3. September 2023

Die Affäre Söder

Söder hat sich jetzt "großzügigerweise" dazu entschlossen seinen Koalitionspartner Hubert Aiwanger nicht zu entlassen. Die Entlassung sei "nicht verhältnismäßig". Was übesetzt nichts anderes bedeutet, dass die Wetterfahne Söder inzwischen gemerkt hat, dass ihm das Ding selber um die Ohren fliegt und er zusehen muss, dass er so schnell wie möglich Land gewinnt, bevor er den freien Wählern noch mehr Stimmen zuschiebt. Bei der deutschen Presse kann er sich darauf verlassen, dass die selbst einem CSU Chef nie so unangenehme Fragen stellen wird, wieso er nach einer Woche zu dieser Entscheidung kommt, wo sich die Faktenlage ja nun nicht geändert hat. Merkel musste auch immer erst abwarten, was in der Presse stand, bevor sie die Dinge "vom Ende her" dachte.

Mithin steht Söder vor der Trümmern einer Schmutzkampagne die für ihn ganz positiv angefangen hatte. Das neue Süddeutschland, gerne auch Alpen Prawda genannt, hatte sich vor acht Tagen dazu entschlossen einen Schmierenartikel (im englischen gerne "Hit-Piece" genannt) über den Chef der freien Wähler in Bayern zu veröffentlichen. Das Timing war kein Zufall, man hatte sich von einem SPD-Kader und früheren Lehrer von Aiwanger einen Vorwand zuspielen lassen, um kurz vor der Wahl so massiv Dreck auf den politischen Gegner zu werfen, um den Grünen den Weg zu ihrer Wunschkoalition mit Söder zu verhelfen. Ob damit wirklich ein neuer Tiefpunkt im Journalismus erreicht war, ist am Ende schwer zu entscheiden, betrachtet man die Hetzkampagne gegen Möllemann, das Kesseltreiben gegen Sebnitz oder die Hatz auf Thilo Sarrazin ist es schwer einen Tiefpunkt auszumachen. Man kann auf jeden Fall feststellen, dass die Süddeutsche sich immer noch in bester DDR-Tradition versteht, den vermeintlichen Feind zu zersetzen (wie das im Fachjargon der Stasi genannt wurde). 

Doch der Schuss ging mehr oder minder nach hinten los. Nicht für das neue Süddeutschland, denn die letzten Leser, die das Blatt noch hat, sind Schmierenjournalismus gewöhnt und werden das am Ende sogar goutieren. Auch für die sonstige deutsche Presselandschaft, die sich ohnehin in ihrer Rolle des blinden Mobs recht wohl fühlt, wird am Ende nicht den großen Schaden erleiden. Auch die erwartbare Reaktion der Linken von SED, Grün und Spezialdemokratie dürfte nicht das große Problem sein. Wer grün wählt, dem kann es gar nicht schmutzig genug werden, wenn es nur den vermeintlich Bösen trifft. 

Nein, der größte Schaden dürfte bei Markus Söder aufschlagen, der nun die Wahl zwischen Pest und Cholera hatte. Er hätte aufrecht stehen können und die Schmutzkampagne als solche bezeichnen können, was aber den dummen Nachteil gehabt hätte, dass er sich damit seinen Wunschkoalitionspartner in Form der Grünen verprellt hätte, der ja sofort und begeistert auf den Zug aufgesprungen war. Oder er hätte den grünen Sirenengesängen nachgeben können, seine Regierung vor die Wand fahren lassen und damit sowohl die Grünen als auch die freien Wähler stärken können.
Wie es seine Art ist und sein äußerst biegsames Rückrat ihm vorgab, entschied sich Söder natürlich für den Weg dazwischen. Er versuchte einerseits die Grünen nicht zu verprellen, andererseits aber seinem Koaltionspartner maximal zu schaden, indem er diesen wie einen Schuljungen vortanzen lies in der Hoffnung ihn maximal zu blamieren.

Und ein paar Tage lang schien diese Rechnung auch aufzugehen. Die Presse stürzte sich, wie zu erwarten war, auf die Schmutzkampagne. Rote und grüne Vortänzer sahen ihre Chance von der eigenen Regierung abzulenken und selbst der Alzheimer-Kanzler meldete sich zu Wort und meinte von Söder den Rücktritt Aiwangers erzwingen zu können. Frühere Mitschüler sahen ihre Chance auf ihre fünf Minuten Ruhm und erzählten eine Räuberpistole nach der anderen, von Hitler Bärten bis zum Spritzen von Säure auf Lehrer. Und Aiwangers zunächst vergleichsweise hilflose Reaktion spielte dem voll in die Karten. Söder meinte der Job würde für ihn gemacht.  

