„Die
Grünen haben ein großes, in diese Welt passendes Narrativ, die FDP hat einen
begnadeten Kommunikator an der Spitze; Jamaika könnte eine grüne Richtung
nehmen, aber mit Methoden, die von der FDP kommen.“
So Bernd Ulrich in seinem
Kommentar „Vielleicht gar nicht so schlecht“, erschienen am
25.09.2017 auf ZEIT-Online.
Kommentar: Was der stellvertretende
Chefredakteur und Ressortleiter Politik des hanseatischen Wochenmagazins in dem
oben angeführten Satz zum Ausdruck bringt, ist besorgniserregend. Noch bevor
die Wunden geleckt sind und die Leitmedien zu verstehen beginnen, was am Sonntag überhaupt passiert ist, wird von einer Edelfeder wie Ulrich bereits Stimmung
für eine sogenannte Schwarze-Ampel-Koalition gemacht. Und dieses
Jamaika-Bündnis soll freilich keinen liberalen oder konservativen oder gar
liberal-konservativen Einschlag haben, nein: Vielmehr wird erwartet, dass die
Partei, die nur knapp 9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, die
Rolle des Drehbuchschreibers übernimmt. Der Koch im grünen Kittel, der Kellner
in gelber Livree – ließe sich der im Zitat formulierte Gedanke wohl in zugespitzte Worte fassen.
Die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Merkel’schen Kurses trotz der Wahlschlappe der Union, die – wie Kollege Llarian zutreffend anmerkt – der eigentliche große Verlierer des stattgehabten Votums ist, verleitet einen im linken Meinungsspektrum angesiedelten Zeitgenossen wie Ulrich offensichtlich dazu, sich die Schwampel-Option schönzureden. Bei einem nüchternen Blick auf die Sachlage gibt es kaum Gründe, warum eine solche Liaison funktionieren sollte, sondern vielmehr zahlreiche Umstände, welche die Unmöglichkeit einer derartigen Verbindung nahelegen:
Die CSU ist aufgrund
ihres katastrophalen Abstimmungsergebnisses und der im kommenden Jahr stattfindenden
(aus CSU-Sicht: drohenden) Landtagswahl dazu verurteilt, ihr konservatives
Profil zu schärfen. Sie darf nicht nur rechts blinken, sondern muss ihre
Fahrtrichtung auch tatsächlich entsprechend ändern. Wie ihre Schwesterpartei
ist die CSU zwar ein Regierungschefwahlverein, aber gleichzeitig ist sie – in
einer wohl katholisch zu nennenden Ambivalenz – wie die SPD auch eine
Gesinnungsveranstaltung. Will heißen: Man steht auch dann hinter einem
Spitzenkandidaten, wenn dieser nicht den ganz passenden Stallgeruch hat (so wie
der jedenfalls für den altbayerischen Geschmack eigentlich viel zu
preußisch-protestantisch wirkende Stoiber), solange dieser nur die richtige
Politik in Szene setzt.
Und diese richtige
Politik lässt sich nach dem Dafürhalten des durchschnittlichen CSU-Anhängers in
die Schlagworte Obergrenze, Abschiebung und Kriminalitätsbekämpfung gießen. Die
diesbezüglichen Konfliktlinien mit dem Programm der Grünen (und auch der
Merkel-Altmaier-Tauber-CDU) sind evident. Aber auch die FDP dürfte mit
Maßnahmen der inneren Sicherheit Probleme haben, soweit diese Vorkehrungen
mit Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten korrespondieren.
Während die Grünen, die CDU und die CSU – in dieser
Reihenfolge mit sinkendem Wohlwollen – die Schulden- und
Transferunion befürworten oder doch zumindest
hinzunehmen bereit sind, kann die FDP bei diesem Thema eigentlich nicht hinter ihren Part als
„Macrons Albtraum“ zurück, wie der Online-Auftritt von Le Monde am 07.09.2017 hinsichtlich der Wirkungen einer möglichen schwarz-gelben
Koalition titelte und was auch von deutschen Medien aufgegriffen wurde. Falls
die Liberalen erneut zustimmend nicken, wenn das Geld des deutschen
Steuerzahlers in Danaidenfässer geschaufelt werden soll, dürfte das
Menetekel „2013“ viel schneller auf der Wand erscheinen, als die letzten zur
Feier des Wiedereinzuges in den Bundestag geleerten Champagnerflaschen im
Altglascontainer entsorgt sind.
Bei den Grünen sticht das
ideologische Wohlgefühl jedenfalls dann die politische Vernunft, wenn die Basis
gefragt wird. Und dies wird bei dem Schritt ins Unbekannte, den ein Jamaika-Bündnis
darstellt, nicht ausbleiben. Einem Koalitionsvertrag mit als neoliberal oder
altkonservativ empfundenen Positionen werden die Mitglieder der
Sonnenblumenpartei aus gesinnungshygienischen Motiven nicht zustimmen.
Eine Schwampel-Regierung
ist mithin ein Ding der Unmöglichkeit. Bei einer solchen Verbindung müsste
nämlich zusammenwachsen, was nicht zusammengehört. Für mindestens einen der
Beteiligten wäre Jamaika, um eine in den letzten Tagen häufig gebrauchte
Wendung zu reproduzieren, politischer Selbstmord aus Staatsräson – oder aber
aus Postengier. Und für die Bundesrepublik wäre eine schwarz-gelb-grüne
Koalition eine Neuauflage des Merkel’schen Konsens-Mehltaus in frischem Gewand. Doch genau diesem Berliner Einerlei, dieser Unterschiedslosigkeit und Entlagerung wurde beim letzten Urnengang vom Souverän eine Absage erteilt.
Bis zu der am 15.09.2017
stattfindenden Landtagswahl in Niedersachsen werden sich die Parteifunktionäre
mit Aussagen über eine künftige Zusammenarbeit zurückhalten. Bis dahin könnte
die deutsche Presse durch Vorschusslobhudeleien auf das bunte Quartett die
Entwicklung aber schon so weit präjudiziert haben, dass eine
Koalitionsverweigerung wie ein verantwortungsloser Demokratiefrevel in Zeiten
der politischen Instabilität anmuten würde. In einer derartigen Situation wird es für
die CSU und die FDP nicht leicht sein, stark zu bleiben und ihre Haut nicht zu
Markte zu tragen. Doch eine derartige Widerspenstigkeit ist für die beiden soeben genannten
Parteien, sit venia verbo, alternativlos. Wenn die CSU nicht noch mehr und die FDP nicht gerade
erst wiedergewonnene Wähler vergraulen möchte, dürfen die bayerischen
Konservativen und die Liberalen nicht die Weihrauchministranten für Merkels
Krönungsmesse geben.
Noricus
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