2. April 2020

Die Corona App. Zweiter Teil.

Dies ist der zweite Teil meines Kommentars zur "Corona App".

Den ersten Teil finden Sie hier.




Nach dem technischen Teil kommt der politische Aspekt. Ich halte diese Applikation für brandgefährlich. Denn auch wenn Sie technisch nicht für Corona geeignet ist, so kann sie noch für ganz andere Sachen benutzt werden, die weit weniger anspruchsvoll sind. 

Man sollte nicht vergessen, dass es die Bundesregierung ist, die diese Applikation im Wesentlichen fördert. Der eigentliche Treiber der Applikation, Hans-Christian Boos, ist Teil des Digitalrates eben jener Regierung, also zumindest jemand mit keiner allzu großen Distanz zu eben jener. 

Was mich am meisten nervös macht sind einige der eher lapidaren Aussagen im Artikel wie, dass wenn das RKI sein Modell ändere, man eben halt schnell ein Update machen werde. Nun: Was bitte hindert unsere Regierung daran ein solches Update für sich zu verwenden und die Behördenschnittstelle mal etwas anders zu interpretieren? Nichts, aber auch gar nichts. In den letzten Tagen und Wochen hat die Regierung es vermocht fundamentale Grundrechte "per Verfügung"(!) außer Kraft zu setzen. Per Verfügung. Ich sage nicht einmal, dass das alles so falsch ist, aber es ist beängstigend wie leicht, wie simpel und ohne jedwede Debatte solch massive Eingriffe in unsere Grundrechte mal eben so gemacht werden. Wer hindert denn die Regierung daran solche Daten für andere Krisen, Notfälle, Notstände oder Bedrohungen zu verwenden? Kann sich jemand das ekstatische Gesicht von Annette Kahane vorstellen, wenn ihr Freund Heiko ihr in Aussicht stellt, eine Komplettübersicht zu liefern, wer alles bei der letzten PEGIDA mitgelaufen ist? Wenn die Erfahrung der Vergangenheit auch nur irgendetwas lehrt, dann vor allem, dass der Staat mit der Sicherheit solcher Daten zum einen überfordert ist, zum andere alles andere als vertrauenswürdig ist, solche Daten nicht zu missbrauchen. Der Spruch mag alt sein, aber ich habe kein Vertrauen in Menschen, die 1984 weniger als Warnung als als Betriebsanleitung interpretieren. Wir haben wenigstens(!) zwei Minister, die ganz offen gegen die freiheitliche Grundordnung eingestellt sind und agieren. Und das sind nur die offenen. Einem solchen Staat möchte ich solche Daten nicht zur Verfügung stellen.

Nach technischem und politischem Teil habe ich auch noch einen sozialen Aspekt. Das Ding wird nicht zuletzt deshalb nicht funktionieren, weil es nur von Leuten benutzt wird, die ohnehin die wesentlichen Anordnungen befolgen. Wer heute schon mit Mundschutz und Maske unterwegs ist, Menschenmengen meidet, sich nichts ins Gesicht fasst und auch privat die soziale Trennung nicht unterläuft, der wird auch eine solche App benutzen. Und am Ende wird nix rauskommen. Die aber, die es damit nicht allzu genau nehmen, werden auch eine solche App nicht installieren und die, die es nicht nur nicht genau nehmen, sondern die Quarantäne unterlaufen, werden schlicht ihr Handy im Zweifelsfall gar nicht mitnehmen. Private Grillparty? Ohne Handy! Heute treffe ich mich mal mit Frau Schnedermann zum Schnack? Ja, lass das Handy aber dann zuhause. Da derzeit die Sporthallen alle zu sind, bleibt mir als sportlicher Ausgleich nur das Laufen, was nichts andere bedeutet, dass ich an zwei von drei Tagen meine 8 Kilometer hinter mich bringe. Und ich sehe bei jedem, okay, fast jedem, dieser Läufe, mindestens ein "Grüppchen", dass ganz offensichtlich nicht all zuviel von den Regeln hält. Da sind Hundebesitzer in Kleingruppen, die mit 2 oder 3 Tieren unterwegs sind. Die stammen mit Sicherheit nicht aus einem Haushalt. Da sind Männer im selben Alter unterwegs, die ebenso schnacken, und mit aller Sicherheit auch nicht zusammen leben. Dann wieder eine Fahrradgruppe mit fünf Kindern im selben Alter und einem Erwachsenen. Sicher keine Brüder. Jetzt will ich das nicht verteufeln, Menschen sind soziale Wesen, aber es zeigt dass die Bereitschaft die Regeln einzuhalten, an allen Ecken bröckelt. Und jetzt meint irgendjemand, dass die in Zukunft alle ihr Handy mitnehmen? Nein, das tun die gerade nicht, die haben nämlich keine Lust sich anmachen zu lassen, respektive sich noch einer Strafe auszusetzen. 