Aber am Ende fruchtete es nicht. Und Söder wurde zu einer Entscheidung genötigt, die er nicht treffen wollte. Wäre Aiwanger eingeknickt hätte er den aufrechten Demokraten geben können, er hätte noch ein bischen Schmutz auf die freien Wähler werfen können und alles wäre toll für ihn gewesen. Aber Aiwanger knickte nicht ein. Und die freien Wähler auch nicht.

Und so blieb ihm nicht viel anderes übrig als den Schwanz einzukneifen. Hätte er Aiwanger entlassen, so hätte die CSU noch mehr Schaden davon getragen, weitere Koalitionen mit den freien Wählern hätten unter der Prämisse gestanden, dass das nicht mehr mit Markus Söder möglich wäre und am Ende hätten ihm die Grünen nach der Wahl die Bedingungen für die Koaltion diktieren können. Das war dann doch zuviel. Und nun versucht er sich irgendwie rauszuwinden.

Es mag Wunschdenken sein, aber ich glaube das die ganze Kampagne am Ende nur einen Verlierer kennt: Markus Söder. Und dazu muss man sich die Wähler betrachten: Wer vorher links gewählt hat, kann das nicht zweimal tun, und kein Grüner wird CSU wählen, weil Schröder seinen Koalitionspartner versucht hat zu desavouieren (noch dazu, wenn er dabei scheitert). Aber auch bei den Wählern der freien Wähler (die deutsche Sprache ist eine schöne Sprache) wird sich da nicht viel tun. Ich glaube nicht, dass da allzuviele was auf diesen Sturm im Bionade-Glas der Süddeutschen geben. Das Empörungspotential ist reichlich grün, bzw. rot. Im Gegenteil, wenn solche so offensichtlichen Schmutzkampagnen gefahren werden, würde ich eher mit einem Wagenburg Effekt rechnen. Es ist zu einfach zu durchschaubar. 

Das einzige Problem, dass ich sehen würde wären die CSU Wähler. Und zwar die Unterkategorie "Stimmvieh". Die Wähler auf die sich die großen Parteien gerne zu verlassen pflegen, weil die schon immer ihr Kreuz an der Stelle gemacht haben. Werden die das noch tun? Wie werden die das goutieren das ihr "Landesvater" so bereitwillig auf den grünen Zug springt um einen von ihnen zu verunglimpfen. Denn das genau könnte Söders Problem sein: Aiwanger ist einer von ihnen. Er ist ein bayrischer Landwirt. Und auch wenn er nicht in der CSU ist, werden die meisten bayrischen Wähler ihn als "einer von uns" identifizieren. Das Söder so bereitwillig auf die Hatz aufgesprungen ist, wird an bayrischen Stammtischen nicht gut ankommen. Dazu muss man sich auch mal die Entwicklung der letzten Jahre ansehen. Vor 20 Jahren waren die freien Wähler bei vielleicht drei oder vier Prozent und die AfD gab es noch gar nicht. Vor fünf Jahren hatten die beiden schon mehr als 20 Prozent der Stimmen. In einem Monat könnten es 30 sein. Das meiste davon von der CSU.  

Die sind gegangen, weil die CSU nicht mehr ihren Vorstellungen entspricht. Und die sollen zurück kommen, wegen einer Hetzkampagne? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass sich eher mehr diesen anschließen werden?

Vielleicht ein kleiner, absurder Gedanke am Rande: Vor 30 Jahren hat Harald Schmidt in der Harald Schmidt Show diverse Polenwitze gerissen (was ihm heute schwer verübelt wird, vor allem dass er selber damit kein Problem hat). Und, um es ganz direkt zu sagen, vor 40 Jahren waren Türkenwitze auf deutschen Grundschulen nichts sensationelles (genauso wie Witze über Ostfriesen, Bayern, Italiener oder "Amerikaner, Russen und Deutsche"). Damals war halt noch nicht so "PC" wie heute, wo man meint man habe es mit Adolfs Erben zu tun, wenn jemand einen Witz über irgendjemanden macht, der nicht weiß, alt und männlich ist.  
Unabhängig von der Bewertung kann man mit einiger Berechtigung davon ausgehen, dass gute Teile der Bevölkerung (zumindest die, die älter ist als 35 Jahre) damit in Berührung gekommen ist und -Himmel hilf!- eventuell einen solchen Witz gar selber erzählt und weiter gegeben hat. Und das gar nicht so dramatisch findet. Denn die PC mag uns heute dazu zwingen, das nicht mehr zu tun, aber die wenigsten Leute werden sich heute dafür verurteilen, was sie als Kinder getan haben. 
Bei solchen Leuten wird die Kampagne nicht nur nicht verfangen, sie wird auch Solidarität auslösen. "Jetzt wird schon darin gekramt, was ich als 14 Jähriger gesagt habe? Ernsthaft?"
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Llarian

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