Irgendwo, ich glaube auf
WELT-Online, war einmal sinngemäß zu lesen, dass es ein großes Missverständnis
sei, Robert Habeck für einen Realo zu halten. Jedenfalls ist das öffentliche
Auftreten des in Lübeck geborenen Politikers dazu angetan, diese Aussage zu
bestätigen.
Freilich, die jüngsten
rhetorischen Fehlleistungen des Umweltministers des nördlichsten deutschen
Landes wurden von Schwergewichten seiner Partei wie Winfried Kretschmann und Tarek Al-Wazir kritisiert, und auch das SPD-Personal zeigte sich (mit Ausnahmen, die ohne Rückgriff auf hämische oder justiziable Wortspenden zu kommentieren schwerfallen
dürfte) den Expropriationsphantasien des Hoffnungsträgers der Grünen gegenüber
hartleibig. Die medialen Reaktionen auf Habecks Vergesellschaftungsträumereien
fielen indessen weitgehend achselzuckend aus – der NZZ kommt die Ehre zu, die
Angelegenheit klar analysiert und das Kind beim Namen genannt zu haben.
Abgesehen von der philosophischen und juristischen Bewertung stellen sich tatsächlich die von dem eidgenössischen Blatt aufgeworfenen Fragen, nämlich, ob der im Falle einer Liegenschaftswegnahme zu berappende Entschädigungsbetrag nicht besser in die Wohnbauförderung investiert wäre und ob man allen Ernstes annehmen kann, der an so ziemlich jeder Herausforderung scheiternde Senat von Berlin werde die Mietenproblematik in einer zufrieden stellenden Weise lösen. Hinzuzufügen wäre noch, dass hier wieder einmal ein typisches Großstadtproblem zur bundesweiten Katastrophe stilisiert wird, während die Landbevölkerung durch Unfug wie die Dieselfahrverbote schon längst in gewisser Weise kalt enteignet wird.
Was mich an der in diesem meinem Blogbeitrag verhandelten Angelegenheit ganz besonders stört, ist, dass Dr. phil.
Robert Habeck eigentlich wissen sollte, auf welch dünnes Eis respektive in
welch übelriechende Traditionslinie er sich mit seiner positiven Attitüde
gegenüber den Verstaatlichungsforderungen begibt. Lesen wir zunächst Punkt 17
des 25-Punkte-Programms der Deutschen Arbeiterpartei vom 24. Februar 1920, die
sich ab jenem Tag Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nannte:
Wir fordern eine unseren nationalen Bedürfnissen angepaßte Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation.
Im Jahr 1930 wurde dieser
Programmpunkt in der folgenden Art und Weise klarstellend interpretiert:
Da die NSDAP. auf dem Boden des Privateigentums steht, ergibt sich von selbst, daß der Passus "Unentgeltliche Enteignung" nur auf die Schaffung gesetzlicher Möglichkeiten Bezug hat, Boden, der auf unrechtmäßige Weise erworben wurde oder nicht nach den Gesichtspunkten des Volkswohls verwaltet wird, wenn nötig zu enteignen. Dies richtet sich demgemäß in erster Linie gegen die jüdische[n] Grundstücksspekulations-Gesellschaften.
Heben wir die für den
diachronen Vergleich wesentlichen Passagen hervor: Boden, der nicht nach den
Gesichtspunkten des Volkswohls verwaltet wird, soll enteignet werden können,
wobei sich dies in erster Linie gegen Grundstücksspekulationsgesellschaften
richtet. Lässt sich durch diesen Satz das Kernanliegen des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ nicht trefflich beschreiben?
Robert Habeck ist ganz
sicher kein Nazi, die führenden Köpfe der Enteignungsinitiative sind es
zweifellos auch nicht. Es verwundert aber schon sehr, dass in einem Land, in
dem zu Recht eine hohe Sensibilität in Bezug auf argumentative Anklänge an die
dunkelste Zeit der eigenen Geschichte besteht, sich achtsam und
geschichtsbewusst dünkende Kreise derart platt in reichlich verminte Fußstapfen treten.
Das Problem der
periodischen Wiederkehr des hässlichen Deutschen liegt darin begründet, dass
man glaubte, ihn mit der braunen Uniform beseitigen zu können. Seine geistigen
Wurzeln, die bei günstigen Verhältnissen durchaus auch im roten oder grünen
Anzug zur Blüte gelangen, hat man dagegen nicht ausgerissen. Die aus der
nationalsozialistischen Diktatur zu ziehende Lehre wäre gewesen, dem
hierzulande althergebrachten Kollektivismus zu misstrauen, die Rechte des
Einzelnen über die Ansprüche der Gesellschaft zu stellen und ein Klima zu
schaffen, in dem Individualismus als eine positive Attitüde angesehen wird.
Stattdessen haben wir den
einfältigen Kampf gegen rechts bekommen. Dass sich darin ideologisch partiell
miteinander harmonierende Gruppen gegenüberstehen – das ist die ganze Tragik
und Komik dieser zeitgeistigen und doch so geistlosen Spiegelfechterei.
Noricus
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