„Wissen sie was sich auch gut verkauft? Kindersärge, die gibt es auch in Froschgrün und Feuerwehrrot"
--- Dr. Gregory House
Will man in einer großen Runde
junger Eltern möglich schnell die Stimmung verderben und eine schnelle, emotionale
Kamikazefahrt erleben, so startet man am besten eine Diskussion über
Impfkritik. Und will man dann noch richtig vor die Wand fahren, dann sollte
noch das Wort Impfpflicht fallen.
Bei nur wenigen Themen kommt man
derart schnell auf emotionalen Konfrontationskurs, denn Impfkritiker wie auch
Impfbefürworter (ein eigentlich unglückliches Wort, denn die meisten sind ja auch
im Falle von Krankheiten „Behandlungsbefürworter“) wollen in dem Sinne nur das Beste
für ihr Kind. Beide Seiten haben dafür selbstredend Argumente, auch wenn dieser
Autor nicht wirklich verhehlen kann, dass er die Argumente einer dieser beiden
Seiten nur schwer nachvollziehen kann. Dennoch hat jeder Anspruch auf seine
Meinung und damit natürlich auch ein Recht zu entscheiden, was mit dem eigenen
Kind passiert.
Die Entscheidung ob man sich impfen
lässt oder nicht hat zwei Auswirkungen: Eine persönliche und eine allgemeine.
Die persönliche Auswirkung ist mit aller Sicherheit erst einmal für die meisten
die wichtigste („Ich will sicher vor Krankheit xyz sein. / Ich will keinen
Impfschaden riskieren.“), ist aber für die Diskussion unter liberalen
Gesichtspunkten vergleichsweise uninteressant. Ob sich jemand einem
persönlichen Risiko aussetzen will, ist Sache des Betreffenden selbst. Und er
oder sie ist es ja auch, der am Ende die Folgen trägt. Wenn sich jemand nicht
gegen Grippe impfen lassen möchte und dann vielleicht erkrankt, tangiert das diesen
Autor zumindest nur sehr am Rande.
Kritisch zu betrachten ist eher die
allgemeine Auswirkung: Wer sich nicht impfen lässt, reduziert den Herdenschutz.
Eigentlich ganz simpel. Das Problem dabei ist, dass der Herdenschutz vor allem
diejenigen schützt, die sich selbst (evtl. noch) nicht schützen können. Dazu
gehören Immungeschwächte, Impfversager oder auch schlicht und einfach Babys. Nun
ist es keine Pflicht sich potentiell selber zu schaden (Stichwort Impfschaden), um andere zu
schützen, nur sollte man sich schon erst einmal über die Drittwirkung der
eigenen Entscheidung bewusst sein.
Die derzeit größte (impfbare)
Bedrohung geht dabei von den Masern aus. Masen sind, entgegen dem naiven Volksglauben,
keine harmlose „Kinderkrankheit“, sondern eine vergleichsweise üble und
hochinfektiöse Krankheit, deren Letalität in westlichen Ländern so zwischen
1:500 und 1:1000 liegt (nur als Vergleich, der gefürchtete plötzliche Kindstod
liegt bei normalen Neugeborenen bei vielleicht 1:1500).
Interessant sind Masern auch
deshalb, weil sie in Nord- und Südamerika durch entsprechende Impfkampagnen
kurz vor der Ausrottung stehen. Wohlgemerkt, das gilt für Nord- und Südamerika,
schließt also noch den ärmsten Slum in Sao Paulo ein. In Deutschland dagegen
sind Masern kurz davor endemisch zu werden, d.h. wir stehen an der Schwelle
dazu, dass es keinen weiteren Masernimport (beispielsweise aus der dritten
Welt) mehr braucht, um uns das Virus zu erhalten. Es gibt schlicht genügend
"natürliche" Infektionen. Vereinfacht ausgedrückt könnte man auch sagen, die
Masern sind bald in Deutschland wieder heimisch. Warum ist dies so? Die Antwort
ist simpel: Weil zu wenig geimpft wird.
