Das ZDF hat mit seiner Löschung nichts anderes gemacht als Böhmermanns Spiel mitzuspielen. Es hat ihm womöglich sogar den Arsch gerettet. Denn nachdem Böhmermann sein Schmähgedicht am Donnerstag veröffentlicht hatte, passierte: nichts. (...)
Schlecht ist das nur, wenn man in den Beitrag die spätere Resonanz schon einpreist, die spätere Löschung quasi immanenter Teil der Satire ist. (...)
Da musste halt das große ZDF helfen – und löschen. Denn jetzt wird – oh Wunder – der Beitrag doch tatsächlich von ganz vielen Schelmen wieder hochgeladen und bei Vimeo und Co. verbreitet. Gegen die Zensur! Für die Pressefreiheit!
Vive la Inszenierung!
(Jürn Kruse, taz.de)
Kommentar:
Zunächst mal vorab: Ich sehe Jan Böhmermann nicht gerne, weil ich ihn, bzw. die Kunstfigur, zu der er sich ähnlich wie sein großes Vorbild Harald Schmidt macht, unsäglich unsympathisch finde. Deshalb kann ich die häufig geradezu kritiklose Bewunderung nicht teilen, die ihm derzeit entgegenschlägt. Böhmermann kann derzeit machen, was er will, er ist (fast immer) im Gespräch.
Aber erklären kann ich mir sie mittlerweile, und dazu hat dieses kleine Stück von Jürn Kruse in der taz geführt. Bitte lesen Sie den Artikel in voller Länge, es lohnt sich!
Die Diskussion um das "Erdogan-Gedicht" und die kluge Analyse von Kruse zeigt auch, warum Böhmermann eben nicht der neue Harald Schmidt ist. Der Vergleich liegt ja zunächst einmal nahe - Böhmermann war Redaktionsmitglied bei Schmidt und hat das Handwerk von ihm gelernt und dann für sich neu interpretiert. Nicht umsonst ist sein Gesprächspartner Schmidts ehemaliges Brain Ralf "Dr. Udo Brömme" Kabelka.
Der maßgebliche Unterschied: Böhmermann ist von den viralen und selbstrefentiellen Reaktionen auf seine Äußerungen abhängig, weil sie nur so funktionieren. Während Schmidt - die Kunstfigur - immer glaubwürdig verkörpert hat, dass ihm die Reaktion des Publikums völlig egal waren (laut Manuel Andrack hat der "echte" Schmidt dagegen jeden Tag gespannt auf die Quoten gewartet). Beiden wurde immer die Lust an der Provokation vorgeworfen, doch der Unterschied ist der: Schmidt definierte sich als völlig unpolitisch, während Böhmermann mit der political correctness aus der Innenperspektive spielt.
Böhmermanns Erfolg ist typisch für das selbstreferentielle Youtube-Twitter-Zeitalter und funktioniert am besten in einer momentan ohnehin nach dem Freund-Feind-Schema polarisierten Öffentlichkeit. Er beruht auf der Spannung - Shitstorm oder Candystorm? Und seine Popularität in gewisser Weise auf dem Disktinktionsgewinn, ihn "verstanden" zu haben, während die, die sich über ihn aufregen, ja nur zu doof sind.
Das schlimmste, was ihm passieren kann, ist, wenn nichts passiert. Ich hätte nichts dagegen, wenn das der Regelfall würde.
Meister PetzSchlecht ist das nur, wenn man in den Beitrag die spätere Resonanz schon einpreist, die spätere Löschung quasi immanenter Teil der Satire ist. (...)
Da musste halt das große ZDF helfen – und löschen. Denn jetzt wird – oh Wunder – der Beitrag doch tatsächlich von ganz vielen Schelmen wieder hochgeladen und bei Vimeo und Co. verbreitet. Gegen die Zensur! Für die Pressefreiheit!
Vive la Inszenierung!
(Jürn Kruse, taz.de)
Kommentar:
Zunächst mal vorab: Ich sehe Jan Böhmermann nicht gerne, weil ich ihn, bzw. die Kunstfigur, zu der er sich ähnlich wie sein großes Vorbild Harald Schmidt macht, unsäglich unsympathisch finde. Deshalb kann ich die häufig geradezu kritiklose Bewunderung nicht teilen, die ihm derzeit entgegenschlägt. Böhmermann kann derzeit machen, was er will, er ist (fast immer) im Gespräch.
Aber erklären kann ich mir sie mittlerweile, und dazu hat dieses kleine Stück von Jürn Kruse in der taz geführt. Bitte lesen Sie den Artikel in voller Länge, es lohnt sich!
Die Diskussion um das "Erdogan-Gedicht" und die kluge Analyse von Kruse zeigt auch, warum Böhmermann eben nicht der neue Harald Schmidt ist. Der Vergleich liegt ja zunächst einmal nahe - Böhmermann war Redaktionsmitglied bei Schmidt und hat das Handwerk von ihm gelernt und dann für sich neu interpretiert. Nicht umsonst ist sein Gesprächspartner Schmidts ehemaliges Brain Ralf "Dr. Udo Brömme" Kabelka.
Der maßgebliche Unterschied: Böhmermann ist von den viralen und selbstrefentiellen Reaktionen auf seine Äußerungen abhängig, weil sie nur so funktionieren. Während Schmidt - die Kunstfigur - immer glaubwürdig verkörpert hat, dass ihm die Reaktion des Publikums völlig egal waren (laut Manuel Andrack hat der "echte" Schmidt dagegen jeden Tag gespannt auf die Quoten gewartet). Beiden wurde immer die Lust an der Provokation vorgeworfen, doch der Unterschied ist der: Schmidt definierte sich als völlig unpolitisch, während Böhmermann mit der political correctness aus der Innenperspektive spielt.
Böhmermanns Erfolg ist typisch für das selbstreferentielle Youtube-Twitter-Zeitalter und funktioniert am besten in einer momentan ohnehin nach dem Freund-Feind-Schema polarisierten Öffentlichkeit. Er beruht auf der Spannung - Shitstorm oder Candystorm? Und seine Popularität in gewisser Weise auf dem Disktinktionsgewinn, ihn "verstanden" zu haben, während die, die sich über ihn aufregen, ja nur zu doof sind.
Das schlimmste, was ihm passieren kann, ist, wenn nichts passiert. Ich hätte nichts dagegen, wenn das der Regelfall würde.
© Meister Petz. Titelvignette: Jan Böhmermann auf dem Deutschen Comedypreis in Köln am 15. Oktiober 2013. © Michael Schilling, lizenziert unter CC BY-SA 3.0. Für Kommentare bitte hier klicken.