10. Mai 2018

Meckerecke: Zur Diskussion über die Anti-Abschiebe-Industrie

Der Verfasser dieser Zeilen hat meistens (und derzeit ganz besonders) subjektiv Besseres zu tun, als sich in das einzuschalten, was hierzulande als gesellschaftlich oder politisch relevante Debatte betrachtet wird. Doch in dem konkreten Fall, der im Folgenden zu verhandeln sein wird, lohnt sich ein kurzer Abstecher auf den Schießplatz zu Hornberg, weil das zum Vortrag gebrachte Spektakel so kennzeichnend ist für die Scheindiskussionen, die in dieser Republik als abendfüllend durchgehen.

Der erste Gedanke des endunterfertigten Autors, als er von Alexander Dobrindts Äußerung über die „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“ las, war der, dass nun wohl die üblichen Verdächtigen (und vielleicht auch einige Unverdächtige) über das ihnen hingehaltene Stöckchen springen würden. Und so kam es dann auch.
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Diese Erregungsroutinen haben etwas extrem Langweilendes an sich: Es ist nämlich offensichtlich, dass die CSU im Hinblick auf die im Herbst dieses Jahres anstehende Landtagswahl in Bayern sehr laut bellt – erst Söder und das Kreuz und nun Dobrindt –, um den Mangel an Beißfreude nach Möglichkeit zu kaschieren. Anders formuliert: Die freistaatliche Dauerregierungspartei leidet seit circa drei Jahren darunter, dass sich ihre Schwester, mit der sie dereinst in ritueller, aber doch beiden Seiten nutzender und frommender Hassliebe verbunden war, ihr nun tatsächlich entfremdet hat. Prosaischer ausgedrückt: CDU und CSU können nicht mehr miteinander, aber zur Scheidung kann man sich – vermutlich aus Opportunitätsgründen – nicht durchringen und deshalb gibt man das sich ankeifende alte Ehepaar, das dann letztlich doch unzertrennlich ist.

Aber auch Dobrindts Kritiker haben sich ihr gerüttelt Maß an Schimpf und Schande redlich verdient. Denn der Eiertanz, den die Linken dieses Landes seit geraumer Zeit veranstalten, ist vor lauter Lächerlichkeit kaum noch anzusehen. Wohl aus Furcht vor dem Wähler traut man sich bei SPD, Grünen und SED nicht auszusprechen, dass man im Grunde ein ungehindertes Einreiserecht aller, die da wollen, nach Deutschland befürwortet. Um das gewünschte Ergebnis dann doch zu erreichen, müssen die unverkennbaren Vollzugsdefizite bei aufenthaltsrechtlichen Ausreiseentscheidungen als humanitäre Errungenschaft unserer – Zitat – „weltoffenen, toleranten, liberalen Gesellschaft“ – Zitatende – verkauft werden.

Eigentlich wäre die Sache ganz einfach: Wo eine nicht mehr anfechtbare, vollziehbare Rückkehrentscheidung vorliegt, ist diese auch durchzusetzen. Es gibt keinen Grund, im Aufenthaltsrecht anders zu verfahren als in anderen Gesetzesmaterien. Wer die Verwirklichung einer solchen Entscheidung zu vereiteln versucht, muss sich die Frage nach seinem Rechtsstaatsverständnis gefallen lassen.

Gleiches gilt aber auch für diejenigen, die einem Betroffenen vorwerfen, dass er einen ihm offenstehenden Rechtszug ergreift. Niemand muss – auch wenn uns die veröffentlichte Meinung Gegenteiliges glauben machen möchte – auf eine legale steuerliche Gestaltungsmöglichkeit verzichten, weil bei deren Nichtanwendung der Staat höhere Einnahmen erzielen würde. Und ebenso muss niemand, dem die Rechtsordnung die Befassung einer weiteren Instanz gestattet, von dieser Gelegenheit Abstand nehmen, weil dies für die Gesellschaft wünschenswert wäre.

Der Gesetzgeber ist dazu berufen, allfällige Missstände zu beheben. Der Einzelne braucht nicht in vorauseilendem Gehorsam all das zu unterlassen, was ihm nicht ausdrücklich verboten ist, nur weil es einem oder vielen anderen gegen den Strich gehen könnte.

Doch wahrscheinlich steht man mit einer Ansicht wie der vorstehend zum Ausdruck gebrachten in der Welt des binären Diskurses auf verlorenem Posten. Aber das macht ja nichts: Man hat schließlich Besseres zu tun, als sich in das einzuschalten, was hierzulande als gesellschaftlich oder politisch relevante Debatte betrachtet wird.

Noricus

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