Schätzungen gehen dahin, dass wir
eine Durchimpfung von etwa 95% brauchen würden, um die Masern auszurotten (die
Quote ist im Vergleich zu anderen Krankheiten deshalb so hoch, weil Masern außerordentlich
ansteckend sind). Deutschland liegt derzeit bei etwa 92%, Tendenz: sinkend.
Oder anders gesagt: Die Menge der
Impfgegner, Kritiker oder auch Impfmüden nimmt derzeit stark zu. Nach der
Lebenserfahrung dieses Autors gibt es im Groben drei große Strömungen (mit
starken Überschneidungen) unter den Impfgegnern: Diejenigen, die stark mit der
bösen Pharmalobby argumentieren, die ja Millionen, wenn nicht Milliarden mit
Impfungen verdient, obschon diese alle ja unwirksam sind. Dies kann man wohl
getrost als Vulgärkommunismus bezeichnen und ist ebenso typisch deutsch, wie es
auch dumm ist. Die Wirksamkeit der Impfungen lässt sich sehr gut durch
Ländervergleiche dokumentieren, die jüngsten Ausbrüche (Stichwort
Waldorfschule) sprechen auch eine recht klare Sprache und wer meint, dass die
Pharma sich an Impfungen dumm und dusselig verdient, der sollte mal darüber
nachdenken, ob die Folgen von Masererkrankungen nicht deutlich lukrativer zu
behandeln sind. Das Eingangszitat von Dr. House ist eigentlich diese beste
Antwort auf diese Art von Dummheit. Die zweite Gruppe, obschon sie starke
Überschneidungen mit Gruppe eins aufweist, bezweifelt die Wirkung der Impfung,
bzw. sieht einen überwiegenden Schaden in den resultierenden Impfschäden.
Dieser Gruppe ist deutlich schwerer zu begegnen, denn die Diskussion ähnelt
einer Debatte um die globale Erwärmung oder auch um die Diskussion zur
Wirksamkeit von Chemo-Therapie. Es gibt mehr oder minder prominente „Wissenschaftler“,
die mit ihren Statistiken zu belegen suchen wie schädlich und unwirksam
Impfungen halt sind. Das Problem daran ist, dass der Laie dies nur schwerlich
erkennen kann. Im Vergleich zur Normalbevölkerung gibt es nur sehr wenige
Leute, die genug von Statistik und Medizin verstehen, um den wissenschaftlichen
Hintergrund zu begreifen und an der Stelle wird die Debatte zur Vertrauensfrage.
Es ist schwer bis nahezu unmöglich an solche Leute argumentativ heranzukommen,
der Erfolg der Homöopathie (wird inzwischen von den Krankenkassen teilweise
bezahlt) spricht Bände. Die dritte Gruppe, obschon die kleinste, ist dagegen
noch einmal deutlich schlimmer. Sie bezweifelt die Wirkung der Impfung nicht,
sieht aber auch das Risiko von Impfschäden und möchte sich gerne im
Herdenschutz ausruhen. Das Motto ist simpel: Ich will das mein Kind die Krankheit
nicht bekommt, aber das Risiko dafür sollen bitte andere tragen. Diese
Einstellung ist schlicht und einfach asozial im realen Sinne des Wortes. Aber
nicht verboten.
Warum diese drei Gruppen überhaupt
unterscheiden? Weil der letzte Teil dieses Artikels sich auf ein Wort beziehen
soll, dass zu Anfang gefallen ist. Seit dem letzten Maserausbruch in Berlin
wird in Deutschland wieder über eine Impfpflicht nachgedacht. Diese wird, aller
Wahrscheinlichkeit nach, auch kommen, in Form dessen, dass Kitas die Impfungen
vorschreiben und das sich Kinderärzte weigern Kinder zu behandeln, die nicht
geimpft sind. Wobei es durchaus auch Stimmen gibt zu einer echten Impfpflicht
zu kommen, wie sie in der DDR existierte und bis 1975 in Bezug auf Pocken auch
in der BRD.
