Historisch
ist es schon, das Ergebnis der ersten Runde der Kür des österreichischen Bundespräsidenten.
Besonders sinnfällig wurde das Unerhörte bei einem Blick auf die räumliche Gruppierung
der sechs Kandidaten in der den Urnengang nachbereitenden Sendung des ORF: Die
drei Spitzenreiter – der mit großem Vorsprung führende Norbert Hofer (FPÖ), sein
Stichwahlgegner Alexander van der Bellen (selbstproklamierter „parteiunabhängiger Kandidat“, was dem Grünen aber niemand abnimmt) und die tatsächlich keiner Partei
zugehörige Irmgard Griss – wurden um die Siegertafel drapiert, während sich die Bewerber der Regierungsparteien SPÖ und
ÖVP, Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol, den Katzentisch der Verlierer mit dem
weit abgeschlagenen Richard Lugner teilen mussten.
Ja,
das war einmal wieder eine Schicksalswahl. Und ein Blick in die Kristallkugel auf
das Schicksal der Gewählten.
Für die SPÖ
und die ÖVP, die – wie die österreichischen Medien es so schön formulieren – die „mittelgroße
Koalition“ bilden, ist dieses Ergebnis ein wahres Debakel: In der Zweiten
Republik war der Kampf um die Hofburg bislang eine Art Erbstreit zwischen den von diesen Parteien Nominierten, während der rote und der schwarze Kandidat bei der diesjährigen Abstimmung
gemeinsam kaum mehr Stimmen auf sich vereinigten als der Zweitplatzierte auf
sich allein. Auch die Meinungsforscher erlitten einmal mehr einen Dämpfer,
hatten sie den Triumph des FPÖ-Mannes doch nicht einmal annähernd vorhergesehen.
Eines war
die erste Runde der österreichischen Bundespräsidentenwahl jedoch nicht: eine
Persönlichkeitswahl. Außer vielleicht im Falle des Baumeisters und
Opernballlogengastgebers, den man wohl entweder wählte oder aber nicht wählte, weil er
Richard Lugner ist, spielte das Individuelle der Kandidaten kaum eine Rolle. Als die FPÖ den nunmehr 45-jährigen Hofer in das Rennen um das höchste Staatsamt schickte, dürfte sich so mancher Österreicher in Anspielung auf ein bekanntes Vorbild gefragt haben: „Norbert wer?“
Van der Bellen, der freilich ein profiliertes Gesicht seiner Partei ist, hätte
sich nicht so ostentativ von dieser abgrenzen müssen, wenn er nicht primär als
Grüner wahrgenommen würde (was ihm offensichtlich nicht so recht behagt). Irmgard Griss sprach zweifellos diejenigen an, die
sich in der Hofburg eine Hausherrin oder eine wirklich parteiunabhängige
Kandidatin wünschten. Khol und Hundstorfer, ehemals Nationalratspräsident bzw.
Sozialminister, haben nicht wegen persönlicher Unzulänglichkeiten so schlecht
abgeschnitten; der Makel lag für das Gros der Wähler in der Parteizugehörigkeit
der beiden Männer.
Den
Befund, dass die Persönlichkeit der Kontrahenten kaum eine Rolle spielte, unterstützt auch eine – freilich nicht repräsentative – Umfrage unter
den österreichischen Bekannten des Verfassers. Diejenigen Probanden, die sich
zu ihrer voraussichtlichen Entscheidung im zweiten Durchgang äußerten, gaben gerade keine individuellen Antipathien gegen einen der Bewerber zu Protokoll, sondern erklärten sinngemäß, den Vertreter der einen bzw. der anderen Partei nicht als Bundespräsident sehen zu wollen. Nicht das Duell der Charaktere Hofer und van der Bellen, sondern die politische Positionierung der beiden Kandidaten bildet das wesentliche Kriterium für das Stichwahlverhalten.
Und es ist
natürlich kein Zufall, dass die Bewerber von FPÖ und Grünen die beiden
Spitzenränge belegen, verkörpern diese Parteien doch noch einen Gestaltungswillen und eine ideologische Tiefenschärfe, wie sie den mittelgroßen Koalitionären schon längst
abhandengekommen sind. Was der „Konvent für Deutschland“ über die bundesrepublikanischen Volksparteien gesagt hat, mag nach Ansicht nicht weniger Österreicher auch auf deren Schwestern im Land der Berge zutreffen.
Noricus
© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.