu Pegida und der Frage wem man zustimmen darf.

Pegida war von Anfang an ein spaltendes Thema, nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für Zettels Raum und seine Autoren. Die starke Emotionalität liegt vermutlich weniger an den Vertretern von Pegida selber, sondern darin begründet, dass Pegida ein Thema anspricht, das seit mehreren Jahrzehnten unter der Oberfläche brodelt, öffentlich allenfalls in Alibiveranstaltungen behandelt wird, deren Verlogenheit dem schwarzen Kanal zur Ehre gereichen würde, aber uns alle irgendwie betrifft. Das wirkt. Und es schürt Emotionen. Starke Emotionen, die so heftig ausbrechen können, dass selbst Leute, die sich ansonsten gut vertragen, sich plötzlich starken Konflikten ausgesetzt sehen, die sie so nicht erwartet haben. Das ist typisch für Themen, die eigentlich nur abseits des Tisches besprochen werden, man ist erstaunt und verwundert, was der Gegenüber denkt. Weil man vorher nie gefragt hat, aber doch meint des anderen Meinung gekannt zu haben. 

Mein persönliches Verhältnis zu Pegida ist recht ambivalent: Ich mache mir generell nicht viel aus Demos, denn ich meine das Demokratie an Wahlurnen stattfindet und nicht auf der Straße. Auch sind mir diverse Parolen von Pegida eigentlich zu blöde sie ernsthaft zu diskutieren von „Lügenpresse auf die Fresse“ bis „Putin hilf“. Es ist schwer Sympathien für Leute zu artikulieren, die unreflektiert solche Sprüche skandieren. Es handelt sich zudem um eine durch und durch unliberale Bewegung.
Und dennoch, ja, dennoch bin ich nicht ganz so unglücklich, dass Pegida existiert. Weil mit Pegida öffentlich der Finger auf etwas gelegt wird, das weit wichtiger ist als die Frage ob ein paar tausend (meinetwegen auch paar zehntausend) Menschen Probleme mit der Pressefreiheit haben. Pegida erinnert an ein schwerwiegendes Problem unserer Gesellschaft. Ob wir das Ding Islamisierung (aktueller Begriff), Überfremdung (alter Begriff), Kulturkampf (Huntington) oder Schnubbedidum (ein schönes Wort) nennen ist dabei ziemlich nebensächlich. Beschrieben wird ein von vielen, und zwar vielen Millionen, Menschen wahrgenommenes Problem.
Wie groß das Problem am Ende genau ist, soll an dieser Stelle nur am Rande interessieren. Ich persönlich halte es für die größte gesellschaftliche Bedrohung seit den Nazis, aber ich will niemanden zwingen meine Weltsicht in dieser Frage zu teilen. Entscheidend soll an dieser Stelle sein, dass das Problem von sehr vielen Menschen gesehen und erlebt wird. Wenn wir uns nicht auf die (doch recht linke) Leseart zurückziehen wollen, dass es sich um ein Scheinproblem handelt, bei dem nur der Empfindende ein Problem mit seiner Wahrnehmung hat, so muss man an der Stelle einfach erst einmal hinnehmen, dass eben jene Menschen einen Bedarf haben, dass dieses Problem adressiert wird. Und wenn es nur die Diskussion dessen ist. Die Verkaufszahlen von Sarrazin, ebenso wie die Sympathiewerte für Pegida sprechen da eine deutliche Sprache.
Ebenso positiv empfinde ich die gnadenlose Demaskierung von echten und selbsternannten Eliten, angefangen von den wesentlichen Teilen der Presse, von guten Teilen unserer politischen Vertretung bis schließlich auch zum berühmten Domprobst, die allesamt demonstrieren wollten, wie wenig sie am Ende von dem halten, was andere denken. Der Geifer mit dem danach gesucht wurde den Pegidas was am Zeug zu flicken, sagt am Ende deutlich mehr über diejenigen aus, die Kritik ausüben wollen, als über die Kritisierten aus. Wenn das Dollste, das man dabei gefunden hat, die Tatsache war, dass der Vortänzer (eine ziemlich verkrachte Existenz, wenn man mich fragt) sich mal mit einem Hitlerbärtchen hat photografieren lassen und schon mal was Ausfallendes gegen Asylanten gesagt hat, dann reibe ich mir schon ein bisschen die Augen in Anbetracht dessen, dass unser früherer Vizekanzler es mal für völlig normal hielt Polizisten zusammenzutreten und heute noch den Elder-Statesman macht. Aber ich will mich nicht schon wieder dem Vorwurf der Verharmlosung aussetzen, ich meine nur, dass man erstaunlich wenig gegen Pegida gefunden haben muss, wenn das der Kronzeuge ist. Mein stilisiertes Bild von Rechtsextremisten ist jedenfalls ein anderes, aber das mag daran liegen, dass ich Rechtsextremismus eher mit sprichwörtlicher Gewalt assoziierte und nicht mit dämlichen Selbstporträts.  
