28. September 2017

Zitat des Tages: Der Koch in Grün, der Kellner in Gelb

„Die Grünen haben ein großes, in diese Welt passendes Narrativ, die FDP hat einen begnadeten Kommunikator an der Spitze; Jamaika könnte eine grüne Richtung nehmen, aber mit Methoden, die von der FDP kommen.“

So Bernd Ulrich in seinem Kommentar „Vielleicht gar nicht so schlecht“, erschienen am 25.09.2017 auf ZEIT-Online.

Kommentar: Was der stellvertretende Chefredakteur und Ressortleiter Politik des hanseatischen Wochenmagazins in dem oben angeführten Satz zum Ausdruck bringt, ist besorgniserregend. Noch bevor die Wunden geleckt sind und die Leitmedien zu verstehen beginnen, was am Sonntag überhaupt passiert ist, wird von einer Edelfeder wie Ulrich bereits Stimmung für eine sogenannte Schwarze-Ampel-Koalition gemacht. Und dieses Jamaika-Bündnis soll freilich keinen liberalen oder konservativen oder gar liberal-konservativen Einschlag haben, nein: Vielmehr wird erwartet, dass die Partei, die nur knapp 9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, die Rolle des Drehbuchschreibers übernimmt. Der Koch im grünen Kittel, der Kellner in gelber Livree – ließe sich der im Zitat formulierte Gedanke wohl in zugespitzte Worte fassen.
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Die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Merkel’schen Kurses trotz der Wahlschlappe der Union, die – wie Kollege Llarian zutreffend anmerkt – der eigentliche große Verlierer des stattgehabten Votums ist, verleitet einen im linken Meinungsspektrum angesiedelten Zeitgenossen wie Ulrich offensichtlich dazu, sich die Schwampel-Option schönzureden. Bei einem nüchternen Blick auf die Sachlage gibt es kaum Gründe, warum eine solche Liaison funktionieren sollte, sondern vielmehr zahlreiche Umstände, welche die Unmöglichkeit einer derartigen Verbindung nahelegen:

Die CSU ist aufgrund ihres katastrophalen Abstimmungsergebnisses und der im kommenden Jahr stattfindenden (aus CSU-Sicht: drohenden) Landtagswahl dazu verurteilt, ihr konservatives Profil zu schärfen. Sie darf nicht nur rechts blinken, sondern muss ihre Fahrtrichtung auch tatsächlich entsprechend ändern. Wie ihre Schwesterpartei ist die CSU zwar ein Regierungschefwahlverein, aber gleichzeitig ist sie in einer wohl katholisch zu nennenden Ambivalenz wie die SPD auch eine Gesinnungsveranstaltung. Will heißen: Man steht auch dann hinter einem Spitzenkandidaten, wenn dieser nicht den ganz passenden Stallgeruch hat (so wie der jedenfalls für den altbayerischen Geschmack eigentlich viel zu preußisch-protestantisch wirkende Stoiber), solange dieser nur die richtige Politik in Szene setzt.

Und diese richtige Politik lässt sich nach dem Dafürhalten des durchschnittlichen CSU-Anhängers in die Schlagworte Obergrenze, Abschiebung und Kriminalitätsbekämpfung gießen. Die diesbezüglichen Konfliktlinien mit dem Programm der Grünen (und auch der Merkel-Altmaier-Tauber-CDU) sind evident. Aber auch die FDP dürfte mit Maßnahmen der inneren Sicherheit Probleme haben, soweit diese Vorkehrungen mit Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten korrespondieren.

Während die Grünen, die CDU und die CSU – in dieser Reihenfolge mit sinkendem Wohlwollen – die Schulden- und Transferunion befürworten oder doch zumindest hinzunehmen bereit sind, kann die FDP bei diesem Thema eigentlich nicht hinter ihren Part als „Macrons Albtraum“ zurück, wie der Online-Auftritt von Le Monde am 07.09.2017 hinsichtlich der Wirkungen einer möglichen schwarz-gelben Koalition titelte und was auch von deutschen Medien aufgegriffen wurde. Falls die Liberalen erneut zustimmend nicken, wenn das Geld des deutschen Steuerzahlers in Danaidenfässer geschaufelt werden soll, dürfte das Menetekel „2013“ viel schneller auf der Wand erscheinen, als die letzten zur Feier des Wiedereinzuges in den Bundestag geleerten Champagnerflaschen im Altglascontainer entsorgt sind.

Bei den Grünen sticht das ideologische Wohlgefühl jedenfalls dann die politische Vernunft, wenn die Basis gefragt wird. Und dies wird bei dem Schritt ins Unbekannte, den ein Jamaika-Bündnis darstellt, nicht ausbleiben. Einem Koalitionsvertrag mit als neoliberal oder altkonservativ empfundenen Positionen werden die Mitglieder der Sonnenblumenpartei aus gesinnungshygienischen Motiven nicht zustimmen.

Eine Schwampel-Regierung ist mithin ein Ding der Unmöglichkeit. Bei einer solchen Verbindung müsste nämlich zusammenwachsen, was nicht zusammengehört. Für mindestens einen der Beteiligten wäre Jamaika, um eine in den letzten Tagen häufig gebrauchte Wendung zu reproduzieren, politischer Selbstmord aus Staatsräson – oder aber aus Postengier. Und für die Bundesrepublik wäre eine schwarz-gelb-grüne Koalition eine Neuauflage des Merkel’schen Konsens-Mehltaus in frischem Gewand. Doch genau diesem Berliner Einerlei, dieser Unterschiedslosigkeit und Entlagerung wurde beim letzten Urnengang vom Souverän eine Absage erteilt.

Bis zu der am 15.09.2017 stattfindenden Landtagswahl in Niedersachsen werden sich die Parteifunktionäre mit Aussagen über eine künftige Zusammenarbeit zurückhalten. Bis dahin könnte die deutsche Presse durch Vorschusslobhudeleien auf das bunte Quartett die Entwicklung aber schon so weit präjudiziert haben, dass eine Koalitionsverweigerung wie ein verantwortungsloser Demokratiefrevel in Zeiten der politischen Instabilität anmuten würde. In einer derartigen Situation wird es für die CSU und die FDP nicht leicht sein, stark zu bleiben und ihre Haut nicht zu Markte zu tragen. Doch eine derartige Widerspenstigkeit ist für die beiden soeben genannten Parteien, sit venia verbo, alternativlos. Wenn die CSU nicht noch mehr und die FDP nicht gerade erst wiedergewonnene Wähler vergraulen möchte, dürfen die bayerischen Konservativen und die Liberalen nicht die Weihrauchministranten für Merkels Krönungsmesse geben.


Noricus

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