23. September 2015

Der Wagen des Volkes

Endlich kriegen die dreisten Manager der Autokonzerne, die unsere Luft verpesten, mal so richtig einen auf den Deckel, mag mancher Umweltaktivist denken! Endlich bekommen es die Schulmeister aus Deutschland auch mal mit der Angst zu tun, mag sich mancher im schuldengeplagten Südeuropa freuen!
So verständlich diese Haltung sein mag – eine solche Häme ist angesichts der Dramatik der Ereignisse um Volkswagen nicht angebracht. Pathetisch zugespitzt gilt: Scheitert VW, dann scheitert Deutschland. Und scheitert Deutschland, scheitert Europa. (Richard Rother, taz)  

Sie haben richtig gelesen - dieser Kommentar stammt nicht aus der Auto Bild, sondern aus der taz! Aus dem antinationalistischen Ökoblatt, dem der Niedergang eines vom Führer persönlich gegründeten Konzerns, der die Welt mit fossil betriebenen Dreckschleudern verpestet, doch eigentlich einen inneren evangelischen Kirchentag bereiten müsste!


Auch sonst hält sich das Empörungspotenzial trotz der Rundumdieuhr-Brennpunkt-Berichterstattung in Grenzen: Dass ausgerechnet die TTIP-Fracking-SUV-Amis dem deutschen Volk dermaßen ins Herz stoßen, erzeugt bedingungslose Solidarität mit den Wolfsburgern. Blöd halt, dass die sich haben erwischen lassen. 

Schon die Sprache ist verräterisch: In der Regel ist die Rede von "Tricksen", "Beschönigen" oder maximal "Manipulation"  - ich kann mich nicht erinnern, dass Uli Hoeneß vorgeworfen wurde, seine Steuererklärung lediglich "beschönigt" zu haben. Klartext spricht dagegen der Schweizer "Blick" mit dem für bundesdeutsche Ohren geradezu schnuckelig tönenden "Bschiss".


Zudem kursieren die ersten Dolchstoßlegenden: Der Piëch habe den Amis einen Tipp gegeben, weil er dem Winterkorn beleidigt ist, dass der den internen Machtkampf gewonnen hat. Und überhaupt wollen die Amis ihre eigenen V8-Spritschlucker verkaufen und deshalb die Deutschen aus dem Markt drängen. Beides ist natürlich ausgemachter Blödsinn, weil a) das Thema schon vor Piëchs Abgang losging und b) VW sich im Markt USA sowieso schon so schwer getan hat, dass es dafür sogar einen Krisenstab eingerichtet hat. 

Am interessantesten ist aber, dass kaum vom Thema "Umwelt" die Rede ist. Schließlich haben Winterkorns finstere Schrauber ja nicht vorrangig ihre Kunden betrogen, sondern Mutter Gaia persönlich! Der Guardian in England spricht von einer Tat, die den "schamlosesten Bänker zum erröten bringen würde", ja, der Planet müsse Angst haben!

Warum schreit uns das von keiner Titelseite im Land der Energiewende an? Wo ist das berühmte Umweltbewusstsein der Deutschen geblieben? Hauptsächlich liest man, das Image der deutschen Ingenieurskunst stehe auf dem Spiel, der Aktienkurs von VW und so weiter. Und auch Herrn Winterkorn wird ein geradezu schockierend fairer Abgang eingeräumt - der Neid beispielsweise eines Ackermanns dürfte ihm sicher sein. Natürlich ist die Bedeutung des Unternehmens für die deutsche Wirtschaft immens. Aber es steckt noch etwas anderes dahinter.

VW, so kommt es mir dieser Tage vor, ist nicht nur ein deutsches Unternehmen. Es ist ein Stück deutsche Identität. Es ist der erste Kuss auf dem Rücksitz eines Käfers, es ist der Campingurlaub in Jesolo mit dem Dachzelt auf dem Bulli, die erstmals um die magischen 200 zitternde Tachonadel im GTI. 

Die Marke, die trotz und wegen ihrer Geschichte die Nachkriegsdeutschen mit sich selbst versöhnt hat. Und die darf keiner kaputt machen. Von innen nicht, und von außen erst recht nicht.

Meister Petz

© Meister Petz. Titelvignette: Volkswagen badge on the front of a Beetle. Vom User Stephen Hanafin unter CC BY-SA 2.0 lizenziert. Für Kommentare bitte hier klicken.