11. August 2013

Der "Faktencheck" von Spiegel Online: Quatsch mit Soße

Auf Spiegel Online gibt es seit geraumer Zeit die Rubrik "Der Faktencheck". Gemeint ist der journalistische Versuch, ein gegenwärtig politisch diskutiertes Thema entlang "harter" Kriterien, Fakten eben, zu beleuchten. Der Begriff suggeriert Objektivität und Vertrauenswürdigkeit. Dem Leser soll also vermittelt werden, daß nun eine untendenziöse und sachliche Betrachtung der betreffenden Thematik vorgenommen werden soll. Aber SpON wäre nicht SpON, wenn es tatsächlich so wäre. In seinem aktuellen "Faktencheck" geht es um den "Veggie-day", dessen verbindliche Einführung für Kantinen im Wahlprogramm der Grünen festgeschrieben und von Renate Künast kürzlich erneut gefordert worden ist.
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Nun wäre das unzweifelhafte Rumgeeiere der grünen Führung in den letzten Tagen sicher ein guter Anlaß für einen Faktencheck. Offensichtlich hat man dort erkannt, daß die Grünen in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend als Oberlehrerpartei gelten. Man setze auf Freiwilligkeit beeilt sich Jürgen Trittin aktuell in einem Interview zu versichern. Nur noch von einem "staatlich geförderten" Veggietag ist bei Katrin Göring-Eckhardt die Rede

Man meint mit "staatlich gefördert" wohl kaum die Finanzierung von Kantinenessen für Unternehmen, sofern diese an einem Tag in der Woche ausschließlich vegetarisches oder veganes Essen anbieten. Wahrscheinlicher ist da schon das bei Ge- und Verbietern zunehmend beliebte Konzept der Freiwilligen Selbstverpflichtung, die nichts weiter ist als ein doppeltes Feigenblatt. Feigenblatt für die Adressaten solcher Reglementierungen, die vor sich selbst und gegenüber ihrer Bezugsgruppe, unter Verweis auf die angebliche "Freiwilligkeit", das Gesicht einigermaßen wahren können. Feigenblatt aber auch für die Absender von Ge- und Verboten, indem sie auf diese Weise etwas weniger in der ungeliebten Rolle des gouvernantenhaften Vorschreibers zu sein glauben. Dahinter steht jedoch stets der unmittelbare Zwang vom Typ: und bist du nicht willig, so brauch` ich Gewalt, wie man in der Diskussion um die Geschlechterquote für die Vorstandsetagen von Unternehmen sehen konnte, in der die EU-Kommissarin (sic!) Viviane Reding sich inzwischen jeglicher Feigenblätter entblößt zeigt. 

Aber nicht auf diese Frage, was die Grünen nun eigentlich genau vorhaben, und wie sie ihre Forderung nach einem verpflichtenden "Veggie-day" in Kantinen auf Basis von "Freiwilligkeit" durchsetzen wollen, bezieht sich der "Faktencheck" von Spiegel Online. Er behandelt vielmehr die Frage, ob es sich bei einem verpflichtenden "Veggie-Tag" um einen Schritt in die "Ökodiktatur" handele. Dieser Begriff war in den zweifellos wahlkampfbeeinflußten und polemischen Repliken mancher Politiker verschiedentlich gefallen. Dieser Frage geht SpON nun allen Ernstes nach und kommt zu dem völlig verunglückten und bestenfalls unfreiwillig komischen Fazit:
Fälle von Freiheitsberaubung, Gehirnwäsche und veganer Zwangsernährung sind uns im Rahmen der "Veggie Day"- Initiativen bisher nicht bekannt geworden.
Na, das sind doch mal Fakten. Anders gesagt: Die Tatsache, daß die Grünen keine Internierungslager für Fleischesser planen, erhebt die Forderung nach einem verpflichtenden "Veggie-Tag" im Rahmen eines "Faktenchecks" zu einer unproblematischen politischen Zielsetzung und deren Gegner werden in die Nähe paranoider Spinner geschrieben. Soweit der "Faktencheck" auf Spiegel Online und was man dort darunter versteht. 
In der Tat hat SpON hier dem Leser ein ganz besonders fleischloses Gericht kredenzt, nämlich ausgesprochenen Quatsch mit Soße.


Andreas Döding


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