Aldi, zumindest Aldi-Nord, ist heute mit einem besonders originellen Tweet aufgefallen, der sich mehr oder minder gut derzeit durchs deutsche Internet verbreitet:
Aldi hat also zwei Arbeitlose "Influencer" gefunden (so richtig genau nimmt man es damit wohl auch nicht, wenn man schon Personen, die keine 1000 Twitter Follower haben als solche bezeichnen möchte), die so richtig an den linken Zeitgeist appellieren sollen. Sie erklären nicht nur warum sie keine Kinder haben möchten, sondern tun das -passt wie gemalt- während sie veganes Tofu zubereiten (als kleine Detailsanmerkung zu dem Bild möchte man den auf den ersten Blick männlich ausschauenden Influencer davor warnen so lässig die Hand über seine Kollegin zu legen, das könnte als sexistisch, chauvinistisch oder toxisch männlich verstanden werden).
Sieht man sich den restlichen Feed von Aldi-Nord an, so stellt man fest, dass der jüngste Tweet zwar deutlich extremer ausfällt, aber die Ansteuerung Richtung Woke-Kultur locker 50% des Twitter Inhaltes ausmacht, von Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Gender-Gerechtigkeit bis vegane Ernährung.
Kann man machen. Und für mich erscheint es auch nur folgerichtig, wenn man sich die Entwicklung von Aldi durch das letzten 15 Jahre ansieht. War Aldi früher der Discount schlechthin, schlecht ausgeleuchtet, billig, voll und ausgesprochen spiessig, versteht sich heute Aldi als moderner Supermarkt: Sauber eingeräumt, modern beleuchtet, voller Markenprodukte, ausgesprochen hip ausgerichtet und auch zunehmend teuer. Musste man früher beim Aldi noch mit riesigen, aber sperrigen Einkaufswagen über schlecht geputzte Flure streifen, kann man sich heute an Solartankstellen vor dem Markt erfreuen und darf mit einem zeitgemäß hippen Einkaufswägelchen innnen zwischen verschiedenen Sorten von Bio-Tofu wählen. Der Wandel der Zeit. Überhaupt der Wandel. Aldi hat schlicht die Zielgruppe gewechselt. War Aldi früher im Prinzip der Supermarkt für Familien, vor allem mit mehreren Kindern, ist die Zielgruppe nun der Hipster von heute, der sich an Bioprodukten erfreut, sich stark macht für Nachhaltigkeit und Umweltschutz und den es nicht juckt, wenn die Gurke statt 70 Cent auch mal das Doppelte kostet, so lange nur ein grüner Stempel drauf ist.
Und insofern ist der Tweet nur absolut logisch wie nahe liegend: DAS ist die Zielgruppe, die Aldi heute ansprechen will. Ob das Ganze am Ende trägt, wird man sehen, demographisch ist das Ganze nicht absolut dumm, Familien mit Kindern sind in Deutschland eine verschwindende Demographie und Hipster, die sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, weil sie sich nur von Tofu ernähren, scheinen eine endlos wachsende Gruppe zu sein.
Allerdings ist die jüngere Geschichte voll von Beispielen, wo die zunehmende woke-Kultur Firmen in Schwierigkeiten gebracht hat. Mein Lieblingsbeispiel ist immer noch Gillette, die es mit nur einem einzigen woke-Spot geschafft haben einen Milliardenverlust zu verursachen. Jüngere Beispiele sind teilweise noch extremer. Disney war vor einigen Wochen dumm genug sich vor den linken Karren spannen zu lassen und meinte sich bei den hippen Kreisen beliebt zu machen, in dem es offen die Regierung von Florida für ein dort verabschiedetes Gesetz zum Schutz von Kindern kritisierte. Das war reichlich dumm. Denn zum einen wurden interne Vorgänge bei Disney bekannt, die man unumwunden als Versuch der sexuellen Indoktrination von Kindern verstehen muss, was bei Eltern nicht ganz so gut ankommt, zum anderen entzog der Staat Florida Disney seinen Sonderstatus im Land, wodurch sich erhebliche Kostensteigerungen und Steuererhöhungen ergeben werden. Insgesamt wird die Kritik an dem Gesetz Disney am Ende locker einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten, der Konzern ist groß genug um daran nicht insolvent zu werden, aber der Vorstand wird seinen Aktionären demnächst einiges zu erklären haben. Noch krasser ist der eher stille Fall von Netflix. Netflix hat, ebenso wie andere Streamingdienste auch, ein zunehmendes Problem von woke-Inhalten. Da wo es früher noch verschämt am Rande stattfand, findet sich inzwischen zunehmend Inhalt, den man als nicht allzu woke-induzierter Mensch nicht nur nicht sehen will, sondern zunehmend abstoßend findet. Und also Folge brechen die Abonnenten weg, was vor zwei Wochen zu einem radikalen Kurssturz der Aktie um knappe 30 Prozent führte. "Go woke, go broke" ist nicht nur ein dummer Spruch sondern eine tiefe Wahrheit.
Und der Grund ist auch nahe liegend: Die laute Gruppe der Woke-Hipster ist auf Tik-Tok, Twitter, Facebook und Youtube sicher extrem präsent, aber zum einen ist sie nicht so groß wie man meint, zum anderen ist sie aber weder besonders treu noch besonders kaufkräftig. Plastisch gesprochen: Genderfluide, vegane, alternativ begabte, pansexuelle Tik-Tok-InfluencerInnen mögen eine unterhaltsame Personengruppe sein, aber sie gehen nicht ins Disney Land, sie haben nur ein Netflix-Abo und können auch maximal einen Rasierer in der Woche kaufen. Wenn dafür zehn Familien nicht mehr ins Disney-Land gehen, ihr Netflix-Abo kündigen und ihre Rasierer lieber im echten Discounter kaufen, dann tut das mehr weh.
Wenn Aldi meint die Öko-Hipster wären eine bessere Zielgruppe als Familien, dann werde ich sie kaum dran hindern können. Bei mir hats ohnehin schon früher gewirkt: Aldi ist mir schon lange viel zu teuer. Aber ich denke es ist ein sehr gefährlicher Weg, für den man sich dort entschieden hat. Vergraulte Kunden haben zum einen die Eigenschaft nicht wieder zurück zu kommen, zum anderen ist, und das zeigt sich zumindest bei den Beispielen Netflix und Disney sehr deutlich, der Woke-Mob nie zufrieden. Man muss immer nachlegen. Es ist wie eine Droge, bei der es nie genug ist.
Der unnachahmliche Ben Shapiro hat im Bezug auf Disney letzte Woche die Formulierung geprägt: "F.... around and find out". Ich finde das auch für Aldi durchaus korrekt: "F... around and find out.".
Llarian
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