Ein letzter Aspekt war mir zunächst gar nicht in den Sinn gekommen, dafür aber dem Kollegen Danisch. Der Mann ist Informatiker im Bereich Sicherheit. Und er weist darauf hin, dass der Sicherheitsaspekt völlig dabei untergeht. Wenn das alles so anonym ist, besteht ein gewaltiges Missbrauchspotential. Sie wollen ihren Konkurrenten abschiessen? Kein Problem. Sie bringen ihr Handy in die Nähe seiner Mitarbeiter und einen Tag später schicken Sie ihre Meldung. Auch schön ist folgender Aspekt: Da sich keine Verbindung aufbaut, sind die Bluetooth Pakete in dem Sinne auch unverschlüsselt (es ist keine Basis für eine Verschlüsselung da). Jeder kann sie empfangen. Und jeder kann sie senden. Ich schrieb ja bereits, dass ich mit BLE arbeite. Mit dem was ich hier liegen habe, habe ich in weniger als einer Stunde einen zweiten Sender konstruiert, der einen anderen Teilnehmer exakt imitiert.

Zusammengefasst bin ich ziemlich sicher, dass diese App ein gewaltiger Schuss in den Ofen wird. Was man freilich so nicht kommunizieren wird, denn ein solches Projekt ist immer am Ende zum Erfolg verdammt, vollkommen egal wie es läuft. DE-Mail war ein gewaltiger Griff ins Klo und wurde lange, lange von der Regierung befeuert und gefördert, bzw. zum Erfolg erklärt.Das wird hier kaum anders sein.

Heißt das auch, dass eine solche App prinzipiell unmöglich ist? Nein. Heißt es nicht. Vieles ist denkbar.  Die technischen Aspekte sind außerordentlich schwierig, aber mit entsprechendem Aufwand (und den richtigen(!) Leuten) ließe sich zumindest das eine oder andere Hindernis umgehen (alleine diese Lösungen zu diskutieren würde eine halbe Diplomarbeit ausmachen). Die politischen und sozialen Aspekte wären prinzipiell auch lösbar, würden aber etwas wichtiges voraussetzen, was man der deutschen Regierung nicht entgegen bringen kann: Vertrauen. So lange Menschen wie Heiko Maas, Franziska Giffey oder auch Frank-Walter Steinmeier in der deutschen Politik etwas zu sagen haben, kann man dem Staat kein solches Instrument in die Hand geben. 

Wünschenswert wäre eine solche Applikation. Sie könnte Milliarden einsparen, wenn Ansteckungswege exakt nachvollzogen werden können und gezielt alle Leute, die in Frage kommen zumindest als Risikopersonen erkannt würden. Und viel wichtiger: Wer alles keine Risikoperson ist. Das wäre ziemlich genial. Aber zum einen macht man sowas nicht "mal eben so, weil man es jetzt braucht", zum anderen ist die Gefahr dieser Applikation unter den deutschen politischen Verhältnissen zumindest in meiner Bewertung mindestens ähnlich groß wie die Gefahr durch Corona.

­
Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.