Das bei Pegida früher oder später genau das eintreten würde, was die Presse von vorneherein als gegeben ansah, war dabei so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Bewegung wurde mehr und mehr von Rechtsextremen unterwandert und wird heute im Wesentlichen davon geprägt. Diese Entwicklung war nicht nur abzusehen, sie war am Ende unvermeidlich. Genauso wie die Piraten nicht als digitale Außenstelle der SED begonnen hat, die sie heute ist, so war auch diese Entwicklung aus ihrer Struktur unvermeidlich. Wenn Amateure anfangen Politik zu treiben und einen Überraschungserfolg erleben, sind die Extrem-Trittbrettfahrer, die die Republik schon immer nach ihren Vorstellungen formen wollten, nicht einmal einen Steinwurf entfernt. Was bei der Piraten die Rotfaschisten waren sind bei Pegida dann die Braunfaschisten.
Sind deswegen Piraten oder Pegida von vorneherein extremistische Bewegungen gewesen? Nein, ich denke sogar im Gegenteil. Extremistische Bewegungen haben die Eigenschaft sich selber zu marginalisieren, weil sie am Ende die Mengen abstoßen, die sie vorher getragen haben. Die Piraten wurden zu Anfang von der „digitalen Jugend“ getragen, ein eher unpolitischer, aber durchaus nicht so kleiner, Haufen, der sich politisch nicht repräsentiert fühlte, aber nicht den Extremisten angehörte. Mit zunehmender Unterwanderung durch Antifa und Co. wurden die Piraten für eben jene Gruppe zunehmend unattraktiv, heute sind sie marginalisiert. Bei Pegida war (und ist) es ganz ähnlich. So gehe ich davon aus, dass gerade zu Anfang und gerade in Dresden tausende aus echter Besorgnis zu den „Spaziergängen“ gegangen sind, Leute die mit den Extremisten nix am Hut haben. Genau diese Leute fehlen mit zunehmender Unterwanderung natürlich immer mehr, am Ende bleibt das Sammelbecken für diejenigen, die sich von Parolen weniger abgestoßen als angezogen fühlen.
Zusammenfassend denke ich, dass man zwei Fehler nicht machen sollte. Der erste Fehler ist zu meinen der Feind meines Feindes sei mein Freund. Pegida ist kein Verbündeter für Liberale, schon von Beginn an nicht und spätestens seit der zunehmenden Unterwanderung erst recht nicht. Da können sie noch so viel gegen das linke Establishment sein, eine Gemeinsamkeit schafft keine Verbündeten. Ich mag den Multi-Kulti-Verein nicht, der inzwischen zu grossen Teilen deutsche Politik definiert, aber nur weil ich das mit Pegida gemeinsam habe, werde ich kein Verbündeter von Leuten, die meinen das Putin (welch ein Hohn) ihnen helfen solle. Der zweite Fehler ist aber nicht ein bisschen besser, es ist zu meinen die Botschaft hinge am Überbringer fest und etwas das vom falschen gesagt wird, sei daher falsch. Das ist simple Agitationsfibel, Seite eins. Was Pegida auf seine Fahnen schreibt ist ein handfestes Problem und es ist nicht deshalb falsch, weil „die Falschen“ es sagen. 
Ich für meinen Teil würde mich tatsächlich freuen wenn das Thema endlich mal öffentlich und ehrlich diskutiert würde. Und ich hatte (und habe) die Hoffnung das mit jedem Tropfen, von Sarrazin bis Pegida, der Stein ein bisschen gehöhlt wird. Dafür betrachte ich Pegida als nützlich. Und damit hat es sich auch schon.


Llarian


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