Ich finde diese Diskussion außerordentlich
schwierig. Als Vater teile ich die Angst davor, dass mein Kind mit Masern
infiziert wird. Ich teile die Wut über den vermeidbaren Tod der beiden Kinder aus Bad Salzuflen die
jämmerlich (es gibt kein anderes Wort dafür) sterben mussten, weil jemand
anders sein Kind nicht hat impfen lassen. Ich kann die Sorge von
immungeschwächten Menschen oder Impfversagern nachvollziehen, die jeden Tag mit
dieser unbewussten Gefahr leben.
Und dennoch, dennoch ist eine
Impfpflicht mit einem durch und durch liberalen Standpunkt nur schwer zu
vereinbaren. Eine Impfung ist und bleibt eine Körperverletzung. Sie hat Risiken,
bekannte wie unbekannte, die schwere Leiden bis zum Tode einschließen. So klein
diese Risiken sein mögen, man kann sie nicht wegdiskutieren. Und, wie schon
gesagt aus liberaler Sicht, gibt es ein Recht auf Dummheit, ein Recht darauf
den Falschen zu vertrauen und ein Recht darauf sich asozial zu verhalten. Es gibt ein Recht selber zu bewerten, wie die DInge sind. Wobei
selbst das so universell dann nicht sein kann, denn unbewusst folgt ja immer
der Nachsatz: So lange man dabei keinem schadet. Aber schadet man jemandem
schon durch die eigene Existenz? Ich finde einen Staat, der eine Nadel in die
Arme seiner Bürger zwingt, beängstigend. Sogar sehr beängstigend. Ich denke das ist eine Schwelle, die zu
überschreiten man sich sehr genau überlegen sollte.
Es ist eben tatsächlich schwierig.
Und noch schwieriger wird es angesichts der staatlichen Schulpflicht oder den
staatlich verpflichtenden U-Untersuchungen. Was soll jemand tun, der sein Kind
nicht impfen lassen will? Sei Kind auf eine Privatschule schicken? Und wie geht
umgekehrt ein Normalsterblicher damit um, wenn der Staat sein Kind auf eine
Schule stecken will, aber nicht sicherstellen will, dass die Kinder dort auch
geimpft sind? Wie soll jemand sein Kind zur U3 oder U4 bringen (was Pflicht
ist), wenn der Kinderarzt nicht versprechen möchte, dass sein Wartezimmer masernfrei
ist?
Erlauben Sie mir, lieber Leser,
vielleicht ein paar „alternative“ Gedanken: Ich denke es ist Zeit für andere
Antworten und das vergleichsweise dringend. Zu warten bis Masern wieder
endemisch werden, kann uns allen nur schaden. Die Leute zu zwingen (am besten
mit der Polizei) kann einem liberalen Staatsverständnis auch nicht entsprechen.
Die oben erwähnten Vulgärmarxisten kann man in aller Regel kaufen. Warum soll
der Staat nicht für den Herdenschutz bezahlen? Wenn wir Kindergärten bezahlen,
können wir auch dafür bezahlen. Natürlich hat es was Absurdes Menschen für etwas
zu bezahlen, was ihnen nützt, aber wenn es funktioniert, dann muss es eben
sein. Parallel dazu macht es Sinn über die Unwissenschaftlichkeit der
Impfkritik (und ihrem Bruder im Geiste, der Homöopathie gleich mit)
aufzuklären. Man muss Menschen überzeugen und nicht zwingen. Wenn die Leute
lieber auf Schamanen, Homöopathen und andere „Experten“ hören, dann hat das
seinen Grund. Die Wissenschaft, bzw. die Ärzte müssen eine höhere
Glaubwürdigkeit haben, um die zweite Gruppe zu erreichen. Und was die dritte
angeht, nun, asoziales Verhalten ist nur schwer zu therapieren. Aber wenn wir
die ersten und die zweiten bekommen, kann die dritte durchs Netz fallen.
Impfplicht ist natürlich billiger (sic).
Llarian
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