Im Verfassungsblog ist im Vorfeld zu dem gestern
durchgeführten Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens eine
dreiteilige, von dem spanischen Staatsrechtsprofessor Andrés Boix Palop
verfasste Serie mit dem Titel "The Catalunya Conundrum" erschienen. Die
Artikel-Triologie (Teil 1, Teil 2, Teil 3) hat sich eine Leseempfehlung redlich verdient.
Dass die Volksabstimmung über die Sezession der autonomen Region im Nordosten der iberischen Halbinsel gegen die spanische Verfassung verstößt, war - so Palop - aus früheren Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichtshofs zu erschließen und entspricht auch der ganz herrschenden Meinung in der Lehre. Wenig überraschend fielen die zum nunmehrigen Eigenstaatlichkeitsanlauf gefällten Entscheidungen der Madrider Höchstrichter gegen die Separatisten aus.
Der Zentralregierung wirft Palop vor, auf den Rechtsbruch nicht in der verfassungsmäßig vorgezeichneten Weise zu reagieren: So wäre ein Artikel in der spanischen Verfassung anzuwenden, der eine Art Bundeszwang erlaubt. Stattdessen wurden und werden rechtsstaatlich bedenkliche Maßnahmen der Repression gegen Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens beziehungsweise der Abhaltung eines Referendums ergriffen.
Mit dem Befund der klaren Illegalität auf Seiten der katalanischen Regionalinstitutionen und der - wenn man Palop folgt - auch zu bejahenden Rechtswidrigkeit der von Mariano Rajoy politisch zu verantwortenden Interventionsmethoden könnte sich der rein an der Gesetzeslage orientierte juristische Praktiker begnügen. Und auch der Zyniker kann sich bestätigt sehen, da bei dieser Lesart einmal mehr alle Beteiligten Dreck am Stecken haben.
So einfach will es sich der am Zeitgeschehen interessierte Beobachter jedoch nicht machen. Fragen des Staats- und Verfassungsrechts sind meistens hoch politisch. Sie lassen sich auch nicht immer unter Heranziehung der juristischen Auslegungsmethoden lösen, sondern müssen bisweilen nach Rechtsgrundsätzen (böse Zungen würden sagen: nach der ideologischen Einstellung des Spruchkörpers) entschieden werden. Und wenn man mit den alten Römern davon ausgeht, dass die Juristerei die ars aequi et boni (die Kunst des Gerechten und des Guten) ist, so wird man Aspekte der Legitimität des Handelns der Akteure nicht von vornherein als irrelevant abtun können.
Den Organisatoren des Referendums muss man in diesem Sinne zugutehalten, dass sie - es sei wiederum auf Palops Beiträge verwiesen - die Durchsetzung ihrer Ziele zuvor durchaus auf anderen Wegen versucht haben und dass Regelungen des katalonischen Autonomiestatuts angefochten und vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurden, die in anderen Regionen ceteris paribus unbekämpft Bestand haben. Auch die hohen Hürden für eine Verfassungsänderung hinsichtlich der Bestimmungen zur Einheit der spanischen Nation schlagen zugunsten der Separatisten zu Buche, da diese auf legalem Wege realistischerweise jedenfalls nicht in absehbarer Zeit in den Stand versetzt werden, ihren Willen zur Abspaltung von Spanien an den Wahlurnen kundzutun.
Für die Zentralregierung spricht, dass ein Staat - auch wenn der Verfassungsgerichtshof das Königreich gerade nicht als eine wehrhafte Demokratie bezeichnet - konzeptionsgemäß ein Leviathan ist, der es sich nicht gefallen lassen muss, wenn sein Recht offenkundig gebrochen und an seinen Grundfesten gerüttelt wird. Wir erinnern uns: Georg Jellineks Drei-Elemente-Lehre definiert als konstitutives Merkmal eines Staates das Vorhandensein von Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Wenn nun eine partikuläre Initiative sich anschickt, das Staatsgebiet und das Staatsvolk zu verkleinern und der Staatsgewalt die Stirn zu bieten, so wird vielleicht deutlich, warum das harte Vorgehen des Bundes gegen das regionale Referendum nicht a priori als verwerflich geschmäht werden kann.
Und doch: Abstimmungsteilnehmer mit Gummigeschossen zu traktieren; das Internet zu stören, um die Koordination des Referendums zu beeinträchtigen; Glastüren einzuschlagen und Vorhängeschlösser mit Bolzenschneidern zu öffnen, nur weil Menschen ihrem politischen Willen Ausdruck verleihen möchten - das wirkt so überzogen, dass die Separatisten in der öffentlichen Wahrnehmung dadurch zweifellos einen Underdog-Bonus ergattern konnten.
