10. Februar 2016

Umfragen und ihre Aussagen


Umfragen sind vielfältig. Sie können seriös oder tendenziös, gekauft oder wissenschaftlich (das heißt unter Anderem der Wahrheitssuche verpflichtet) sein. Manche Menschen sprechen Umfragen, wohl nicht ganz zu unrecht, auch eine beeinflussende Wirkung zu. Denn, so das Argument, der Herdentrieb mache einen anfällig, sowohl für postulierte Mehrheiten wie auch Trends, wie beispielsweise eine im Auftrieb befindliche Partei oder Position. Im amerikanischen nennt man letzteres "momentum" und es wird in der Regel intensiver wahrgenommen, wenn es der von einem selber schon längst präferierten Partei, Kandidaten oder Position zugute kommt. Entsprechend ist auch der Vorwurf der Manipulation häufig nicht weit.
Die zwei wichtigsten aktuellen Trends in der deutschen Meinungslandschaft werden jedoch von jedem wahrgenommen, der sich etwas politisch interessiert. Da wäre zum einen die enorme Zunahme der Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, zum anderen der Aufwärtstrend der AfD.


Beides ist durchaus richtig. Nur wurde ein Aufwärtstrend der AfD schon Ende letzten Jahres und damit zu einem Zeitpunkt postuliert, da gab es ihn gar nicht. Wie ist das möglich gewesen?

Wer immer die letzte mit der vorletzten veröffentlichten Umfrage vergleicht, auch wenn beide Umfragen von zwei gänzlich unabhängigen Instituten stammen, kann dies nun je nach politischer Richtung oder reiner Sensationsgier der Medien wie ein Aufsteigen oder ein Wiederabnehmen der AfD darstellen.

Wer sich dagegen eine längere Reihe an Umfragen ansieht, ebenfalls ohne zwischen den verschiedenen Umfrageinstituten zu differenzieren, der muss unweigerlich enorme Schwankungen feststellen. Was aussieht wie ein statistischer Fehler sind aber in Wahrheit die systematischen Fehler unterschiedlicher Umfrageinstitute.

Dazu schauen wir uns einmal die Übersicht über die letzten Umfragen verschiedener Umfrage-Institute bei wahlrecht.de an. Wir sehen hier die AfD bei nahezu allen Umfrageinstituten bei (10 ± 1) %. Lediglich INSA sieht die AfD bei 13% (Stand 25. Januar 2016; aktuell, also am 10. Februar 2016, liegt die AfD laut INSA bei 12%, bei Emnid inzwischen auch). Ein Klick auf die einzelnen Institutsnamen führt auf eine Liste der vom jeweiligen Institut durchgeführten Umfragen und den hierbei ermittelten Ergebnissen.

Wer hier seinen Fokus auf die Umfrage vom 4. Quartal des letzten Jahres legt, wird feststellen, das die AfD im letzten Viertel des Jahres 2015 bei jedem der Umfrageinstitute recht stabil lag. Je nach Umfrageinstitut entweder bei 6% bis 8% oder bei 7% bis 9%. Die Ausnahme stellt wieder INSA da. Hier lag die AfD seit dem 9.11.2015 bis zum Ende des Jahres stabil bei (10±0,5)%.

Doch wie kommt es jetzt insbesondere zu den höheren Umfrageergebnissen für die AfD (übrigens auch für die FDP) bei INSA im Vergleich zu den anderen Instituten?

Nun, ein Blick auf wahlrecht.de bringt uns schnell weiter. Dort heißt es nämlich auf der Website mit den Umfrageergebnissen von INSA:

Online-Panel – internetbasierte Befragung von gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool)

Ein Hinweis auf die Verwendung eines Online-Panels findet sich so bei keinem anderen Institut und ich gehe auch eher von Telefonumfragen und face-to-face Befragungen seitens der anderen Institute aus.

Welche Auswirkungen könnte nun die gewählte Methode mit dem Online-Panel haben?

Nun, zuerst einmal könnte man an die unterschiedliche Repräsentation verschiedener demographischer Gruppen, insbesondere Altersgruppen, im Netz denken. Ist doch ein weitaus niedrigerer Anteil der Senioren im Netz aktiv (oder hat überhaupt einen Internetanschluss) während unter jüngeren Bürgen nahezu jeder einen Internetanschluss hat. Jüngere sind im Netz im Vergleich zu Gesamtbevölkerung überrepräsentiert, doch handelt es sich hier ja nicht um beliebig ausgesuchte Internetnutzer, sondern "gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool)". Der Befragten-Pool dürfte, davon kann man guten Gewissens ausgehen, gezielt so zusammengesetzt sein, dass er bezüglich des Anteils verschiedener demographischer Gruppen repräsentativ für die gesamte Bevölkerung zusammengesetzt ist oder aber das Gewicht der Antworten einer demographischen Gruppe auf ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung hochgerechnet wird.

Doch eines kann im Falle eines reinen Online-Panels weder heraus gerechnet werden, noch kann es in Bezug darauf eine entsprechende repräsentative Zusammensetzung eines reinen Online-Panels geben: Das unterschiedliche Wahlverhalten von Internetnutzern und internetfernen Wählern. Dieser dürfte bei jüngeren Menschen kaum ins Gewicht fallen, da es hier kaum Wähler ohne Internetanschluss gibt. Je älter jedoch die Wähler, um so mehr Einfluss erhalten diejenigen, welche keinerlei Umgang mit der Internet haben und daher für ein Online-Panel auch nicht in Frage kommen.

Während jüngere Wähler allgemein weniger mit den Werten und Vorstellungen der heutigen (nach-luckschen) AfD anfangen können, könnte es bei älteren Wählern (und die Grenze ist hier fließend, weshalb ich hier keine genaue Altersgrenze nenne) einen enormen Unterschied machen, ob sie ihre Informationen primär vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen und gedruckten Zeitschriften erhalten oder zumindest teilweise Meinungen und Nachrichten im Netz konsumieren, sich in Foren beteiligen oder Blogs lesen oder sich sogar auf Facebook anmelden. 

Könnte es vielleicht sein, dass Wähler, die sich primär oder gleichermaßen über das Internet informieren, im Vergleich zu Wählern, die hauptsächlich über gedruckte Zeitungen und das öffentlich-rechtliche Fernsehen Nachrichten konsumieren, leicht überdurchschnittlich zur AfD (und übrigens auch zu den - politisch gänzlich anders ausgerichteten - FDP) neigen?

Wenn ja, so hätte sich allerdings in diesem Falle INSA durch seine Methodik einen systematischen Fehler eingehandelt.

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