31. März 2015

Dummes, kurz kommentiert: Günther Öttinger und die Netzneutralität


Prinzipiell verbindet dieser Autor mit dem Wort Öttinger zunächst eher Positives: Nämlich ein süffiges, ausgesprochen günstiges Supermarktbier, das in seinem Preissegment eine durchaus hohe Qualität erfüllt. Wenn da nicht, ja, wenn da nicht auch Günther Öttinger wäre, ehemaliger Ministerpräsident, später Energiekommissar und heute  EU Kommissar für Digitalwirtschaft. Letzteres ist das Problem. Denn von einem Kommissar für Digitalwirtschaft sollte man auch eine gewisse Fachkenntnis seines Fachbereiches erwarten, die über das Lesen seiner Emails hinausgeht. 

Günther Öttinger hat nicht das geringste Problem damit genau das Gegenteil zu belegen. So äusserte er folgendes in einer Diskussion beim Bundesfinanzministerium:

"Was die Netzneutralität betrifft, da haben wir gerade in Deutschland Taliban-artige Entwicklungen. Da ist die Netzgemeinde, da sind die Piraten unterwegs, da gehts um perfekte Gleichmacherei. Da heißt es die böse Industrie. Da geht es nicht um die Industrie, da geht es nicht um den Vorstand und sein Gehalt. Wenn Sie Verkehrssicherheit in Echtzeit haben wollen, da geht es um unser Leben, dann muss dies absoluten Vorrang haben, in Qualität und Kapazität."

Das ein Vergleich mit den Taliban schon ein recht deutlicher Griff in Gossenargumentation ist, sei mal aussen vor gelassen, aber inhaltlich dürfte das, was er im letzten Satz zum Ausdruck bringen möchte, einer der dümmsten Sätze sein, die bisher öffentlich zur Netzneutralität geäussert worden sind. Offensichtlich versucht Herr Öttinger hier allen Ernstes seinen Zuhörern zu verkaufen, dass unsere Sicherheit in autonomen oder teilautonomen Fahrzeugen, demnächst von der zur Verfügung stehenden Bandbreite des Fahrzeugs abhängen soll. Und um die Luft gleich rauszunehmen: Kein Einziger von den Grossen, die derzeit an autonomen Fahrtechnologien arbeiten, sei es Google oder ein großer Autohersteller, hat bislang vor, auch nur eine Sicherheitsfunktion von Netzverbindungen abhängig zu machen. Das wäre auch grob fahrlässig, da auch unter Vernachlässigung der Netzneutralität kein Real-Time-Netz entstünde und Bandbreitengaratien sicher nicht Teil der Technologie sind. Die Idee ist absurd. 
Und an dieser Stelle darf man sich fragen: Weiss der Mann es nicht besser oder weiss er es besser. Wenn er es nicht besser weiss, dann gehört er nicht auf diesen Posten, denn offenkundig hat er sich von einem geschmierten lobbygeschulten Mitarbeiter einen solchen Unsinn einflüstern lassen. Weiss er es dagegen besser, wäre er erst recht untragbar, da er hier das Lobbyinteresse wohl klar vor die Wahrheit stellt. 
Einen Hinweis, wie es sich verhält, liefert die Diskussion allerdings selber. Die Diskussion fand mit dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen Telekom, Timotheus Höttges, statt. Der Telekom ? Genau der. Zufällig genau mit der Firma, die seit mehreren Jahren versucht die Netzneutralität aufzuheben, um nicht nur von seinen Kunden Geld zu kassieren, sondern vor allem Geld von den grossen Anbietern von Daten abzugreifen. Allerdings nicht um Autos sicherer zu machen. Sondern um mehr Geld zu machen. Sozusagen doch wieder die Vorstandsgehälter. Klingt natürlich nicht so gut. 
Und das ist dann der deutsche Kommissar für Digitalwirtschaft. 
Kleiner Nachsatz: Böse Industrie ist natürlich Unsinn. Industrie ist weder böse noch gut, es ist erst einmal wertneutral. Böse ist ohnehin schwer zu definieren. Aber eins habe ich mal gelernt: Nicht die Wahrheit zu sagen finden die meisten recht böse.

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Llarian


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