Vielleicht sollte man sich als externer Beobachter doch in Äquidistanz oder in ein "Wat geiht meck dat an?" flüchten.
Dass die Volksabstimmung über die Sezession der autonomen Region im Nordosten der iberischen Halbinsel gegen die spanische Verfassung verstößt, war - so Palop - aus früheren Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichtshofs zu erschließen und entspricht auch der ganz herrschenden Meinung in der Lehre. Wenig überraschend fielen die zum nunmehrigen Eigenstaatlichkeitsanlauf gefällten Entscheidungen der Madrider Höchstrichter gegen die Separatisten aus.
Der Zentralregierung wirft Palop vor, auf den Rechtsbruch nicht in der verfassungsmäßig vorgezeichneten Weise zu reagieren: So wäre ein Artikel in der spanischen Verfassung anzuwenden, der eine Art Bundeszwang erlaubt. Stattdessen wurden und werden rechtsstaatlich bedenkliche Maßnahmen der Repression gegen Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens beziehungsweise der Abhaltung eines Referendums ergriffen.
Mit dem Befund der klaren Illegalität auf Seiten der katalanischen Regionalinstitutionen und der - wenn man Palop folgt - auch zu bejahenden Rechtswidrigkeit der von Mariano Rajoy politisch zu verantwortenden Interventionsmethoden könnte sich der rein an der Gesetzeslage orientierte juristische Praktiker begnügen. Und auch der Zyniker kann sich bestätigt sehen, da bei dieser Lesart einmal mehr alle Beteiligten Dreck am Stecken haben.
So einfach will es sich der am Zeitgeschehen interessierte Beobachter jedoch nicht machen. Fragen des Staats- und Verfassungsrechts sind meistens hoch politisch. Sie lassen sich auch nicht immer unter Heranziehung der juristischen Auslegungsmethoden lösen, sondern müssen bisweilen nach Rechtsgrundsätzen (böse Zungen würden sagen: nach der ideologischen Einstellung des Spruchkörpers) entschieden werden. Und wenn man mit den alten Römern davon ausgeht, dass die Juristerei die ars aequi et boni (die Kunst des Gerechten und des Guten) ist, so wird man Aspekte der Legitimität des Handelns der Akteure nicht von vornherein als irrelevant abtun können.
Den Organisatoren des Referendums muss man in diesem Sinne zugutehalten, dass sie - es sei wiederum auf Palops Beiträge verwiesen - die Durchsetzung ihrer Ziele zuvor durchaus auf anderen Wegen versucht haben und dass Regelungen des katalonischen Autonomiestatuts angefochten und vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurden, die in anderen Regionen ceteris paribus unbekämpft Bestand haben. Auch die hohen Hürden für eine Verfassungsänderung hinsichtlich der Bestimmungen zur Einheit der spanischen Nation schlagen zugunsten der Separatisten zu Buche, da diese auf legalem Wege realistischerweise jedenfalls nicht in absehbarer Zeit in den Stand versetzt werden, ihren Willen zur Abspaltung von Spanien an den Wahlurnen kundzutun.
Für die Zentralregierung spricht, dass ein Staat - auch wenn der Verfassungsgerichtshof das Königreich gerade nicht als eine wehrhafte Demokratie bezeichnet - konzeptionsgemäß ein Leviathan ist, der es sich nicht gefallen lassen muss, wenn sein Recht offenkundig gebrochen und an seinen Grundfesten gerüttelt wird. Wir erinnern uns: Georg Jellineks Drei-Elemente-Lehre definiert als konstitutives Merkmal eines Staates das Vorhandensein von Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Wenn nun eine partikuläre Initiative sich anschickt, das Staatsgebiet und das Staatsvolk zu verkleinern und der Staatsgewalt die Stirn zu bieten, so wird vielleicht deutlich, warum das harte Vorgehen des Bundes gegen das regionale Referendum nicht a priori als verwerflich geschmäht werden kann.
Und doch: Abstimmungsteilnehmer mit Gummigeschossen zu traktieren; das Internet zu stören, um die Koordination des Referendums zu beeinträchtigen; Glastüren einzuschlagen und Vorhängeschlösser mit Bolzenschneidern zu öffnen, nur weil Menschen ihrem politischen Willen Ausdruck verleihen möchten - das wirkt so überzogen, dass die Separatisten in der öffentlichen Wahrnehmung dadurch zweifellos einen Underdog-Bonus ergattern konnten.
Vielleicht sollte man sich als externer Beobachter doch in Äquidistanz oder in ein "Wat geiht meck dat an?" flüchten.
Noricus
© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.