30. März 2015

Ein jeder koche sein eigenes Süppchen. Ein Gedankensplitter zu wildem Aktionismus.


Die Maschine von Germanwings war noch keinen halben Tag abgestürzt, als die ersten Experten uns bereits erklärten, was wir nun unbedingt tun müssen. Da war die Rede davon, dass jeder A320 jetzt unbedingt sofort überprüft werden müsse. Und das man bestimmte Teile an jedem Flugzeug dieses Typs sofort austauschen müsse. Zu diesem Zeitpunkt wusste man nicht das Geringste über die Ursachen. 
Der vermutete, um nicht zu sagen unterstellte, technische Fehler stellte sich dann später als haltlos heraus. Als sich einen knappen Tag später nach und nach herausstellte, dass einer der beiden Piloten vergeblich versuchte in das Cockpit einzudringen, haben uns dann wieder andere Experten informiert, wie schlimm es sei, wenn ein Pilot, so er doch alleine sei, einen Herzinfakt bekommen könnte und niemand mehr das Cockpit betreten könne. Auch hier stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass keiner der Piloten einen Herzinfakt hatte und der zweite Pilot auch in einem solchen Falle duchaus das Cockpit hätte betreten können. ­
Als sich dann schlussendlich verdichtete, dass es sich um einen amokartigen Suizid handeln könnte, haben uns die nächsten Experten erklärt, dass eine zwei Personen-Regel unbedingt notwendig sei, um solcherlei zu verhindern. Das jemand, der darauf aus ist 150 Menschen mit sich in den Tod zu reissen, kein grösseres Problem damit haben dürfte, dem anderen vorher noch den Schädel einzuschlagen, bleibt dabei auf der Strecke.
Wieder andere Experten witterten eine psychische Erkrankung bei dem Copiloten, und machen sich nun öffentlich Gedanken darüber, dass man die psychische Situation von Piloten stärker überprüfen müsse. Den Vogel (oder die Vögelin) abzuschiessen, hat sich -Ehre wem Ehre gebührt- natürlich die Emma nicht nehmen lassen, indem sie über Frauenquoten in Cockpits philosophierte, weil Männer ja ohnehin zum Suizid neigen. 

Nun mag das eine oder andere davon nicht unbedingt falsch sein. Natürlich gibt es Fehler in technischen Konzepten. Und natürlich kann man Verfahren verbessern. Ebenso wie man sich Gedanken machen kann um die Eignung von Personen, die sehr grosse Verantwortung in ihrem Job tragen. Aber: All das verdient eine Betrachtung unabhängig von den Eindrücken, die derzeit durch die Zeitungen geistern. Der A320 ist ein extrem zuverlässiges Flugzeug mit Abermillionen (eher Milliarden) Einsatzkilometern. Das ein echtes Sicherheitsproblem innert einiger Stunden neu entdeckt wird, ist unwahrscheinlich. Und das in den nächsten Tagen eine weitere Maschine an einem so unterstellten Defekt abstürzt, ebenso. Piloten sind auch nicht suizidgefährdeter oder depressiver als andere Berufsgruppen, zumindest ist das die Erfahrung der letzten 50 Jahre. Und ob Frauen in Cockpits soviel zuverlässiger sind, eigentlich eine These fast zu dumm, um sie zu kommentieren, ist zumindest nichts, was im direkten Schatten einer Katastrophe diskutiert werden muss. All diesen Expertenmeinungen und Vorschlägen ist eins gemeinsam: Es ist purer Aktionsmus von Leuten, die jetzt ihre fifeteen minutes of fame mal so richtig auskosten wollen. 
Etwas sinnvolles wird dabei sicher nicht rauskommen. Denn Flugsicherheit wird in Fachausschüssen, in Normen, Kontrollgremien und Fachberichten geschaffen, nicht in der Bild Zeitung und nicht in der Emma. Auch wenn der größte Massenmord der jüngeren deutschen Geschichte in seiner Dimension erschrecken mag, so vergisst man allzu schnell, dass es sich hierbei um eine extreme Ausnahme handelt, die es so noch nicht gegeben hat und mit aller Sicherheit auch so schnell nicht wieder geben wird. Und wenn, dann zumindest nicht den nächsten zwei Tagen, in denen jeder Experte seine Vorschläge umgesetzt haben möchte. 

Llarian


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