7. September 2015

Spielgeld

Es war der große Hype. Pünktlich zur "Eurokrise" wurde eine Währung propagiert, die top-modern daher kam und alle Nachteile der klassischen Zentralbank-Währungen vermeiden sollte.
Es verstand zwar kaum jemand, wie diese Bitcoins eigentlich genau funktionierten. Aber die EDV-Nerds hatten Tools bereitgestellt, mit denen auch Amateure sich ein Bitcoin-Konto anlegen und benutzen konnten.

Die Eigenschaften von Bitcoin trafen genau die wunden Punkte, die die Zentralbank-Kritiker und Staatsskeptiker am Euro und anderen Währungen störten:
- Bitcoin ist eine völlig neutrale Währung, "gehört" niemanden und ist daher von niemand, auch keinem Staat, beeinflußbar.
- Insbesondere ist die Zahl der Bitcoins vom System her beschränkt, d.h. es kann keine Inflation geben oder eine Entwertung durch "Quantitative Easing", wie das die EZB derzeit praktiziert.
- Das ganze Bitcoin-Zahlungssystem läuft völlig anonym. Kein Geheimdienst kann herausfinden, welcher Eigentümer hinter einem Konto steckt. Und ohne den kryptographischen Schlüssel des Eigentümers kann auch niemand auf das Geld auf diesem Konto zugreifen.

Inzwischen hat Bitcoin einige Höhen und Tiefen, insbesondere auch einige Krisen hinter sich.
Und es wird immer klarer: Es bleibt ein Spielzeug für bestimmte Nischengruppen und wird keine Alternative zu normalen Währungen sein.
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Es ist halt ein echtes Nerd-Produkt. Vergleichbar mit den Abstimmungs-Tools, mit denen die Piraten die Demokratie neu erfinden wollten. Ohne die echten Probleme und Bedürfnisse der realen Welt zu verstehen.

Denn die mit den Bitcoin-Vorteilen inhärent verknüpften Nachteile machen es für den breiten Einsatz untauglich.

Schon jetzt ist die "Blockchain", die alle erfolgten Bitcoin-Zahlungen umfaßt, über 30 GB groß. Und das bei einer noch recht überschaubaren Anzahl von Nutzern. Wenn auch nur die Bevölkerung eines mittelgroßen Landes auf Bitcoin umsteigen würde, würde die Blockchain explosionsartig wachsen. Vom reinen Speicherplatz her würden moderne Rechner das natürlich schaffen - aber für die beständigen Übertragungen und Berechnungen wäre das nach einigen Jahren viel zu groß.

Auch die Beschränkung der Geldmenge ist real ein handfester Nachteil und verhindert, daß bei wachsender Benutzerzahl auch entsprechend viele Zahlungseinheiten verfügbar sind.
Die Bitcoins können zwar beliebig geteilt werden, damit würde der durch Knappheit ansteigende Wert kompensiert.
Aber das wäre dann eine echte Gelddruckmaschine für die Altbesitzer. Die Umstellung eines größeren Gebiets von alter Währung auf Bitcoin würde voraussetzen, daß man vorher Milliarden in den Aufkauf einer ausreichenden Anzahl von Zahlungseinheiten stecken müßte. Eine völlig inakzeptable Vorstellung.

Auch die Wertbeständigkeit von Bitcoins hat sich nicht so wie erhofft bestätigt. Natürlich kann keine Zentralbank durch Gelddrucken und Inflation die Bitcoin-Ersparnisse entwerten.
Aber umgekehrt kann auch niemand die starken Angebots-Nachfrage-Schwankungen ausgleichen, die bei einer so kleinen Nutzergruppe unvermeidlich sind. Der Bitcoin-Kurs ist völlig erratisch, man kann in kurzer Zeit sein Vermögen vervielfachen oder fast komplett verlieren.

Und als Zahlungsmittel ist Bitcoin eigentlich nur für illegale Zwecke attraktiv und überhaupt nicht konkurrenzfähig zu den etablierten Banken mit ihren preisgünstigen und sicheren Transaktionen.
Jeder Fehler kann direkt zu Verlusten führen. Keine Fehlüberweisung kann rückgängig gemacht werden - man sieht ja nicht einmal, wohin das Geld gegangen ist. Das System ist technisch überaus schlau konstruiert. Aber eben weil es niemandem gehört, ist auch niemand für Schäden verantwortlich oder könnte diese entschädigen. Und die Liste der Schäden ist lang ...

Und dabei ist es auch mit der vielgerühmten Anonymität nicht weit her. Die hilft nur, wenn man konsequent nur ganz wenigen und vertrauenswürdigen Partnern seine Kontonummer verrät. Drogensyndikate kriegen das hin.
Aber wer ganz normal mal beim Internethändler oder Pizza-Dienst mit Bitcoin bezahlt, der ist halt nicht mehr wirklich anonym. Und ist die Kontonummer bekannt, dann kann nicht nur das pöse Finanzamt, dann kann jeder Neugierige sämtlichen Zahlungsverkehr sehen, der jemals über dieses Konto lief.

Also zur Wertaufbewahrung nicht geeignet, als Zahlungsmittel nur sehr bedingt geeignet - Bitcoin bleibt ein Spielzeug für Technikaffine, die mal etwas Geld riskieren können um ein neues Hobby auszuprobieren.

Ob die im Bitcoin-System verwendeten Ideen anderswo nützlich sein könnten - das bleibt abzuwarten. Innovativ und durchdacht genug wären sie.

R.A.

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